Die lebzeitige Übertragung eines Unternehmensanteils oder privaten Vermögens an die nächste Generation hat sich in der Nachfolgeberatung seit Langem etabliert. Seit der Reform des Vormundschafts- und Betreuungsrechts müssen Familie einige zusätzliche Besonderheiten berücksichtigen, wenn Vermögen in die nächste Generation übertragen werden soll. Zum 1. Januar 2023 ist diese Reform in Kraft getreten.
Motivation für lebzeitige Vermögensübertratung
Kindern Unternehmensanteile zu Lebzeiten zu übertragen, bietet die Chance, den potenziellen Nachfolger als Allein- oder Mehrheitsgesellschafter frühzeitig an das Unternehmen, seine Abläufe und zentrale Fragen der Unternehmensstrategie heranzuführen. Ein weiterer Vorteil besteht im Bereich der Erbschaft- und Schenkungsteuer: Die aktive Unternehmergeneration kann selbst wählen, wann sie Anteile überträgt und so geschickt Zeitpunkte ansteuern, in denen die erbschaftsteuerliche Situation günstig ist (wenig Verwaltungsvermögen oder Finanzmittel), oder in denen Schenkungsteuerfreibeträge vollständig zur Verfügung stehen.
Auch bei der Übertragung nicht betrieblichen Vermögens wie zum Beispiel Immobilien kommt eine lebzeitige Beteiligung der Kinder und Enkel in Betracht. In Falle des Privatvermögens ist dies vor allem interessant, um Schenkungsteuerfreibeträge auszunutzen und eine Einmal-Besteuerung mit Erbschaftsteuer im Erbfall zu vermeiden. Alle zehn Jahre stehen für jedes Kind 400.000 Euro als Schenkungsteuerfreibetrag zur Verfügung, für jeden Enkel sind es 200.000 Euro im selben Zeitraum. Sind beide Eltern am Privatvermögen beteiligt, können sie also insgesamt 800.000 Euro schenkungsteuerfrei in die nächste Generation übertragen. Behalten sich die Eltern den Nießbrauch am geschenkten Vermögen vor, mindert der abgezinste Barwert des Nießbrauchs die steuerliche Bewertung, so dass je nach Gestaltung auch Vermögensgegenstände mit einem deutlich höheren Bruttowert abgezinst unter der Freibetragsschranke hindurch passen.
Durch aktives Management der Freibeträge können so über die Jahrzehnte scheibchenweise Vermögensanteile auf die nächsten Generationen übergehen, ohne eine Einmal-Belastung mit Erbschaftsteuer auszulösen.
Die Elterngeneration will bei lebzeitigen Übertragungen in der Regel zwar die Kinder- und Enkelgeneration an der Vermögenssubstanz beteiligen, aber weiter die Kontrolle über das Vermögen behalten. Mittel der Wahl ist in vielen Fällen eine Familiengesellschaft oder ein sogenannter Familienpool, in den die Vermögensinhaber Teile ihres Vermögens einbringen und dann anstelle der Vermögensgegenstände Gesellschaftsanteile auf die nächste Generation übertragen. Die Familiengesellschaft kann beispielsweise als eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (BGB-Gesellschaft, GbR) oder als Kommanditgesellschaft gestaltet werden. Besonderes Augenmerk liegt dabei auf der richtigen Ausgestaltung des Schenkungs- und Gesellschaftsvertrages.
Familienrecht und lebzeitige Vermögensbeteiligung minderjähriger Kinder
Eine langfristige Nachfolgeplanung bindet die nächsten Generationen oft schon im Minderjährigenalter ein. Die Vermögensübertragung an minderjährige Kinder unterliegt dann besonderen Bestimmungen des Familienrechts, das in diesen Fällen vor allem die Vertretung des Kindes durch die Eltern regelt. Die Eltern handeln als gesetzliche Vertreter für das minderjährige Kind im Geschäftsverkehr. In bestimmten Fällen schließt das BGB die Vertretung durch die Eltern aber aus, um Interessenkonflikten vorzubeugen.
