Interview mit Lupus alpha-Partnern „ESG wird sich zum Standard entwickeln“

Markus Zuber (l.) und Götz Albert von Lupus alpha

Markus Zuber (l.) und Götz Albert von Lupus alpha: „Ein gutes ESG-Rating bedeutet nicht automatisch, dass die Aktien des Unternehmens Alpha-Potenzial haben.“ Foto: Markus Kirchgessner

leitwolf: Herr Zuber, seit März 2020 strapaziert die Corona-Pandemie unsere Nerven. Wie haben sich Ihre Kunden darauf eingestellt? Welche Themen beschäftigen sie besonders?

Markus Zuber: Für institutionelle Investoren ging es zunächst darum, zu schauen, welchen Schaden die Kursverluste vom März letzten Jahres angerichtet hatten, und gegebenenfalls ihre Portfolios daraufhin neu aufzustellen. Wir haben viel mit unseren Kunden diskutiert, wann sie wieder Risiko in ihrem Portfolio aufbauen sollten. Darüber hinaus haben sich unsere Kunden verstärkt mit dem Thema ESG (Environmental, Social, Governance) beschäftigt. Das erklärt sich durch den Druck der Regulierung, da seit dem 10. März 2021 die Offenlegungsverordnung gilt. Ab sofort müssen Finanzmarktteilnehmer gegenüber Anlegern erklären, inwieweit sie ökologische und soziale Kriterien sowie Standards der guten Unternehmensführung beachten. Nach dem „Wie“ fragen die Regulierer dann erst in der nächsten Umsetzungsstufe.

Der regulatorische Druck steigt also. Wie spüren Sie das in der Nachfrage?

Zuber: Die Nachfrage nach nachhaltigen Investments nimmt deutlich zu. Und in den nächsten Jahren wird das Thema noch wichtiger werden. 2022 wird es eine neue Verordnung zur Finanzmarktrichtlinie MiFID geben, die verlangt, dass in der Beratung von Privatanlegern deren Präferenz für ESG-Themen abgefragt wird. Bei den institutionellen Investoren ist das Reputationsrisiko einer der entscheidenden Nachfragetreiber. Sie können es sich nicht erlauben, das ESG-Thema in ihrem Portfolio nicht oder nicht ausreichend zu berücksichtigen.

Herr Albert, worauf sollten institutionelle Investoren achten, wenn sie ESG in ihren Portfolios umsetzen?

Götz Albert: Sie sollten sich zunächst einen Überblick darüber verschaffen, was gefordert wird, und dann für sich Kriterien festlegen. Sie sollten sich außerdem darüber im Klaren sein, dass man dabei nicht nur ein Etikett auf ein Portfolio oder ein Produkt klebt, sondern ein Kriterien-Set entwickelt, das man bei seinen Investitionen konsequent anwendet und dessen Anlageerfolg messbar ist. Dabei müssen Investoren die Widersprüche, die dieses Set an Kriterien möglicherweise umfasst, aushalten, weil sich nicht alle Ziele gleichzeitig erreichen lassen. Nehmen wir die Nachhaltigkeitsziele der UN, die Sustainable Development Goals (SDGs), als Beispiel: Sie enthalten einerseits Ziele, die dem Klimaschutz dienen, und andererseits Ziele, mit denen der weiterwachsenden Weltbevölkerung auskömmlicher Wohnraum zur Verfügung gestellt werden soll. Hier liegt ganz klar ein Zielkonflikt vor.


Markus Zuber:
In den Gesprächen mit unseren Kunden wird immer wieder deutlich, wie sehr diese sich mit den verschiedenen Aspekten von Nachhaltigkeit beschäftigen. Neben der strategischen Auseinandersetzung liegt ihr Augenmerk derzeit aber vor allem auf der formalen Erfüllung der Regularien.

Wie hilfreich sind ESG-Ratings?

Albert: Für uns ist ein Rating im ersten Schritt eine gute Faktensammlung, jedoch keine alleinige Basis, auf der wir eine Investitionsentscheidung treffen. Ein gutes ESG-Rating bedeutet ja nicht automatisch, dass ein Unternehmen erfolgreich sein wird oder seine Aktien Alpha-Potenzial haben.

Auf welche Ratinganbieter verlassen sich institutionelle Investoren?

