Europas ETF-Markt Das Billionen-Ding

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Angesichts solcher harten Bandagen stellt sich unweigerlich die Frage, warum noch immer verhältnismäßig viele Anbieter unterwegs sind. Für Jürgen Fritzen liegt das weniger an den Margen als an den enormen Wachstumsaussichten. „Der ETF-Markt wächst immer noch gewaltig, und der Verteilungskampf hält an“, so der Crossflow-Chef.

Viele Asset Manager müssten dabei auf die Nachfrage ihrer Kunden nach ETFs reagieren. „Im Gleichschritt mit dem Bekanntheitsgrad ist der Bedarf an ETFs kontinuierlich gestiegen. Für die Anbieter stellt sich nach wie vor die Frage: kaufen oder selber machen? Fakt ist: Ohne eigene Produkte verlassen die Kundengelder das Haus.“

Immerhin hat sich der Markt hier und da schon ein gutes Stück konsolidiert, wie es so schön heißt. Den jüngsten Coup landete das ohnehin nicht gerade kleine Haus Amundi, indem es Lyxor übernimmt und damit seinen Marktanteil in Europa auf 14 Prozent erhöht. Die heutige Lyxor-Mutter Société Générale wiederum hatte 2018 die ETF-Tochter der Commerzbank, Comstage, gekauft und Lyxor zugeschlagen.

Neben Häusern mit breiten Paletten gibt es stets auch Spezialanbieter. Einer von ihnen war das in London angesiedelte Source. Der damals frisch gegründete Emporkömmling hatte sich im Hype 2008 auf Rohstoffprodukte verlegt. 2017 griff Invesco zu und baute damit sein bis dahin unter der Marke Powershares geführtes ETF-Geschäft ein gutes Stück weit aus.

Auch heute tauchen immer wieder kleine ETF-Häuser auf und richten sich in Nischen ein. Die nötigen Indizes gibt es im Vorfeld oft gar nicht, die lassen die Neuen sich nach ihren Vorstellungen entwerfen. Vier von ihnen sind Han-ETF, Ossiam, Rize und Tabula. Ob sie alle den Source-Weg gehen und sich übernehmen lassen, bleibt abzuwarten. Immerhin fällt auf, dass der Preiskampf in eben diesen Nischen noch nicht allzu stark ausgeprägt ist. Weshalb die Anbieter gut (über-)leben können.

So schlagen die Gesamtkosten für einen von Han-ETF kreierten Fonds auf den globalen Online-Handel (Global Online Retail Ucits ETF, ISIN: IE00BN7JGL35) mit 0,69 Prozent zu Buche. Der Wohlfühl-ETF The Medical Cannabis and Wellness Ucits ETF (IE00BG5J1M21) kommt gar mit 0,80 Prozent im Jahr daher. Es sind solche Spezialthemen, bei denen ETF-Verantwortliche noch große Möglichkeiten sehen.

„Die Tendenz führt weg von klassischen Benchmark-, hin zu Themen-Indizes“, meint Crossflow-Mann Fritzen. Im ersten Quartal 2021 seien es vor allem Nachhaltigkeit und Internettechnik gewesen. Mit derzeit elf Fonds hat sich Legal & General (L&G) stark auf Themen spezialisiert. Beispiele sind der Wasserstofffonds Hydrogen Economy Ucits ETF (IE00BMYDM794) und der Batteriefonds Battery Value-Chain Ucits ETF (IE00BF0M2Z96).

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Wann sich ein Thema lohnt, erklärt der Wholesale-Vertriebschef für Deutschland und Österreich, Philipp von Königsmarck: „Wer erkennen möchte, ob ein Themen-ETF tatsächlich einen Zukunftstrend abbildet und nicht nur einem Hype folgt, sollte die folgende Faustregel berücksichtigen: Ein Thema entfaltet erst dann große Dynamik, wenn mindestens zwei der drei weltweiten Megatrends Technologie, Energie & Ressourcen und Demografie aufeinandertreffen.“

Nachdenklich reagiert man indes bei Morningstar. Dort hat man beobachtet, dass Themen-ETFs allein im Januar 2021 ein Drittel der Zuflüsse des gesamten Vorjahres einsammelten. „Dabei dürfte die Vergangenheits-Performance eine wichtige Rolle spielen, was bedenklich stimmt“, meinte der ehemalige Chefanalyst Ali Masarwah dazu. In der Tat beziehen sich diese ETFs zwar allesamt auf Themen, die relevant sind, aber die zuletzt an der Börse auch enorm stark liefen. Das riecht sehr verdächtig nach einer Blase, auf der Anleger und Anbieter gleichzeitig tanzen. Ist es wirklich eine? Das sieht man leider wieder erst dann, wenn sie platzt.

Das zweite prägende Thema der kommenden Jahre ist ohne Zweifel Nachhaltigkeit, festgemacht an den Buchstaben ESG für Umwelt, Soziales und Unternehmensführung. In der ETF-Branche sieht es meistens so aus, dass herkömmliche Indizes Filter bekommen, die unerwünschte Bestandteile aussortieren. Die dadurch entstehenden Auswahlindizes erfreuen sich wachsender Beliebtheit.

Konventionell versus Nachhaltig

Quelle Fondsdaten: FWW 2024

Neue Produkte kommen beinahe im Wochentakt auf den Markt. „Der Wandel zu nachhaltigem Investieren ist einer der revolutionärsten Trends unserer Zeit und verändert den ETF-Markt enorm“, schwärmt Thomas Wiedenmann, Leiter für Indizes und Smart Beta in Deutschland, Österreich und Osteuropa bei Amundi. 2020 hätten ESG-Zuflüsse in Europa bei 42 Milliarden Euro gelegen, 2019 waren es erst 17 Milliarden Euro. Auch bei Blackrock erwartet man noch eine Menge in dieser Hinsicht.

Peter Scharl: „Wir gehen davon aus, dass das weltweit in nachhaltigen Indexfonds und ETFs verwaltete Vermögen bis 2030 um eine Billion Dollar auf 1,2 Billionen Dollar wächst.“ Für die aktuellen Kräfteverhältnisse liefern der iShares Core MSCI EM IMI Ucits ETF (IE00BKM4GZ66) und dessen nachhaltige Variante iShares MSCI EM IMI ESG Screened Ucits ETF (IE00BFNM3P36) einen kleinen Eindruck. Ersterer ist 15,8 Milliarden Euro schwer und besteht aus 2.823 Positionen, Letzterer enthält 1.768 Werte und bringt lediglich 1,3 Milliarden Euro auf die Waage. Kein Zweifel, da kann sich noch einiges verschieben. In Richtung nachhaltige ETFs und auch in ETFs ganz allgemein.

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