Comeback der Schrott-Immobilien? „Investoren lassen sich nicht mehr nur von Renditeversprechen locken”

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Inwiefern können wir die heutige Zeit mit dem Schrottimmobilien-Geschäft der Wendezeit vergleichen?

Rautenberg: Es gab die Skandale um Schrottimmobilien in Westdeutschland und die sogenannten Ost-Immobilien. Letztere wurden vor allem direkt nach der Wende westdeutschen Anlegern quasi blind verkauft. Das geschah teilweise in einem größeren Rahmen mit Eigentumswohnungen. Die Verfahrensweise hatte dann schnell einen kriminellen Charakter. Im Vordergrund der Erwerber standen steuerliche Sonderabschreibungen. Die grundlegenden Kennzahlen und Indikatoren für ein erfolgreiches Investment wurden gänzlich vernachlässigt. Die Folge waren hohe Verluste – bis hin zum wirtschaftlichen Ruin der Privatanleger. Diese Erfahrungen haben natürlich bei Investoren und Banken dazu geführt, dass die Bewertungsprozesse deutlich verbessert wurden. Allerdings drängt sich der Eindruck auf, dass – getrieben durch die hohe Nachfrage – Objekte in Lagen und zu Preisen verkauft werden, die verwundern.

Und wie geht es weiter?

Rautenberg: Die Investoren sind sich der Risiken einer Wohnimmobilie als Kapitalanlage grundsätzlich bewusster und lassen sich nicht mehr allein von Renditeversprechen locken. Jedoch herrscht durch die Niedrigzinsen ein hoher Anlagedruck. Auch private Investoren spüren das, da viele klassische Sparformen und Anleihen infolge der Niedrigzinsen unattraktiv sind. Dadurch steigt das Tempo im Markt, Kaufentscheidungen müssen immer schneller, quasi im Vorbeifahren, getroffen werden und die ganzheitliche Betrachtung bei der Immobilienanalyse rückt in den Hintergrund. Hierbei müssen wir gerade in diesen Zeiten aufpassen, dass wir nicht in ein Umfeld gelangen, in dem die Objektanalyse nachrangig zu spekulativen Renditeversprechen betrachtet wird. 2018 konnten wir nur noch rund 20 Prozent der Immobilien, die wir in der Analyse hatten, als Kapitalanlage empfehlen. Trotzdem wurden 100 Prozent der Objekte an Investoren verkauft.

Sind Ihnen prominente Fälle bekannt?

Rautenberg: Die Fälle sind bundesweit immer wieder zu finden. Nehmen wir das Beispiel einer Schwarmstadt wie Magdeburg: Dort sollten hochwertige Mikroapartments am Stadtrand neu gebaut und teuer vermietet werden, obwohl der öffentliche Nahverkehr zu weit entfernt und eine Nahversorgung nicht vorhanden waren. Zudem gibt es im direkten Umfeld einen hohen Leerstand in fast allen Wohnungsgrößen. In solchen Fällen raten wir von einem Investment ab. Grundsätzlich können Mikroapartments in A- und B-Städten sehr attraktiv sein, sofern sie sich preislich den örtlichen Marktverhältnissen anpassen und zentral gelegen sind. Auch hierbei gilt: Es bedarf eines Konzepts sowie einer vorherigen Standort- und Objektbetrachtung, also letztlich einer ganzheitlichen Analyse.

Aus welchen Gründen begehen Profi-Anleger Fehler, müssten es nicht gerade Family Offices besser wissen oder können?

Rautenberg: Oftmals sind Profi-Anleger breit aufgestellt und weisen eine umfassende Expertise in bestimmten Anlagefeldern auf. Wo die Expertise fehlt, wird sie eingekauft. Das Problem ist, wenn die selbst durchgeführte oder die eingekaufte Analyse, oft aus zeitlichen Gründen, unzureichend ausgeführt wird. Auch zieht es viele Investoren an für sie eher unbekannte Standorte, zu denen dann falsche Prognosen gegeben werden. Unser Analyseprozess umfasst beispielsweise mehr als 200 Punkte – wird nur einer dieser Punkte vernachlässigt, steigt das Risiko der Kapitalanlage erheblich. Diesen Aufwand können und wollen jedoch nur wenige Investoren betreiben. Das Bewusstsein für die Notwendigkeit einer umfassenden Analyse wächst allerdings.