Zuber: Im Markt gibt es drei starke Anbieter: MSCI, ISS ESG, ehemals Oekom, und die zu Morningstar gehörende Ratingagentur Sustainalytics. In welchem Umfang Investoren auf diese zurückgreifen, hängt von ihrer Art und Größe ab. Kirchliche Investoren nutzen zum Beispiel schon sehr lange Ratings und richten ihre Investitionsentscheidungen zudem nach eigenen Leitfäden aus. Größere Investoren verwenden teilweise mehrere Ratingagenturen, weil sie festgestellt haben, dass ein Rating nicht alles abdeckt und Ratings auch konträr sein können – wenn beispielsweise die eine Ratingagentur ein Unternehmen ausschließt, während die andere es einschließt.

Führen ESG-Ratings Investoren also eher in die Irre?

Zuber: So weit würde ich nicht gehen. Ratings können eine erste Orientierung geben. Aber man muss sich immer vergegenwärtigen, dass Ratingscores auf veröffentlichten Daten beruhen und nur in größeren Intervallen aktualisiert werden. In der Regel blicken Investoren also auf einen Entwicklungsstand des Unternehmens, der sechs bis zwölf Monate zurückliegt. Mit aktuelleren Daten und einer eigenen Einschätzung sind wir besser gerüstet, Entwicklungspotenziale zu entdecken, aber auch auf mögliche Risiken aufmerksam zu werden.

Lupus alpha hat sich für MSCI entschieden und nutzt die Datenbank seit rund einem Jahr intensiv. Warum MSCI?

Albert: MSCI betreibt den Ratingaufwand mit einer Vielzahl von Analysten. Das ist die Basis, um dann auch maßgeschneiderte Indizes anbieten zu können. Für ESG-Themen wird dieser Bedarf weiter steigen, weil sich mehr unterschiedliche Investorentypen und Modellportfolios herausbilden werden.

Markus Zuber: Ein wichtiges Argument ist auch die Abdeckung. MSCI ist aus unserer Sicht führend, was unser Universum der Small und Mid Caps sowie Wandelanleihen betrifft.

Ende 2020 haben Sie zwei Ihrer Publikumsfonds umbenannt und um den Zusatz „Sustainable“ erweitert. Warum?

Zuber: Unsere Fonds Lupus alpha Sustainable Smaller Euro Champions und Lupus alpha Sustainable Smaller Pan European Champions berücksichtigen eine Vielzahl von ESG-Kriterien. Insofern war es nur konsequent, die nachhaltige Ausrichtung im Fondsnamen zu ergänzen. Auf diese Weise sind wir auch in den ESG-Rankings sichtbarer und für Wholesale-Kunden leichter investierbar.

>>Fonds von Lupus alpha im Überblick

Hat sich mit der Umbenennung auch der Investmentprozess geändert?

Albert: Ja, wir haben die ESG-Kriterien für die beiden Fonds verbindlich festgeschrieben und unseren Selektions- und Anlageprozess damit erweitert. In einer ersten Stufe werden im Rahmen eines Screenings all die Unternehmen herausgefiltert, die unseren Mindestanforderungen an Liquidität und unseren ESG-Kriterien nicht genügen. In der zweiten Stufe identifizieren wir mittels Fundamentalanalyse, also „bottom up“, die Unternehmen, denen wir ein besonderes Potenzial beimessen. Mit diesem zweistufigen Prozess gelangen wir zu einem Portfolio von nachhaltigen Titeln, denen wir Outperformance zutrauen.

Gibt es bei Ihnen einen Hauptverantwortlichen für das Thema ESG?

Albert: Innerhalb unseres Portfolio-Management-Teams arbeitet ein Kollege fast ausschließlich daran, Unternehmen, in die wir neu investieren wollen, anlassbezogen durch die ESG-Brille zu prüfen, und er durchforstet dafür systematisch die Datenbanken. Dabei landet zum Beispiel ein Unternehmen auf unserer Watchlist, wenn es aus ESG-Sicht derzeit nicht investierbar ist, aber das Potenzial hat, auf absehbare Zeit investierbar zu werden.

Nehmen Ihnen die strengen Ausschlusskriterien für nachhaltiges Investieren so nicht den Spielraum, aktiv Alpha zu erzielen?