Birgitte Olsen von Bellevue Asset Management „Wir sind überzeugt, dass Small- und Mid Caps zu den Outperformern zählen werden“

Birgitte Olsen, Leiterin Aktien Europa, Bellevue Asset Management

Birgitte Olsen, Leiterin Aktien Europa bei Bellevue Asset Management, im Interview. Foto: Bellevue Asset Management

Die Zeit der Underperformance von Small- und Mid Caps scheint ein Ende zu haben. Können wir schon von einem Rebound sprechen?

Mit einem Rebound von 20 Prozent seit Oktober 2023 ist die Unterperformance zu Large Caps nicht mehr so markant, doch es gibt noch reichlich Aufholpotenzial. Seit die Fed im März 2022 begonnen hat, die Zinsen zu erhöhen, haben Small- und Midcaps rückblickend keine Wertsteigerung erfahren, derweil konnten Stoxx 600 um 15 Prozent und Stoxx 50 um 24 Prozent zulegen. Es ist eine erhebliche Performancelücke entstanden, die längste der letzten 15 Jahre.

Von welchen Faktoren hängt es ab, ob Small- und Mid Caps auch das Kurspotenzial realisieren können? 

Die nachlassende Inflationsdynamik sollte Nebenwerten weiter Rückenwind geben. Letztes Jahr zu diesem Zeitpunkt lag die Inflationsrate im Euroraum bei 8,5 Prozent, derzeit beträgt sie 2,6 Prozent. Wir sind überzeugt, dass Small- und Mid Caps in diesem Umfeld normalisierter Inflation und Zinssätze wieder zu den Outperformern zählen werden. Die aktuelle Ära, geprägt durch Ressourcenknappheit, Dekarbonisierung, Digitalisierung, KI und Deglobalisierung, um nur einige Aspekte aufzuzählen, hält für Unternehmen zahlreiche Herausforderungen und Chancen bereit. Es wird Gewinner und Verlierer geben, und für den Anleger kann durch gutes Stockpicking viel Alpha generiert werden, denn nicht alle werden gleichermaßen profitieren können.

Inwieweit ist dieses Potenzial vom Markt bereits eingepreist? 

Ungeachtet der Kursteigerung seit Oktober 2023 handeln Europäische Small Caps mit einem historisch tiefen KGV von 12.3x (forward 12 Monate) und erstmals seit der globalen Finanzkrise 2008 mit einem Abschlag zu Large Caps. Aus diesen Gründen ist es für Anleger ein interessanter Zeitpunkt, um Positionen in dieser Assetklasse auszubauen.

Auf welche Unternehmenskennzahlen muss ein Investor besonders schauen?

Free Cashflow und Verschuldung. Da wir mit einem Regime von strukturell höheren Zinsen und Inflation als in den letzten 10 Jahren rechnen müssen, sollen Investoren besonders bei übermäßig verschuldeten Unternehmen hellhörig sein. Unsere Bellevue Entrepreneur Fonds fokussieren auf eigentümergeführte Unternehmen, zu deren gemeinsamen Nenner starke Bilanzen und überdurchschnittliche Margen zählen. Diese Qualitätsmerkmale bieten einerseits mehr Resilienz im aktuellen Umfeld, sind aber auch unerlässlich für das Wachstum von Morgen. Eine zu hohe Verschuldung beeinträchtigt heutzutage die Fähigkeit eines Unternehmens, in seine künftige Entwicklung und Wettbewerbsfähigkeit zu investieren. 

 

French und Fama hatten Small Cap als Renditefaktor identifiziert. Lohnt es sich trotz der hohen Volatilität dauerhaft daraufzusetzen, oder gibt es Zeiten, in denen dies nicht der Fall ist?

Langfristig haben wir es historisch mit einer Outperformance von Small- und Mid Caps zu tun. Auch der Track Record unseres Bellevue Entrepreneur Europe Small Fonds bestätigt dies und zeigt seit Auflegung 2011 eine attraktive Alphagenerierung. Die annualisierte Performance betrug 9,1 Performance versus 7,6 Prozent für den Stoxx 600 (TR) und 7,3 Prozent für den Stoxx 50 (TR). Die dicht aufeinanderfolgenden Schocks von Covid, Ukraine Krieg und Inflation haben eine generelle Flucht in liquide, großkapitalisierte Aktien hervorgerufen, jedoch ist nichts kaputt im Königreich der Small Caps.

