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Flossbach von Storch zu Schwellenländern Fünf Gründe für eine beschleunigte Digitalisierung

Quingdao im Nordosten Chinas

Quingdao im Nordosten Chinas: Das Entwicklungstempo in Schwellenländern ist rasant; Innovationen werden hier nicht von tradierten Geschäftsmodellen oder alten Softwareinfrastrukturen gestoppt. Foto: imago images / View Stock

Erst kam der Crash, dann folgte eine Rally. Nachdem die Schwellenländerbörsen in den ersten drei Monaten des Jahres die schlechteste Wertentwicklung seit dem Jahr 2008 verbuchen mussten, setzte anschließend eine fulminante Erholung ein. Das erscheint auf den ersten Blick erstaunlich: Waren doch die Gesundheitssysteme in vielen Schwellenländern nur unzureichend auf das Corona-Virus vorbereitet, und durch die einschränkenden Lockdown-Maßnahmen ist vielfach ein immenser wirtschaftlicher Schaden entstanden.

Doch wie in den entwickelten Ländern auch, waren manche Schwellenländer zu beachtlichen Hilfsmaßnahmen bereit. Unterstützungspakete wurden geschnürt, und auch dort senkten immer mehr Zentralbanken die Leitzinsen, was uns vor dem Hintergrund niedriger Inflationsraten in vielen dieser aufstrebenden Volkswirtschaften vertretbar erscheint.

Die Corona-Pandemie hat dessenungeachtet die Schwachstellen vieler Schwellenländer (Emerging Markets) offengelegt: Das Schuldenniveau dürfte weiter steigen und die Haushaltsdefizite werden sich voraussichtlich vergrößern. Eine zu hohe Abhängigkeit von ausländischen Kapitalströmen kann Länder verwundbar machen. Es ist daher unseres Erachtens davon auszugehen, dass es nach Corona zu einer noch stärkeren Spreizung zwischen den „Sorgenkindern“ und jenen Volkswirtschaften kommen wird, die derzeit ihre Wachstumsmodelle erfolgreich umstellen. Einige Schwellenländer könnten in Zukunft sogar besonders stark vom weltweiten Trend zur Digitalisierung profitieren, der sich in der Corona-Krise nochmals beschleunigt hat. Vor allem die asiatische Region hat dabei gute Karten. Dafür sprechen fünf Gründe.

  1. Viele gut ausgebildete Fachkräfte in aufstrebenden Volkswirtschaften

China kann auf eine große inländische Kapitalbasis zurückgreifen und weiterhin Produktivitätszuwächse verbuchen. Doch vor allem leben dort sehr viele gut ausgebildete junge Menschen. Auch andere Emerging Markets investieren zunehmend in die (Aus-)Bildung ihrer Bevölkerung. Damit erfüllen sie eine wichtige Voraussetzung dafür, dass auf Unternehmensebene innovative Geschäftsmodelle entstehen können, die teils eine sehr hohe Skalierbarkeit aufweisen und attraktive Kapitalrenditen erwirtschaften.

  1. Hohe Internet-Affinität in jungen Gesellschaften

Weltweit verbrachten die Menschen im Lockdown viel Zeit im Internet. Das war in den Emerging Markets nicht anders als in den entwickelten Industrieländern. Doch der zunehmende Einsatz von innovativen Technologien in vielen Bereichen des Lebens dürfte sich in Ländern, in denen das Durchschnittsalter oft weit unter dem in Europa liegt, als dauerhaftes Phänomen erweisen. Der hohe Anteil an Digital Natives sorgt dafür, dass die Bevölkerung dort meist deutlich internetaffiner als in der „alten“ Welt ist, was sich in einigen Marktstudien widerspiegelt.

  1. Förderung von Technologieunternehmen in China

In China nahm zudem ein weiterer Trend nach der Finanzkrise seinen Anfang. Damals haben viele Schwellenländer unter dem starken Rückgang des Welthandels gelitten, auch das vormals stark exportorientierte China. Seither legt die Regierung mehr Wert auf die Qualität als auf die Quantität des Wachstums. Das bedeutet auch, dass die Produktion von Hightech besonders gefördert wird. So geben chinesische Unternehmen bereits seit 2014 mehr Geld für Forschung und Entwicklung aus als Firmen in der EU, zeigt die Studie „China Internet Report“, der „South China Morning Post“ vom Juli 2020. Die Ausgaben dürften in diesem Jahr mit 616 Milliarden US-Dollar erstmals die Ausgaben der US-Unternehmen übersteigen. Auch der Umfang der Start-up-Finanzierungen ist beachtlich.

Zudem baut China sein 5G-Netz aus. Die Digitalisierung mit der Netzwerktechnik 5G und dem Internet der Dinge fordert immer größere Rechenleistungen und die Regierung in Peking hat beschlossen, dass die Volkswirtschaft in wenigen Jahren von Technologieimporten unabhängig werden soll. Bis 2025 will China 70 Prozent des Eigenbedarfs selbst produzieren – und fördert entsprechende Anbieter im Land.

  1. Potenzial für E-Commerce in Asien und Südamerika

Die neue chinesische Politik fördert höher qualifizierte und besser bezahlte Jobs. Und die wachsende, einkommensstarke Mittelschicht sorgte durch ihre Konsumnachfrage im Jahr 2019 bereits für knapp 60 Prozent des chinesischen Wachstums. In diesem Jahr soll der Konsum in China sogar erstmals höher ausfallen als in den USA.

Für Unternehmen, die den Geschmack der Verbraucher treffen, bietet der Markt enorme Wachstumsmöglichkeiten. Der E-Commerce Absatz hat in China die Billionen-US-Dollar-Grenze überschritten; immer neue Geschäftsideen etablieren sich. Aber auch in weniger entwickelten Schwellenländern wächst mit der Zahl der Handynutzer der Konsum. So hat die E-Commerce-Erschließung der Inselstaaten Südostasiens begonnen, eine Region mit mehr als 650 Millionen Einwohnern, in der die E-Commerce-Durchdringung noch im einstelligen Bereich liegt. Auch in Südamerika finden sich immer neue Käuferschichten im E-Commerce.

  1. Schwellenländer sind Vorreiter bei mobilen Bezahldiensten

2008 startete in China die erste größere App, die sicheres Bezahlen per Tablet oder Smartphone ermöglicht hat. Während diese Bezahlmethode hierzulande noch vielfach auf Skepsis stößt, gehört sie in China längst zum Alltag. Mit dem Smartphone zu bezahlen, ist auch in manchen afrikanischen Ländern und südamerikanischen Emerging Markets mittlerweile Usus. Die sogenannten Fintech-Unternehmen entwickeln sich zu echten Konkurrenten traditioneller Finanzdienstleister. Sie haben in den Emerging Markets den Vorteil, dass benutzerfreundliche Innovationen nicht von tradierten Geschäftsmodellen oder alten Softwareinfrastrukturen gestoppt werden. Das Entwicklungstempo ist rasant, und viele Impulse dürften wohl auch in Zukunft aus den Schwellenländern kommen – egal ob aus China, Brasilien oder Indonesien.

Dies ist eine gekürzte Fassung des Artikels von Michale Altintzoglou, der in der aktuellen Ausgabe von „Position“, dem Magazin von Flossbach von Storch, erschienen ist. Sichern Sie sich hier Ihr kostenloses Abonnement.

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