Jörg Richter im Interview „Nur wenige Häuser können in der Beratung das Zinsrisiko benennen“

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Wie war dieses Jahr die Spannbreite der Qualität der Testteilnehmer?

Richter: Zunächst können wir feststellen, dass die Beratungsgespräche vielerorts ein hohes Niveau hatten. Mehr Anbieter als im Vorjahr zeigten so gute Leistungen, dass es sinnvoll war, zusätzlich auch den Anlagevorschlag auszuwerten. Aber auch in diesem Jahr erlebten unsere Tester Beratungen, die alles andere als überzeugten. Die Spannbreite ist also groß, auch wenn das Qualitätsniveau im Beratungsgespräch insgesamt nach oben zeigt.

Ein anderes Fazit müssen wir bei den Vermögensstrategien und Anlagevorschlägen ziehen. Hier gibt es keinen merklichen Qualitätsanstieg. Im Gegenteil: Nur ein Haus lieferte einen nahezu perfekten Vorschlag ab. Wenige gute, dafür mehr befriedigende Dokumente haben wir zu sehen bekommen. Auffallend ist auch hier, dass es vielen Anbietern immer noch nicht gelingt, Individualität und Standardisierung in einer für das Private Banking angemessenen Form auszubalancieren.  

Gab es wieder Auffälligkeiten im Leistungsniveau zwischen den D-A-CH-Ländern?

Richter: Österreich hat herausragende, qualitätsorientierte Anbieter, auch wenn die Spannbreite in der Beratungsqualität dort noch groß ist. Und Deutschland schlägt sich im Vergleich zum Vorjahr deutlich besser. Dennoch kann das Ergebnis für deutsche Anbieter nicht zufriedenstellend sein. Die Qualitätsführer sitzen derzeit mehr im Ausland. Die Schweiz hat vielerorts gut in den Beratungsgesprächen abgeschnitten und kam im Gesamtvergleich mit überdurchschnittlich vielen Häusern in die zweite Runde.

Was ist Ihnen bei der Auswertung sonst noch ins Auge gestochen?

Richter: Bei der Analyse des bestehenden Kundenportfolios haben wir etliche herausragende Leistungen gesehen. Jeder Fonds wurde betrachtet, die Kostenstrukturen analysiert und auch Effektivrendite und Duration untersucht. So kamen fundierte und differenzierte Qualitätsurteile ans Licht. Hier wurde der Kunde ernst genommen und auch seine Zinsänderungssorgen in den Mittelpunkt gestellt.

Wenn sich ein Anlagevorschlag wie ein spannendes Buch liest, dann hat ein Anbieter aus Kundensicht alles richtiggemacht. Gute Analogien und Bilder, um komplexe Sachverhalte wie Rendite und Risiko zu erläutern, gepaart mit leicht verständlichen Grafiken gehören dazu. Mit solchen Leistungen hätten Häuser überzeugen können. Ein österreichischer Anbieter hat einen solchen Top-Vorschlag präsentiert und damit alle anderen in der Kategorie „Vermögensstrategie“ auf Distanz gehalten.