Aus Sicht des Treasury Erfolgsfaktoren bei der Fusion von Volksbanken

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Alleine aus der Bilanzstruktur resultieren selbst bei Banken aus der gleichen Region deutliche Unterschiede. So können die Kundenkreditanteile an der Bilanz sehr unterschiedlich sein. Bank A beispielsweise ist schon immer ein Institut mit einem hohen Kundenkreditfokus und entsprechenden Spezialisten. Bank B erzielt aufgrund der deutlich intensiveren Bewirtschaftung des strategischen Geschäftsfelds Private Banking dort deutlich höhere Provisionserträge und ist allein deshalb schon weniger vom Zinsergebnis abhängig als Bank A.

Unterschiede wie diese zu bewerten ist zu diesem frühen Zeitpunkt unmöglich und sollte unbedingt vermieden werden. Stattdessen ist gerade bei der Erstanamnese von allen Beteiligten viel Fingerspitzengefühl erforderlich, da ansonsten schnell persönliche Befindlichkeiten den Prozess behindern können. Schließlich ist die Struktur jedes Kreditinstituts Ergebnis der jeweiligen Strategie, aufbauend auf der jeweiligen Risikotragfähigkeit und der Risikobereitschaft der Verantwortlichen. Gleiches gilt für die Eigenanlagen, die deshalb in der Praxis niemals deckungsgleich sind.

Wenn sich etwa Bank A vor zwei Jahren von dem strategischen Geschäftsfeld „Warengeschäft“ getrennt hat, der mögliche Fusionspartner Bank B sich aber als ausgewiesener Partner der Landwirtschaft und damit auch als Warengenossenschaft sieht, kann es hier zu gewichtigen Unterschieden kommen. Auf keinen Fall sollte man den Fusionspartner in solchen Fällen ohne Detailanalyse kritisieren und als rückständig hinstellen. Stattdessen ist dessen Entscheidung zu akzeptieren und erst später mit Blick auf das gemeinsame Institut zu hinterfragen.

Da sich jedoch meist automatisch eine Seite ins schlechte Licht gerückt sieht, sind solche Gespräche in der Praxis oft nur schwer ohne Vorbehalte zu führen. Schnell sind Sätze à la „Die machen das noch wie wir vor 15 Jahren“ oder „Bei der Bilanzstruktur können die gar nicht anders als fusionieren“ in der Welt und nur schwer wieder einzufangen. Solche unqualifizierten Äußerungen kommen in aller Regel dann zustande, wenn sich Personen außerhalb des inneren Fusionszirkels mit vermeintlichem Exklusivwissen hervortun möchten. Daher sollte der Kreis der einbezogenen Personen von Anfang an möglichst klein und strikte Vertraulichkeit gewährleistet sein.

Während die Bilanzstruktur noch vergleichsweise unstrittig und leicht nachvollziehbar ist, verhält es sich bei vielen anderen Faktoren komplett anders. Eine Vermögens-, Barwert- sowie an Gewinn und Verlust orientierte Analyse mit detaillierten Aussagen zur gegenwärtigen und künftigen Kapitalsituation erzeugt weit mehr Diskussionsbedarf, da hier unterschiedliche Annahmen, Voraussetzungen und Einstellungen hineinspielen.

Gerade bei den Betriebsergebnis- und Kapitalplanungen gilt es, die unterschiedlichen Prämissen bezüglich künftiger Geschäfte, Wachstumsannahmen oder Investitionsplanungen neutral auf den Tisch zu bringen und erst in einem zweiten Schritt zu vereinheitlichen. Auf Basis einheitlicher Parameter und identischer Prämissen kann dann ein echter Vergleich erfolgen. Das einheitliche Maß sorgt für Sicherheit in den folgenden Prozessschritten, da die bisherigen Unterschiede dadurch weitgehend beseitigt werden.

Die auf diese Weise erlangte tiefgehende Transparenz ist jedoch kein Selbstzweck, sondern dient letztendlich zwei Zielen: erstens dem gegenseitigen Verstehen der Unterschiede und Gemeinsamkeiten, das als Basis dient, um zweitens ein Zielbild für das fusionierte Institut zu schaffen.