VuV-Meinung zum ESMA-Vorgehen „Die ESMA hat zwei wesentliche Punkte falsch eingestuft“

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Und was heißt das für die Product Governance einer Finanzportfolioverwaltung?

Grünewald: Dass die zugrundeliegende einzelproduktbezogene Risiko- und daraus abzuleitende Zielkundenbestimmung sich in einem Portfolio sogar als kontraproduktiv erweist. Auf diese Weise könnten Finanzportfolioverwalter bestimmte Wertpapiere, deren isoliert gemessenes Risiko als Einzelanlage möglicherweise zu hoch ist, die aber zur Verbesserung des Chance-Risiko-Verhältnisses in einem Portfolio durchaus zweckmäßig sind, nicht oder nur ausnahmsweise mit einer aufwändigen Begründung aufnehmen.

Aus wissenschaftlicher Sicht orientiert sich die Entscheidung für eine Aufnahme oder Nicht-Aufnahme eines bestimmten Finanztitels neben dem erwarteten Ertrag nach seinem Risikobeitrag beziehungsweise dem Risikoausgleichsbeitrag im Verhältnis zum Gesamtrisiko des für den Anleger optimalen Portfolios.

Welche Empfehlung hat der Verband gegenüber der ESMA ausgesprochen?

Knapp: Uns war möglich, bis zum 5. Januar 2017 Stellung zu beziehen. Wir haben die hier erläuterten Gesichtspunkte ausführlich aufbereitet und konkret gefordert, die Finanzportfolioverwaltung aus dem Regelungsbereich der Product Governance herauszunehmen. Dies auch deshalb, um uns schon jetzt gegen den zu erwartenden weiteren Ungemach zu positionieren.

Da kommt noch etwas?

Knapp: Offenbar plant die ESMA für die Vermögensverwaltung einen weiteren Paradigmenwechsel. Überlegt wird, dass es für die Geeignetheit der einzelnen Transaktion in der laufenden Vermögensverwaltung nicht mehr auf die Anlagestrategie ankommt, sondern darauf, ob das konkrete Wertpapier für sich dem Risikoprofil des Kunden entspricht. Auch hier wird der Portfoliogedanke völlig verkannt.

Um nicht dem Vorwurf der destruktiven Blockade ausgesetzt zu sein, haben wir in der Stellungnahme einen aus unserer Sicht durchaus konstruktiven Vorschlag gemacht. Die von der ESMA gesehene Problematik einer nicht zielmarktkonformen und beliebigen Anlage lässt sich in der Vermögensverwaltung nur durch eine vorsichtige Regulierung der Anlagestrategien in den Griff bekommen.

Gibt es hier einen Wildwuchs?

Knapp: Tatsächlich bestehen hier keinerlei aufsichtsrechtlichen Vorgaben und auch kein Branchenstandard. Einige Institute setzen in den Anlagerichtlinien sehr detaillierte Grenzen, während anderen Anbietern sehr große Spielräume eröffnet sind. Um hier Missbrauch und Beliebigkeit zu vermeiden, kann sich der VuV durchaus vorstellen, eine Diskussion mit einem Ziel wie zum Beispiel der Einführung einer Mindestdiversifikation aufzunehmen. Es bleibt also spannend.


Über die Interviewten:

Andreas Grünewald ist seit April 2014 Vorsitzender des Verbands unabhängiger Vermögensverwalter (VuV). Dem Vorstand gehört er bereits seit 2005 an. Grünewald ist Gründer und Vorstand der Münchener Vermögensverwaltung FIVV.

Nero Knapp ist geschäftsführender Verbandsjustiziar des Verbands unabhängier Vermögensverwalter. Den Posten hat der promoviert Jurist bereits seit 2007 inne.

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