Deutsches Steuerrecht in der Praxis Tempo 30, ohne Blitzer

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Die nationale „Unterversorgung“ mit Finanzbeamten passiert auch vor dem eigenartigen Hintergrund, dass die Steuergesetzgebung zwar in Bundeshand ist, die Einstellung von Finanzbeamten aber den Bundesländern obliegt. Das Plus der Erhebungen geht zu unterschiedlichen Anteilen an den Bund, die Länder und Gemeinden und wird zusätzlich noch über den Länderfinanzausgleich umverteilt. Da ist die Einstellung von Beamten in jedem Bundesland unterschiedlich attraktiv.

Aber anstatt diese Missstände zu beheben, versucht die Politik mit eigenartigen Mitteln irgendwie an ihr Geld zu kommen. Statt rechtlich saubere Gesetze zu verabschieden und Schlupflöcher von vornherein zu stopfen, betreibt man demnächst Crowdsourcing.

Das Prinzip des Crowdsourcing ist inzwischen ja einigermaßen bekannt. Angehende Unternehmer oder Menschen mit einem bestimmten Anliegen, für das sie dringend Geld benötigen, bitten Interessierte um Beteiligung. In der bekanntesten Form durch Geld, es sind aber auch Sachleistungen möglich. Ein ähnliches Verfahren versucht jetzt die EU umzusetzen.

Am 21.06.2017 präsentierte die EU-Kommission einen Vorschlag, der zum Inhalt hat, dass es für Berater und Vermittler bestimmter Berufsgruppen zur Pflicht wird, bestimmte Informations- und Aufklärungspflichten einzuhalten. Diese beziehen sich vor allem auf Steuersparmodelle. Da die Gesetzgeber anscheinend kein Interesse mehr haben, mit dem Steuerzahler Hase und Igel zu spielen, sollen Steuersparmodelle quasi schon bei der Erfindung gemeldet werden, so dass sie dann vom Gesetzgeber entschärft werden können.

Das Anliegen des Gesetzgebers steht dabei doppelt konträr zu dem des Steuerberaters oder -anwaltes. Steuerberater unterliegen zum einen der Verschwiegenheitspflicht. Zwar räumt der Vorschlag ein, dass Steuerberater die Meldepflicht auf ihre Mandanten übertragen können - aber einen schalen Beigeschmack hat das immer noch. Zudem kommt hinzu, dass Sinn und Zweck meines Berufsstandes ist, für Mandanten die besten legalen Methoden zu finden, so dass diese ihr Steueraufkommen minimieren können.

Machen das meine Kollegen und ich nicht, sind wir in der Haftung oder müssen mit berufsrechtlichen Konsequenzen rechnen. Wie sich dieser Anspruch mit dem Ansinnen der EU-Kommission vertragen soll, ist noch unklar. Die dazu eventuell nötigen Regelungen werden hoffentlich nicht nach dem Crowd-Sourcing-Prinzip erarbeitet.

Dieses Gesetzesvorhaben ist im Grunde ein Paradebeispiel dafür, wie in Zukunft mit hoher Wahrscheinlichkeit die Steuergesetzgebung organisiert werden wird. Das existierende System ist an und für sich dysfunktional - das spricht zwar niemand so direkt aus, aber es ist im Grunde allen Beteiligten klar. Mangels Personal, Ausstattung und dem politischen Willen, das unangenehme Thema anzugehen, können die Finanzämter nicht ihrer von Staats wegen bestimmten Aufgaben nachkommen. Also setzt man bereits früher im Prozess an. Man richtet keine Tempo-30-Zonen mehr ein und stellt ab und an mal einen Blitzer auf, um die Fahrer zu kontrollieren. Sondern man legt gleich fest, dass alle Autos nur noch 30 Kilometer in der Stunde fahren dürfen.

 

Über den Autor
Richard Lechner ist seit mehr als 25 Jahren im Bereich des Steuerrechts tätig. Er arbeitete mehrere Jahre als Leiter der Steuerabteilung für eine der größten international tätigen Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaften in Deutschland und gründete 2002 seine eigene Steuerberatungsgesellschaft.

Seine Erfahrungen als Steuerberater, Aufsichtsratsvorsitzender einer Aktiengesellschaft und Business-Experte gibt er als Redner und Berater an Unternehmer und Entscheider weiter. Lechner veröffentlicht am 13. Oktober 2017 sein zweites Buch
Im Ring mit dem Finanzamt. Erfolgsstrategien für Steuerpflichtige“.

www.steuerberater-lechner.de

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