Standardfälle sind einmal Schenkungen der Eltern oder Großeltern an die Kinder oder die Ausübung der Gesellschaftsrechte im Namen des Kindes, wenn die Eltern ebenfalls Gesellschafter sind. Nur bei lediglich rechtlich vorteilhaften Geschäften ist keine Vertretung notwendig. Daneben bedarf es bei bestimmten Rechtsgeschäften, wie der Übertragung eines Geschäftsanteils auf den Minderjährigen, eines sogenannten Ergänzungspflegers und zusätzlich muss ein Familiengericht das Geschäft genehmigen. Hier sind die Eltern für die Vertretung des Kindes ausgeschlossen.
Neues Betreuungs- und Vormundschaftsrecht
Das deutsche Familienrecht setzt vor den Anteilserwerb durch einen Minderjährigen die Genehmigung durch das Familiengericht, wenn es sich um einen Anteil an einer oHG, einer gewerblich tätigen Kommanditgesellschaft oder um eine an einer Kapitalgesellschaft handelt. Das Thema betrifft gewerbliche Unternehmen genauso wie rein vermögensverwaltende Gesellschaften. Eine wesentliche Änderung hat die Reform des Vormundschafts- und Betreuungsrechts für die lebzeitige Schenkung von Kapitalgesellschaftsanteilen gebracht: altem Recht war nur die Schenkung einer „wesentlichen Beteiligung“, die eine Kontrolle des Unternehmens oder wenigstens ein wesentliches wirtschaftliches Interesse ermöglichte, genehmigungspflichtig. Nach dem neuen Recht bedürfen auch Schenkungen kleinster GmbH-Beteiligungen an Minderjährige der familiengerichtlichen Genehmigung. Ausgenommen von der Genehmigungspflicht sind lediglich Aktien.
Auch im Bereich des Privatvermögens hat die Reform des Vormundschafts- und Betreuungsrechts die Genehmigungserfordernisse ausgedehnt. Nach altem Recht war die Schenkung von Immobilienvermögen stets genehmigungsfrei. Nach neuem Recht gilt das nicht mehr für die Schenkung von Wohnungs- und Teileigentum.
Achtung im Auslandsfall
Komplex wird eine Schenkung an einen Minderjährigen immer dann, wenn ein Auslandsbezug hinzukommt. Zunächst gilt es überhaupt erst einmal, die Frage zu beantworten, wie lange ein im Ausland lebendes Kind „minderjährig“ ist. Auch hier hat die Gesetzesreform zu einer wichtigen Änderung im internationalen Privatrecht geführt. Nach altem Recht war ein im Ausland lebender deutscher Staatsbürger auch in Fragen der elterlichen Vermögenssorge mit Vollendung des 18. Lebensjahrs volljährig und damit geschäftsfähig.
Nach dem neuen Recht kommt es allein noch auf den gewöhnlichen Aufenthalt an. Somit ist bei einer Schenkung an einen jungen Erwachsenen mit 20 Jahren, der beispielsweise in den US-Bundesstaaten Mississippi, Pennsylvania oder dem Freistaat Puerto Rico lebt, wo die Volljährigkeit erst mit dem 21. Lebensjahr eintritt, die Notwendigkeit einer familiengerichtliche Genehmigung zu prüfen.
In der Praxis zeigt sich, dass die Rechtsanwendung in Fällen mit Auslandsberührung kompliziert ist. Um einen reibungslosen Ablauf zu gewährleisten und Verzögerungen zu verhindern, empfiehlt sich eine genaue Planung im Vorfeld. Beispielsweise besteht eine Genehmigungspflicht auch dann, wenn der in Deutschland lebende Großvater seiner in den USA lebenden, minderjährigen Enkelin mit deutscher Staatsangehörigkeit einen Kommanditanteil an einer deutschen GmbH & Co. KG schenkweise übertragen will.
