Steuerstrafrecht Gesetzgeber zieht im Kampf gegen Steuerhinterziehung die Zügel an

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Die neue Verjährungsfrist hat auch Bedeutung für eine strafbefreiende Selbstanzeige. Eine wirksame Selbstanzeige setzt Angaben zu allen unverjährten Steuerstraftaten einer Steuerart, mindestens aber zu allen Steuerstraftaten einer Steuerart innerhalb der vergangenen zehn Kalenderjahre voraus. Mit der neuen Verjährungsfrist sind daher nun 15 statt bisher zehn Jahre offenzulegen, was die Hürden für eine Selbstanzeige erhöht.

Dies gilt allerdings nur für Taten, die bei Inkrafttreten des Gesetzes Ende Dezember nicht verjährt waren oder erst danach begangen werden. Die Wirksamkeit bereits abgegebener Selbstanzeigen wird von der Gesetzesänderung nicht tangiert. Insofern dürfen Steuerpflichtige zulässigerweise darauf vertrauen, dass durch eine im Einklang mit der Gesetzeslage abgegebene Selbstanzeige Rechtsfrieden hergestellt ist.

Die Verlängerung der Verfolgungsverjährung kann auch auf die steuerliche Festsetzungsverjährung durchschlagen. Im Fall einer Steuerhinterziehung läuft die steuerliche Festsetzungsfrist nicht ab, bevor die Verfolgung der Steuerstraftat nicht verjährt ist. Bei einer besonders schweren Steuerhinterziehung läuft die Festsetzungsverjährung damit grundsätzlich nicht vor Ablauf von 15 Jahren nach der Beendigung der Tat ab.

Und was bedeuten die Einziehungsregelungen praktisch?

Die Einziehung von verjährten Steuern kann zu einer „Steuerfestsetzung“ durch die Hintertür führen. Bereits seit Sommer 2020 können die Aufwendungen für die ersparten Steuern als Taterträge auch nach Eintritt der steuerlichen Festsetzungsverjährung eingezogen werden. Hier gilt dann allein die Verjährungsfrist der Einziehung von 30 Jahren. Die Neuregelung erstreckt dies nun rückwirkend auf alle (festsetzungs-) verjährten Taterträge, wenn es sich um Hinterziehung von Steuern „in großem Ausmaß“ handelt.

Das kann dazu führen, dass über die Einziehung weit zurückliegende Fälle erfasst werden können. Wurde zum Beispiel eine Steuerhinterziehung großen Ausmaßes im Jahr 1993 begangen, so ist diese Tat zwar nicht mehr strafrechtlich verfolgbar und auch die steuerliche Verjährung ist längst verstrichen. Über die Hintertür der Einziehung ist es nun doch möglich, den aus der Steuerhinterziehung gezogenen Vorteil abzuschöpfen.

Ob und inwieweit eine solche Rückwirkung im strafrechtlichen Kontext aber generell verfassungsrechtlich zulässig ist, ist höchst zweifelhaft. Diese Frage wird wohl in Zukunft das Bundesverfassungsgericht klären müssen.

Ausblick

Für die Täter einer Steuerhinterziehung zieht sich die Schlinge weiter zu. Auch wenn die Bekämpfung der Steuerhinterziehung ein wichtiges gesellschaftliches Anliegen ist, muss man sich unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten fragen, ob die Schlinge nicht zu eng gezogen wird. Die unstrittig erforderliche komplexe und schwierige Aufarbeitung von grenzüberschreitenden Steuerdelikten müsste sich auf eine andere Weise – etwa durch anderweitige Regulierungen im Vorfeld oder Personalaufstockung bei den Verfolgungsbehörden – lösen lassen als durch die immer weitere Erhöhung der strafrechtlichen Verjährung. Ansonsten stoßen die nächsten medienwirksamen Prozesse um Steuerstraftaten die Diskussion an, ob die Verjährung nicht auf 20 Jahre verlängert werden sollte.

 

Über die Autoren:

Dr. Heiko Hoffmann ist Partner der KPMG Law Rechtsanwaltsgesellschaft.

Philipp Schiml, als Senior-Manager, und Volodymyr Izrailevych, als Manager, arbeiten ebenfalls für KPMG Law.

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