Wealth Management im Umbruch „Anbieter haben sich zu lange auf den Rückenwind der Kapitalmärkte verlassen“

Rainer Hauser von der Managementberatung Investors Marketing

Rainer Hauser von der Managementberatung Investors Marketing: „Die meisten Institute sind auf Situationen, wie wir sie aktuell haben, nicht vorbereitet.“ Foto: Investors Marketing

private banking magazin: Sie haben jahrelang bei der UBS gearbeitet, die im Wealth Management als renommierte Adresse gilt. Was macht die Schweizer Bank anders als andere Anbieter?

Rainer Hauser: Bevor man diese Frage richtig beantworten kann, muss man wissen, dass auch die UBS sich in den unterschiedlichen Kundenmärkten in einem immer noch sehr fragmentierten Umfeld bewegt. Es gibt in den wenigsten Märkten Anbieter, die mehr als 10 Prozent Marktanteil beanspruchen können; oft haben die großen Akteure zwischen 5 und 15 Prozent und die kleinen und mittleren entsprechend weniger. Folglich müssen auch große Anbieter wie die UBS alles unternehmen, um aus der Masse herauszuragen. Mit der Schaffung des sogenannten Chief Investment Office 2011 hat die UBS beispielsweise für viele Jahre einen Maßstab setzen können. Derweil hat aber der Markt auch hier aufgeholt.

Ist der Hintergrund einer Großbank im Wealth Management eher Vor- oder Nachteil?

Hauser: Großbanken haben den Vorteil, dass sie Skaleneffekte bei Kompetenzen und Ressourceneinsatz nutzen können. Das kann helfen, den Kunden stetig im Blick zu haben. Aber das heißt nicht, dass kleinere Institute hier nicht mithalten könnten. Beispielsweise gibt es technische Lösungen im Kundenmanagement, die auch hervorragend für kleine Institute geeignet sind. Fakt aber ist: Die digitale Kundenzentrierung ist heute in den meisten Häusern noch sehr unterentwickelt mit wenig Unterschieden zwischen kleineren und größeren Instituten.

Was können kleinere Anbieter von großen Häusern wie der UBS lernen?

Hauser: Die Wealth-Management-Branche wird künftig immer mehr von Entwicklungen außerhalb der eigenen Branche geprägt werden. Auch wenn es vielleicht abgedroschen klingen mag, muss man hier unter anderem auf die Themen Big Tech, Tech generell und Fintech hinweisen. Diese Entwicklungen haben die Verhaltensweisen und Erwartungen von Kunden in vielen Lebensbereichen verändert und werden diese weiterhin prägen. Zudem hat sich gezeigt, dass der Leistungskern eines Produkts früher oder später austauschbar wird und damit die Hoheit über die Kundenschnittstelle und das Kundenerlebnis von überragender Bedeutung sind. In einem solchen Umfeld ist es wichtig zu wissen, wer man selbst ist, was kann man und wo man sich in der Zukunft sieht – das gilt für große und kleine Anbieter gleichermaßen.

Wo haben kleinere Wealth-Management-Anbieter einen Vorteil?

Hauser: Viele kleinere Anbieter haben sich heute schon, wenngleich häufig implizit, in einer bestimmten Nische positioniert. Viele UHNWI-Kunden von Family Offices, aber auch Kunden im HNWI-Bereich, arbeiten mit zwei bis drei und mehr Institutionen zusammen, und da kann es besser sein, sich auf ein spezifisches Feld zu fokussieren und dort Exzellenz zu zeigen, als überall und nirgends wirklich gut zu sein. Geringere Größe und Fokussierung bedeuten auch geringere Komplexität und Chancen im Sinne von Geschwindigkeit und Kosten. In neuen ökonomischen Modellen und Partnerschaften zu arbeiten und nicht alles selbst können zu wollen, ist schon heute oft für kleinere Institute ein ökonomischer Zwang und reduziert vermutlich weiter die Berührungsängste mit dem, was auf die gesamte Branche zukommen mag.

Wo macht die Branche die größten Fehler?

Hauser: Die Anbieter haben sich zu lange auf den Rückenwind positiver Kapitalmärkte verlassen, wodurch sich Schwächen bei Kundenorientierung, Wachstum und Profitabilität haben überdecken lassen. Die meisten Institute sind auf Situationen, wie wir sie aktuell haben, nicht vorbereitet – Berater und Kunden sind verunsichert, rationale Information und Analysen werden Kunden schnell und umfangreich zur Verfügung gestellt – aber emotional passiert wenig. Im reinen Investment-Management hilft Emotionalität selbstverständlich nicht, aber insbesondere in solchen Zeiten will der Kunde dennoch emotional abgeholt werden.

Was ist die größte Stärke der Branche?

Die große Stärke der Branche ist, dass Sie die Kundenschnittstelle kontrolliert – zumindest noch – und sich somit in einer guten Ausgangsposition befindet, die weitere Entwicklung der Branche mitzugestalten.

In Deutschland bieten inzwischen viele Volksbanken und Sparkassen Private Banking an, die BW-Bank expandiert im Wealth Management. Ein Zukunftsmodell?

Hauser: Grundsätzlich liegt ein solches Modell natürlich auf der Hand. Die Institute sind zumeist Hausbank auf der privaten Seite und der Unternehmerseite und haben dadurch erst einmal einen einfachen Zugang zu den Kunden und idealerweise auch ein tiefes Wissen über die Gesamtsituation – sowohl auf der persönlichen als auch auf der finanziellen Seite.

Reicht das aus?

Hauser: Die Bank muss den Kunden erklären können, warum gerade sie der richtige Anbieter für Private Banking oder Wealth Management ist. Es ist ja nicht so, dass die Kunden dafür bislang noch keine Heimat haben – zumeist sind dies entweder Großbanken oder Wealth Management-Spezialisten und nicht der regionale Konkurrent. Sich gegen diesen Wettbewerb zu behaupten – nicht nur im Leistungsversprechen, sondern vielmehr dann auch in der Leistungserfüllung – ist eine sehr große Herausforderung.