Zuständigkeitsfragen bei Übertragungen außerhalb der EU
Zu einer solchen Konstellation hatte das OLG Bamberg entschieden (Urteil vom 26. September 2022 – 7 UF 165/22): Die Mutter hatte hierzu richtigerweise die familiengerichtliche Genehmigung für die Schenkung beantragt. Allerdings hatte sich das Amtsgericht am Sitz der Gesellschaft für unzuständig erklärt, weil für die Genehmigung die deutschen Gerichte nicht zuständig seien und auch weil der Sitz der Gesellschaft nicht der richtige Gerichtsstand für die Genehmigung der Schenkung sei.
Diverse internationale Abkommen und EU-Verordnungen regeln die internationale Zuständigkeit in solchen „Kindschaftssachen“. Hierzu zählen beispielsweise das Haager Übereinkommen vom 19. Oktober 1996 über die Zuständigkeit, das anzuwendende Recht, die Anerkennung, Vollstreckung und Zusammenarbeit auf dem Gebiet der elterlichen Verantwortung und der Maßnahmen zum Schutz von Kindern (KSÜ) und das Haager Übereinkommens vom 5. Oktober 1961 über die Zuständigkeit der Behörden und das anzuwendende Recht auf dem Gebiet des Schutzes von Minderjährigen (MSA) sowie die Brüssel IIa-VO.
Innerhalb der EU lässt sich deshalb die Zuständigkeit größtenteils kurzerhand feststellen. Außerhalb der EU, wie im vorliegenden Fall die USA, kann die Prüfung der Zuständigkeit auch für die Gerichte konfus sein. Mangels vorrangiger Regelungen sind die deutschen Familiengerichte aber auf Grund einer gesetzlichen Auffangregelung (§ 152 Absatz 3 FamFG) auf jeden Fall zuständig, wenn ein Fürsorgeinteresse besteht. Ein Fürsorgeinteresse ist bei familiärem Bezug zu Deutschland oder deutscher Staatsangehörigkeit zu bejahen.
Die Familie in dem oben genannten Beispielfall ist damit in einigen Argumentationsaufwand hineingeraten und konnte erst in zweiter Instanz vom Oberlandesgericht die Bestätigung erhalten, dass das Amtsgericht am Sitz der Gesellschaft für das Genehmigungsverfahren zuständig ist.
Vorsorge ist besser als Nachsorge
Wer Vermögensanteile frühzeitig an minderjährige Kinder überträgt, kann die Schenkungs- beziehungsweise Erbschaftbesteuerungbelastung optimieren und zur frühzeitigen Heranführung der Kinder an die Verwaltung des Familienvermögens. Bei im Ausland lebenden Kindern ist jedoch der Ablauf der Schenkung und die Notwendigkeit einer familiengerichtlichen Genehmigung im Vorfeld genau zu planen, damit das Genehmigungsverfahren reibungslos verläuft. Bei kniffligen Zuständigkeitsfragen empfiehlt es sich, Kontakt zum Sachbearbeiter zu suchen und dem Gericht bereits in der Antragsbegründung genügend rechtliche Hinweise zu geben, damit sich das Verfahren nicht unnötig verzögert.
Françoise Dammertz, Rechtsanwältin und Fachanwältin für Steuerrecht, ist seit 2005 bei Mazars tätig und seit September 2022 Partnerin. Sie ist für den Bereich der Vermögens- und Unternehmensnachfolge am Standort Berlin verantwortlich. Sie berät bei der Vertrags- sowie Testamentsgestaltung, begleitet die steuerliche Deklaration sowie die Tätigkeit von Testamentsvollstreckern.
René Udwari, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht, ist Salary Partner bei Mazars. Er ist seit 2012 als Rechtsanwalt tätig und nach Stationen bei nationalen und internationalen Sozietäten seit 2019 für Mazars tätig. Er berät Familienunternehmen und deren Gesellschafter. Einen Schwerpunkt seiner Tätigkeit bildet die Unternehmens- und Vermögensnachfolge.