Nach einem Jahr mit Corona Die fünf großen Investment-Fragen für Family Offices

Ahmed Husain vom Asset Manager Neuberger Berman

Ahmed Husain vom Asset Manager Neuberger Berman: Der Leiter Family Offices und Endowments EMEA schaut auf das Anlageverhalten von europäischen Family Offices zurück Foto: Neuberger Berman

„Alle glücklichen Familien gleichen einander“ so lautet der erste Satz in Tolstois Roman Anna Karenina. Weiter schreibt er: „Jede unglückliche Familie ist auf ihre eigene Weise unglücklich.“ Dasselbe gilt auch für die Geschichte der Family Offices im Corona-Krisenjahr 2020. Family Offices berichteten von Renditen zwischen minus 7 und plus 20 Prozent – noch nie zuvor gab es hinsichtlich der Renditen so große Unterschiede. Im Vergleich dazu: Im Vorjahr 2019 lieferten die meisten Family Offices einheitlich fast 10 Prozent.

In den vergangenen zehn Jahren waren die Portfolios der europäischen Family Offices allesamt sehr unterschiedlich und hatten lediglich ein paar Gemeinsamkeiten: Sie alle halten Assets um die 10 bis 20 Prozent in Immobilien, alle haben steigende Positionen in den Privatmärkten und sie alle sind auf der Suche nach Möglichkeiten, die Renditen ihres Portfolios im nächsten Jahrzehnt zu steigern.

Diejenigen, die im Jahr 2020 eine Underperformance verzeichneten, waren in Sektoren wie Einzelhandel, Hotel- und Freizeitsektor investiert und in Sektoren wie Technologie und Gesundheitswesen stark unterrepräsentiert. Dabei waren es genau diese Sektoren, in den andere Anleger eine starke Outperformance erzielten. Diese unterschiedliche Performance der Portfolios trat unabhängig davon auf, ob die Investoren in jenen Sektoren mittels öffentlicher oder privater Anlageinstrumente oder -vehikel aktiv waren.

Rückblick auf 2020


Mit dem Ausbruch der Corona-Krise wurde allen klar, dass es sich hierbei nicht um eine normale Marktkorrektur handelte. Diese Krise könnte genauso schlimme oder gar schlimmere Auswirkungen haben als die Finanzkrise 2008. Um gegenzusteuern und die Krise zu bewältigen, erarbeiteten Family Offices unterschiedliche Lösungsansätze.

Viele waren schon zuvor umsichtig und gingen mit Cash-Puffern in das Jahr 2020, die zum Teil immerhin bis zu 30 Prozent betrugen. Für andere bestand der erste Schritt jedoch darin, Barmittel zu beschaffen und ihre Risiken zu reduzieren. Das bedeutete ein besseres Verständnis der Risiken in ihren Unternehmen und Investitionen. Viele davon waren den ganzen Sommer damit beschäftigt, den Cashflow-Bedarf ihrer operativen Geschäfte und Investitionen zu analysieren.

Getreu dem Motto „Lass eine Krise nie ungenutzt verstreichen“ folgte nach der ersten Krisenbewältigung im Mai die Frage, wie man aus der Krise nun den besten Nutzen ziehen konnte: Auf den ersten Blick sahen Family Offices Chancen bei Investitionen Distressed Credit und Special-Situations-Investitionen. Doch mit den umfangreichen Konjunkturprogrammen der Regierungen und Zentralbanken verschwand die Gelegenheit so schnell, wie sie erschienen war.

„Die Aktienmärkte entsprechen nicht der Wirtschaft“ – das zeigte der Sommer ganz eindeutig. Im Juli folgte dann die Sorge um die Inflation und Gold- und Silberpreise begannen zu steigen. Während dieser Zeit und vor allem bis in den August hinein, als die Märkte immer weiter stiegen, sahen viele Family Offices ihr Kerngeschäft leiden, auch wenn sich ihre Portfolios erholten.

Die nächsten Sorgen nach einer kurzen Erholung im Sommer: Die US-Wahlen und der Brexit. Insbesondere die US-Wahlen stellten ein großes Risiko für europäische Family Offices dar, denn die meisten halten etwa 80 bis 90 Prozent ihrer Assets in den USA und viele davon haben sich nicht gegen das Währungsrisiko abgesichert, da der US-Dollar in der Vergangenheit tendenziell eher gestiegen ist, wenn die Renditen von Risikoanlagen gesunken sind – dies stellt normalerweise eine natürliche Absicherung dar.