VuV-Meinung zum ESMA-Vorgehen „Die ESMA hat zwei wesentliche Punkte falsch eingestuft“

Andreas Grünewald, Vorsitzender vom Verband unabhängiger Vermögensverwalter (l.), und Nero Knapp, dessen geschäftsführender Verbandsjustiziar

Andreas Grünewald, Vorsitzender vom Verband unabhängiger Vermögensverwalter (l.), und Nero Knapp, dessen geschäftsführender Verbandsjustiziar

private banking magazin: Der Verband unabhängiger Vermögensverwalter, kurz VuV, vertritt 250 Vermögensverwalter. Wie ist deren Echo auf die aktuellen ESMA-Plänen?

Andreas Grünewald: Die Branche ist ziemlich in Unruhe. Wir erhielten etliche Anrufe und E-Mails von Verbandsmitgliedern, die besorgt sind, dass ihre heutigen Geschäftsmodelle so nicht mehr fortzuschreiben sind. Zum einen befürchten sie, dass die Europäische Wertpapieraufsichtsbehörde ESMA gewissermaßen durch die regulatorische Hintertür im Wege von sogenannten Guidelines ordnungspolitischen Vorstellungen durchsetzen will, die in der Richtlinie Mifid 2 selbst aber keine Grundlagen haben.

Zum anderen wird mit Kopfschütteln zur Kenntnis genommen, dass die Dienstleistung der Vermögensverwaltung immer noch nicht richtig verstanden worden ist.

Ist es denn nicht sinnvoll, wenn vor dem Vertrieb eines Finanzproduktes überlegt wird, für welchen Kunden dieses Instrument eigentlich geeignet ist?

Nero Knapp: Grundsätzlich sind diese Produktsteuerungsmechanismen zwischen Emittent und Vertrieb durchaus sinnvoll. Vor allem aus dem in Ihrem Interview mit Christian Waigel genannten Beispiel der offenen Immobilienfonds wird klar, dass hier gewisse Rahmenbedingungen für den Adressatenkreis von Anlageprodukten gesetzt werden müssen. Der Denkfehler ist aber, dass diese Betrachtungsweise mit dem Wesen der Finanzportfolioverwaltung nicht in Einklang gebracht werden kann.

Was unterscheidet denn das Wesen der Finanzportfolioverwaltung von dem einer Anlageberatung?

Knapp: Der Kunde beauftragt einen Finanzportfolioverwalter damit, sein Vermögen entsprechend seinen Wünschen und Bedürfnissen zu verwalten. Er delegiert mithin die Anlageentscheidung auf einen professionellen Marktteilnehmer, weil er bewusst dessen Kenntnisse und Erfahrungen über die Märkte und das Produktuniversum für sich nutzen will.

Das maßgebliche Wesenselement bei der Zusammenstellung des Portfolios ist der sogenannte Portfoliogedanke. Dieser verpflichtet den Vermögensverwalter schon allein zivilrechtlich, das Vermögen des Kunden zu diversifizieren. Anders als bei der Anlageberatung erteilt der Vermögensverwalter dem Anleger keine Empfehlung zum Erwerb eines einzelnen Wertpapiers, sondern trifft selbst die Entscheidung über die Zusammensetzung des unter seiner Verwaltung stehenden Vermögens.

Sie sind neugierig aufs Private Banking?

Wir auch. Abonnieren Sie unseren Newsletter „pbm daily“. Wir versorgen Sie vier Tage die Woche mit aktuellen Nachrichten und exklusiven Personalien aus der Welt des Private Bankings.

Was wirft Ihr Verband der ESMA vor?

Knapp: Die Europäische Wertpapieraufsichtsbehörde hat zwei wesentliche Punkte falsch eingestuft: Erstens unterstellen die Guidelines dem Vermögensverwalter ein Vertriebsinteresse für Einzelprodukte. Er ist aber weder Emittent noch Vertreiber der in der laufenden Vermögensverwaltung ausgewählten Anlageinstrumente. Ein Vermögensverwalter veräußert keine Produkte an seinen Auftraggeber, sondern erwirbt diese im Namen und im Interesse seines Kunden. Er steht damit im Lager seines Kunden und nicht im Lager des jeweiligen Emittenten.

Im Übrigen wird er ja auch von seinem Kunden durch eine Verwaltungsgebühr vergütet und erhält keine Vertriebsprovision. Die Annahme eines Vertriebsinteresses verdeutlicht wieder einmal, wie schwierig das Geschäftsmodell eines unabhängigen Vermögensverwalters zu verstehen ist und dass wir in Anbetracht der erschreckenden Kenntnisdefizite selbst bei den Regulatoren noch einiges an Aufklärungsarbeit leisten müssen.

Grünewald: Des Weiteren ist aus der Sicht der Kapitalmarkt- und Portfoliotheorie die der Konzeption zugrundeliegende Einzelproduktbetrachtung wissenschaftlich verfehlt. Worum es geht, ist die Portfoliotheorie von Harry Markowitz. Um in unserer Stellungnahme an die ESMA ein höheres Gewicht auf die Waage zu legen, haben wir hierzu mit Professor Bernd Rudolph von der Ludwig-Maximilians-Universität München einen in diesem Bereich führenden Wirtschaftswissenschaftler befragt und bei ihm ein Gutachten in Auftrag gegeben. Er hat in seinem Gutachten darauf hingewiesen, dass es wissenschaftlicher Erkenntnis entspricht, dass der Risikobeitrag eines Anlageinstruments in einem Portfolio völlig anders zu beurteilen ist, als bei einer Einzelanlage.