Steuerstrafrecht Gesetzgeber zieht im Kampf gegen Steuerhinterziehung die Zügel an

Ein Polizeiauto steht im Rahmen der Raumsicherung vor dem Bundestag

Ein Polizeiauto steht im Rahmen der Raumsicherung vor dem Bundestag: Mit Anheben der strafrechtlichen Verjährungsfrist von Fällen besonders schwerer Steuerhinterziehung ist der Gesetzgeber nach Meinung vieler Juristen übers Ziel hinausgeschossen. Foto: IMAGO / Christian Spicker

Am 21. Dezember 2020 hat der Gesetzgeber im Jahressteuergesetz 2020 die strafrechtliche Verjährungsfrist bei der besonders schweren Steuerhinterziehung von zehn auf 15 Jahre erhöht. Er hat zudem die Möglichkeit geschaffen, bereits verjährte Taterträge aus Fällen der Steuerhinterziehung in großem Ausmaß einzuziehen. Dieser lange Arm des Gesetzes greift nicht nur bei Cum-Ex-Fällen, sondern erfasst sämtliche Fälle der besonders schweren Steuerhinterziehung.

Hintergrund der Neureglungen

Bereits 2008 wurde die strafrechtliche Verjährung für die Verfolgung der besonders schweren Steuerhinterziehung von fünf auf zehn Jahre verlängert. Damals stand die Verlängerung im Zusammenhang mit dem Ankauf der ersten Steuer-CD aus Liechtenstein. Auch diesmal verlängert der Gesetzgeber generell die Verfolgungsverjährung der besonders schweren Steuerhinterziehung, hat aber ganz konkrete Fälle im Blick: Straftaten im Zusammenhang mit Cum-Ex-Fällen der Jahre bis einschließlich 2010 wären Ende 2020 verjährt, sofern die Verjährung nicht unterbrochen wurde.

In der Gesetzesbegründung ist von Cum-Ex allerdings keine Rede. Vielmehr begründet der Gesetzgeber die Verlängerung allgemein mit dem Bedarf, den Ermittlungsbehörden aufgrund der Internationalisierung der Wirtschaft und der fortschreitenden Digitalisierung ausreichend Zeit für die Aufklärung oftmals hochkomplexer und internationaler Sachverhalte einzuräumen.

Eine weitere Verschärfung enthält das Jahressteuergesetz für Taterträge, also für zu Unrecht nicht gezahlte Steuern. Von nun an kann der Staat – verfassungsrechtlich bedenklich – bei der besonders schweren Steuerhinterziehung längst verjährte Steueransprüche einziehen.

Kritik an diesen Neuregelungen gab es von vielen Seiten. Insbesondere die Bundesrechtsanwaltskammer hat sich klar dazu positioniert und dafür eingesetzt, dass der Bundestag die Regelungen nicht in dieser Fassung beschließen solle: Die verschärfte Bekämpfung der Steuerhinterziehung sei zwar zu begrüßen, der Gesetzgeber schieße aber in der jüngeren Vergangenheit immer wieder über das Ziel hinaus. Es werde nicht nur das gesamte System der Verjährung durcheinandergebracht, sondern die Regelungen seien auch in ihrem Zusammenspiel nicht mehr angemessen.

Was bedeuten die Verjährungsregelungen praktisch?

Die Täter einer besonders schweren Steuerhinterziehung müssen nun viel länger mit dem Damoklesschwert des Strafrechts leben – mindestens 15 Jahre. Das gilt nicht nur für Taten, die ab dem 29. Dezember 2020 begangen werden. Vielmehr ist die Verlängerung der Verjährung auf alle zum Zeitpunkt ihres Inkrafttretens noch nicht verjährten Taten anwendbar. Das heißt: Selbst wenn die Tat am 29. Dezember 2020 kurz vor der Verjährung stand (wenn sie also zum Beispiel neun Jahre und elf Monate zurücklag), verlängert sich die Verjährungsfrist nun um weitere fünf Jahre.

Die Neuregelung erfasst alle benannten Fälle der besonders schweren Steuerhinterziehung. Praktisch wichtigster und auch häufigster Fall ist die Verkürzung von Steuern „in großem Ausmaß“. Eine solche liegt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bei jeder Steuerhinterziehung von mehr als 50.000 Euro vor. Gerade bei Steuerverkürzungen in Unternehmen sind solche Beträge, etwa bei Ertragsteuer, Umsatzsteuer oder Lohnsteuer, schnell erreicht.