Erfahrungen aus der Praxis Wie die Nextgen das Anlageverhalten von Family Offices verändert

Ramon Ohmes

Ramon Ohmes begleitet und berät seit 30 Jahren vermögende Familien. Foto: privat

Es ist nicht so, dass es die „Nextgen“ erst seit der Jahrtausendwende gibt. Es gab sie in mittelständischen (Familien-)Unternehmen schon immer. Ihre Wahrnehmung war in der Öffentlichkeit der 1970er bis 90er Jahren nur geringer, weil es vielfach patriarchische Strukturen gab, in denen die Elterngeneration wenig Auseinandersetzung und Diskussionen zuließ. Das hat sich geändert. 

In diesem Beitrag berichte ich als Praktiker, der mehr als 30 Jahre mit vermögenden Familien zusammenarbeitet, und daher die Situation der Nextgens im Zeitablauf bis heute beobachten konnte. Diese Beobachtung kann nur subjektiv geschehen, da die Family-Office-Branche sehr heterogen ist. Dies zeigen auch sechs Interviews mit Führungskräften aus unterschiedlichen Family Offices in erster bis zehnter Generation, die ich hier zitiere. 

1970er Jahre: Familienunternehmen als Keimzelle für Family Offices 

Familienunternehmen, die in der unmittelbaren Nachkriegszeit und später von einem Unternehmer aufgebaut wurden, sind die Keimzelle vieler Family Offices, die sich heute in der zweiten bis vierten Generation befinden. Ab Mitte der 1970er Jahre entstanden vermehrt Family Offices, die das Familienvermögen ganzheitlich wahren sollten. In erster Linie ging es um den Schutz der Werte, der Bildung und des kulturellen Erbes der Familien, die hinter den Unternehmen standen. Diese von Ölkrisen und dem Strukturwandel geprägte Zeit brachte viele Unternehmer hervor, die das, was sie aufgebaut hatten, nicht leichtfertig verlieren wollten. Diese sogenannten Patriarchen ließen die nächste Generation nur bedingt an Entscheidungen partizipieren.

Wie sieht zu dieser Zeit ein typischer Verlauf bei der Gründung eines Family Offices aus? Ein Vermögensbegründer baut ein Unternehmen auf. Im Zeitablauf und mit wachsendem Erfolg des Unternehmens, das absolute Priorität genießt, folgen weitere unternehmerische Investments – oft in derselben Branche – sowie private Investments. 

Aus Diversifikations- und Vorsichtsgründen investiert die Familie im privaten Bereich in Anlageklassen, die sie versteht, die im Gegensatz zum Unternehmen einen geringeren Risikocharakter haben und liquide sind. Termin-, Festgelder oder Staatsanleihen sind oft die erste Wahl. Aber auch in Immobilien wird investiert, wenn die Liquidität ein bestimmtes Niveau als Puffer für schwierige Zeiten erreicht hat.

 

Nachfolge konnte früher im Stillen gesucht werden

Mit fortschreitender Zeit wächst die Familie und die Komplexität des Vermögens nimmt zu. In der Zwischenzeit erwirbt sich ein Controller im Unternehmen das Vertrauen des Inhabers, die rechte Hand des Patriarchen, der die Zahlen im Unternehmen verwaltet und durch das wachsende Vertrauen des Firmenlenkers auch in die privaten Angelegenheiten des Inhabers eingeweiht wird.

Wie wurde die nachfolgende Generation im vergangenen Jahrhundert auf ihre Aufgabe im Familienunternehmen vorbereitet? Häufig wurden die jungen Erwachsenen zu befreundeten Unternehmen in die Lehre geschickt, um an Profil zu gewinnen, Kompetenz auf- und auszubauen und Berufserfahrung zu erlangen. Machten sich die Kinder gut, konnten Sie ins Management des Unternehmens einbezogen werden. War dies nicht der Fall konnte der Patriarch eine andere Nachfolgelösung außerhalb der Familie suchen – ohne, dass es publik wurde. Soziale Medien und damit die Transparenz, die wir heute kennen, gab es schlicht nicht, stellt ein Interviewpartner von einem großen Single Family Office fest.

Das Thema Vermögensübertragung auf die nächste Generation wurde früher meist später angegangen. Relativ spät das Vermögen zu transferieren, dafür aber auf einen Schlag auf die nächste Generation zu übertragen, kam häufig vor. Steuerliche Freibeträge auszunutzen, spielte eine eher untergeordnete Rolle. „Steuern wurden eben gezahlt“, so der zuvor erwähnte Interviewpartner.

Unternehmerfamilien wachsen, Family Offices werden komplexer

Zur Jahrtausendwende änderte sich die Situation in Deutschland. „Im 20. Jahrhundert hatten wir ein Gründerland, heute haben wir ein Erbenland“ – etwa so wird die Entwicklung oft beschrieben.  Das ist eine stark vereinfachte Darstellung, doch tatsächlich werden heute deutlich mehr Unternehmen vererbt, sodass das Thema Nachfolge eine bedeutendere Rolle einnimmt.

Weil die Zahl der Familienmitglieder und Generationen innerhalb der vergangenen Jahrzehnte gewachsen ist, stehen sich in den meisten Familien mittlerweile Familienmitglieder mit verschiedenen Positionen im Unternehmen gegenüber:

  • Familienmitglieder, die am Unternehmen beteiligt sind
  • Familienmitglieder, die sowohl Anteile am Unternehmen halten als auch darin arbeiten
  • Familienmitglieder, die im Unternehmen arbeiten, jedoch nicht beteiligt sind
  • Familienmitglieder, die weder Anteile am Unternehmen halten noch angestellt sind

Insofern wurden innerhalb der Familie Gremien geschaffen, die entscheiden, wer von welchem Familienstamm bei entsprechender Eignung die Aufgaben im Unternehmen bekommt. Und es wurden andere Tätigkeitsfelder für diejenigen gesucht, die im Familienunternehmen nicht an vorderster Front arbeiten.