In welchen Branchen sieht man aktuell das höchste Wachstumspotential und warum?

Wir mögen Industriewerte und Technologie, diese Sektoren machen aktuell insgesamt 45 Prozent unserem Bellevue Entrepreneur Europe Small Fonds aus und haben uns dazu verholfen in den letzten 12 Monaten eine kumulierte Outperformance von 5,6 Prozent zu erzielen. Wir haben post-Covid wichtige Trends für das nächste Jahrzehnt identifiziert, zu diesen zählen unter anderem Automation, Digitalisierung, KI und Rechenleistung, Energiewandel, Elektrifizierung, Ressourceneffizienz oder Deglobalisierung und die Neugestaltung der Lieferketten. Industrie- und Technologieunternehmen profitieren stark von diesen Trends und den daraus resultierenden Investitionen dank den Lösungen – seien es Produkte oder Dienstleistungen – die sie bereitstellen.

In der Länderallokation steht Deutschland abgeschlagen hinter Frankreich, Spanien, Schweiz, Finnland und Schweden, und das trotz Innovationscluster, Hubs und einer dichten Hochschullandschaft. Warum?

Wir sind agnostisch, was unser Länderprofil betrifft und verfolgen keine Top-Down Allokation nach Sektoren oder Geografien. Die Einzelpositionen des Fonds sind das Ergebnis unserer fundamentalen Bottom-Up-Analyse und umfassen 35 bis 45 Unternehmen, denen wir das attraktivste Risiko/Ertrags-Profil zuordnen. Diese sind generell global aufgestellt und ihr Geschäftsmodell ist selten auf den lokalen oder nationalen Absatzmarkt begrenzt. Zurzeit sind wir am stärksten in Frankreich, Schweiz und Finnland vertreten. Wir führen derzeit nur drei Positionen in Deutschland. 

Kommen wir auf einige Portfolio-Unternehmen zu sprechen. Der französische Privatsender TF1 hat am 8. Januar 2024 eine Streamingplattform gegründet. Wie profitabel kann Digitalisierung der Medien sein?

Die Attraktivität von TF1 liegt in seiner Bewertung: 4x EV/EBIT24 für eine Marge von 13 Prozent und eine Dividendenrendite von 7 Prozent. Fernsehen ist trotz Netflix eben nicht tot, denn auch diese Anbieter können und dürfen jetzt „Digitalisierung“. Die neu eingeführte AVOD-Plattform TF1+ könnte ein bedeutender zukünftiger Wachstumstreiber sein. Die technologische Entwicklung und die Ausweitung der Inhaltsrechte werden durch anderwärtige Kostensenkungen finanziert. Dies bedeutet, dass alle zusätzlichen digitalen Einnahmen direkt in das Ergebnis einfließen und die Medienmargen mindestens auf dem derzeitigen Niveau von etwa 13 Prozent bleiben werden.

Der französische IT-Dienstleister Sopra Steria gilt als KI-Pionier und arbeitet mit Großkonzernen wie Airbus zusammen. Sind Small- und Mid-Caps schneller in der Lage, KI-Lösungen umzusetzen als Großunternehmen?

Als IT-Dienstleister ist Sopra Steria „Tech agnostisch“ und richtet sich nach den Bedürfnissen ihrer Kunden. Es ist schwer zu sagen, ob kleine Unternehmen in Bezug auf KI agiler sein werden. Es ist jedoch klar, dass KI bereits konkret und bedeutsam ist und sich schnell auf spezifische Branchen und Unternehmen auswirken wird. Dies birgt Chancen und Risiken. Für IT-Dienstleistungsunternehmen ist KI – die nicht neu ist – eine große Opportunität, da KI-Lösungen mit Sopra’s Hilfe bei Unternehmen in bestehenden IT-Infrastrukturen implementiert werden müssen, um schnell komplexe Probleme wie zum Beispiel Integration, Sicherheit oder Compliance zu lösen. Sopra genießt eine einzigartige Positionierung in den Sektoren der Luftfahrt und Verteidigung und wird zukünftig davon profitieren. Trotz der guten Kursentwicklung ist die Aktie mit einer FCF-Rendite von 9 Prozent noch attraktiv bewertet.

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