Wege aus dem Zinsdilemma Die Barbell-Strategie neu gedacht

Seema Shah von Principal Global Investors

Seema Shah von Principal Global Investors: Die global Chefstrategien plädiert für eine neue Barbell-Strategie auf der Rentenseite Foto: Principal Global Investors

Im Englischen haben wir ein Sprichwort, das besagt: Es gibt keine Ruhe für die Erschöpften. Viele Anleihe-Investoren werden dieses Gefühl kennen. Nachdem sie das letzte Jahrzehnt damit verbracht haben, durch ein bereits schwieriges Umfeld für festverzinsliche Wertpapiere zu navigieren, stehen sie nun wieder vor neuen historischen Herausforderungen.

Dass der Anleihemarkt derzeit in einer so besonderen Situation ist, liegt am Zusammenwirken verschiedenster Faktoren: eine außergewöhnliche Geldpolitik der Zentralbanken, haushaltspolitische Ungleichgewichte in einigen Staaten, konjunkturelle Unsicherheiten sowie demografische Veränderungen haben die Zinssätze in der Nähe ihrer Allzeittiefs gehalten. Was wir jedoch heute am Anleihemarkt sehen, ist mehr als nur ein Niedrigzinsumfeld. Vielmehr sehen wir im Augenblick wohl die unattraktivsten Zinsen der modernen Zeit. Einige Beispiele von Mitte April 2021:

  • Die Rendite der 30-jährigen US-Staatsanleihe liegt unter 2,4 Prozent – und damit deutlich unter dem Tiefststand während der Finanzkrise 2008.
  • Der Bloomberg Barclays U.S. Aggregate Bond Index rentiert mit nur 1,6 Prozent.
  • Die Spreads für Investment-Grade-Anleihen sind auf unter 100 Basispunkte gesunken.
  • High-Yield-Renditen liegen nur noch 2,9 Prozentpunkte über US-Treasuries.

Eines dürfte also klar sein: Um in diesem Umfeld noch attraktive Renditen erzielen zu können, kann es nicht mehr ausreichend sein, einfach auf längere Laufzeiten zu setzen oder sich auf der Bonitätsskala nach unten zu bewegen.

Traditionelle Strategien funktionieren nicht mehr

Viele Anleger haben versucht, sich an das neue Umfeld anzupassen, indem sie ihr Risiko-Exposure kalkuliert erhöht haben. Einige haben dies mittels einer sogenannten Barbell-Strategie (deutsch: Langhantel) getan – eine Strategie, bei der üblicherweise Anleihen an entgegengesetzten Laufzeitenden der Renditekurve kombiniert werden, um Erträge zu erzielen und gleichzeitig das Durationsrisiko herauszunehmen.

Auch wenn dies während des vergangenen Marktzyklus noch funktioniert haben mag, wird die Strategie weniger attraktiv (und weniger effektiv), wenn sich, wie aktuell, die Prämien für längere Laufzeiten sowie die Risikoaufschläge insgesamt weiter verringern. Anleger wären deshalb gut beraten, die traditionelle Barbell-Strategie durch eine aktualisierte Version zu ersetzen – eine, die andere Segmente (und andere Risiken) des Anleihe-Universums einbezieht.

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Barbell-Strategie überdenken                                                                    

In der Vergangenheit ging es primär darum, in klassischen Anleihe-Marktsegmenten zu agieren und sich auf das Management des Durationsrisikos zu fokussieren. Heute müssen Anleger einerseits umfassender auf die Risiken schauen. Dabei geht es um lehrbuchmäßige Anleiherisiken wie das Kreditrisiko, das Wiederanlagerisiko oder das Liquiditätsrisiko, aber auch um übergeordnete makroökonomische Risiken, die sich auf die Anleihemärkte auswirken können.

Andererseits müssen sie auch andere Arten von Risiken gezielt eingehen. Es genügt nicht mehr, einfach unterschiedliche Enden der Renditekurve zu kombinieren. Die beiden Enden einer neu konzipierten Barbell-Strategie sollten wir uns vielmehr vorstellen als ein risikoärmeres und ein risikofreudigeres Ende: Stabilität und Diversifikation auf der einen Seite, Generierung von Ertrag und einer absolut positiven Gesamtrendite auf der anderen Seite.

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Stabilität und Diversifikation

Auf der risikoärmeren Seite der Barbell-Strategie bleiben klassische festverzinsliche Anlagen ein unbestreitbarer Bestandteil eines diversifizierten Portfolios. Trotz herausfordernder Bewertungen und historisch niedriger Renditen kann eine Anleihe-Allokation in Zeiten, in denen Märkte und Volkswirtschaften unter Stress stehen, immer noch für Stabilität im Portfolio sorgen. Das hat man etwa daran gesehen, wie US-Staatsanleihen und andere hochwertige Anleihen von einer Flucht in sichere Häfen während des Höhepunkts der Covid-19-Krise profitierten.

Trotz des positiven Diversifikationseffekts bleibt das Zinsrisiko natürlich ein wesentliches Risiko, das laufend gemanagt werden muss. Viele Anleger mussten dies während des sogenannten Taper Tantrums im Jahr 2013 schmerzhaft lernen, als die US-Notenbank Fed andeutete, ihre Asset-Käufe zu reduzieren: Die 10-jährige Rendite stieg im Laufe des Jahres schnell von etwa 1,6 auf knapp über 3,0 Prozent. Die Bewertungen in den Anleiheportfolios vieler Investoren setzte dies ordentlich unter Druck.

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Der direkteste Weg, dieses Risiko zu kontrollieren, ist es die Duration zu verringern. Eine Allokation in festverzinsliche Wertpapiere mit kürzerer Laufzeit im Portfolio eines Anlegers kann dazu beitragen, Rückschläge zu minimieren, wenn die Zinssätze unerwartet schwanken.  So hat etwa der Bloomberg Barclays Short-Term Corporate Index per Mitte April eine Duration von nur 0,5 Jahren, was ihn extrem unempfindlich gegenüber steigenden Zinsen macht.

Hochzinsanleihen sind ein weiteres Instrument, bei dem die Laufzeiten tendenziell kurz und die Zinsrisiken damit geringer sind. Während die Duration von Investment-Grade-Unternehmensanleihen im Durchschnitt 8,5 Jahre beträgt, sind Hochzinsanleihen mit einer durchschnittlichen Duration von nur 3,8 Jahren weniger als halb so empfindlich gegenüber Zinsschwankungen.