Wealth Management im Umbruch „Anbieter haben sich zu lange auf den Rückenwind der Kapitalmärkte verlassen“

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Das Thema der Generationennachfolge wird immer akuter. Sind die Anbieter ausreichend vorbereitet?

Hauser: Die Frage, wie man die nächste Generation an sich binden kann, war schon immer akut. Die Thematik hat sich aber dahingehend deutlich verschärft, dass die jüngere Generation heute Zugang zu Anbietern hat, die deutlich näher an ihren Lebensweisen und Erlebniswelten sind. Dies sind zwar zumeist nicht Anbieter, die alles aus einer Hand anbieten, aber darauf legen die jüngeren Kunden auch deutlich weniger Wert. Die zentrale Aufgabe für die etablierten Akteure ist also, so frühzeitig wie möglich das Vertrauen dieser Generation zu erlangen. Um das erfolgreich anzugehen, sind Partnerschaften und Ökosysteme ein wichtiger Baustein. Das erfordert allerdings die Bereitschaft, sich zu öffnen und die wirtschaftlichen Erfolge zu teilen.

Standardisierung schafft Kostenvorteile. Inwieweit leidet darunter die Qualität des Wealth Managements?

Hauser: Die Kunden erwarten selbstverständlich, dass die Bank sie in ihrer ganzen Individualität und Emotionalität versteht und begleitet. Aber es ist für sie von untergeordnetem Interesse, ob die richtigen Lösungen zur Erreichung ihrer Wünsche und Ziele standardisiert sind oder handgeschnitzt. Gleichzeitig bedeutet mangelnde Standardisierung auch häufig höhere Schwankungen im Qualitätsversprechen der Bank und das kann nicht im Interesse von Kunde und Bank sein. In der Folge der Standardisierung verändern sich auch die Rollen der beteiligten Personen an der Kundenschnittstelle. Wenn die Asset Allokation durch den Investmentchef gemacht wird und das Beratungsprogramm das für den Kunden geeignetste Mandat vorschlägt, braucht es immer weniger den klassischen Banker, sondern Kundenbetreuer, die wissen, mit Emotionalität und Individualität umzugehen.

Ab welchem Mindestbeitrag ist Wealth Management noch profitabel?

Hauser: Ist mit Wealth Management die Vermögensanlage gemeint, dann ist die Schwelle in den vergangenen fünf Jahren massiv nach unten gegangen – vorausgesetzt die Anbieter haben die Standardisierungs- und Automatisierungsmöglichkeiten auch umfassend genutzt. Viele hochwertige Lösungen funktionieren heute schon ab 100.000 Euro und zum Teil auch darunter – auch bei klassischen Anbietern und nicht nur bei Robos. Versteht man unter Wealth Management aber auch die Fähigkeit, Kunden individuelle Finanz- und Vermögenspläne anzubieten, sieht die Sache deutlich anders aus.

In diesem Bereich ist eine Standardisierung vermutlich schwieriger.

Hauser: Es gibt auch dort Standardisierungs- und vor allem Automatisierungspotentiale durch Technologie und Digitalisierung, umfassend genutzt haben das aber nur wenige Anbieter. Dass dies nicht nur Theorie ist, zeigt ein Blick über die Grenzen. So bietet beispielsweise Vanguard dies schon seit Jahren über ihre Personal Advisor Services an – in den USA ab 50.000 US-Dollar und in Großbritannien ab 50.000 britische Pfund – selbstverständlich mit unterschiedlichen Leistungs- und Service-Levels in Abhängigkeit vom Anlagebetrag.

Was sind die größten Herausforderungen für die Anbieter?

Hauser: Bei Investors Marketing sehen wir – in unterschiedlicher Ausprägung bei den einzelnen Häusern – verschiedene Herausforderungen im Bereich Wealth Management. Erstens müssen die Anbieter ihr Geschäftsmodell schärfen und genau wissen, was sie können – alles für jeden werden sich nur sehr wenige erlauben können. Zweitens gewinnt die Rolle des Beraters an Bedeutung, denn Produkte und Services werden immer austauschbarer. Echte Differenzierung entsteht daher durch emotionale Mehrwerte in der Beziehung zum Kunden. Drittens sehen wir eine Individualisierung und Hyper-Personalisierung: Kunden wollen auch im Wealth Management Kundenerlebnisse wie in anderen Lebens- und Geschäftsbereichen. Ein wichtiger Punkt ist, viertens, auch das Kundenmanagement. Strategien und Vorgehensweisen aus dem Retail-Banking finden nur sehr langsam Eingang ins Wealth Management. So verfügen nur wenige Institute über strukturierte Ansätze, mit Kunden, die die Bank verlassen wollen, umzugehen. Fünftens müssen sich die Anbieter mit Ertragssteigerung und Preisdurchsetzung auseinandersetzen. Die branchenweite Profitabilität wird weiter abnehmen und es wird nicht ausreichen, nur mit Kostenprogrammen entgegenzuwirken.

 Über den Interviewten:
Rainer Hauser ist seit dem 1. Mai Partner der Managementberatung Investors Marketing. Er verantwortet neben Projekten in Deutschland auch die Geschäftsführung für die Ländermärkte Österreich und Schweiz. Zuvor war er war viele Jahre in Führungspositionen diverser Banken tätig, unter anderem als Vorstand bei der Unicredit Bank Austria und zuletzt viele Jahre als globaler Chefstratege im Wealth Management der UBS in Zürich.

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