„Sozialer Sprengstoff“ Vitt, Stoiber und Steinbrück gehen auf die EZB los

Marcus Vitt, Donner & Reuschel

Marcus Vitt, Donner & Reuschel: Ganz offenbar genervt von der EZB-Geldpolitik Foto: Donner & Reuschel

Eine Gruppe prominenter Vertreter aus Politik, Finanzwesen und Wirtschaft hat offenbar genug von der ultraexpansiven Geldpolitik der Europäischen Zentralbank. In einem offenen Brief hat sie nun zusammengefasst, was ihr nicht passt und was Zentralbank und Bundesregierung künftig tun sollen.

Angestoßen hat die Aktion der Vorstandssprecher der Privatbank Donner & Reuschel, Marcus Vitt. Maßgeblich koordiniert hat CSU-Politiker Edmund Stoiber. Die weiteren Mit-Verfasser sind:

  • Peer Steinbrück (SPD)
  • Günther Oettinger (CDU)
  • Hans-Werner Sinn (ehem. Ifo Institut)
  • Franz-Christoph Zeitler (ehem. Deutsche Bundesbank)
  • Kurt Faltlhauser (CSU)
  • Reinhold Bocklet (CSU)
  • Nikolaus von Bomhard (ehem. Munich Re)
  • Paul Achleitner (Deutsche Bank)
  • Linda Teuteberg (FDP)
  • Roland Koch (CDU)
  • Wolfgang Reitzle (Continental, ehem. Linde)
  • Christine Bortenlänger (Deutsches Aktieninstitut)
  • Carsten Mumm (Donner & Reuschel)

Den offenen Brief können Sie hier folgend im Wortlaut lesen:

Die jahrelange und auch in Zeiten wirtschaftlichen Wachstums betriebene ultraexpansive Geldpolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) hat die wirtschaftliche Entwicklung in einer Reihe von Mitgliedstaaten der Währungsunion kurzfristig stabilisiert. Unübersehbar sind jedoch die langfristigen Risiken, die mit dem massiven Geldüberhang einhergehen, den sie geschaffen hat.

Der Geldüberhang erzeugt nicht nur ein Inflationspotenzial und gefährdet die langfristige Finanzstabilität. Mehr noch: Weil er großenteils durch den Erwerb von Staatspapieren entstand, weckt er in den Mitgliedstaaten des Euroraums zudem die Illusion, auch ohne wachstumsstärkende Reformen steigende Staatsausgaben dauerhaft zu Null- und Negativzinsen finanzieren zu können. Zuvor hatte die EZB die Mitgliedstaaten bereits als Eigentümer der nationalen Zentralbanken in die Haftung für unbegrenzte Garantieversprechen genommen und von den Regierungen zur Vermeidung von Abschreibungsverlusten immer weiterführende Schritte in eine Transferunion gefordert.

Zur Bewältigung der massiven wirtschaftlichen und sozialen Auswirkungen der Pandemie haben die Mitgliedstaaten zwischenzeitlich einen riesigen Nebenhaushalt mit gesamtschuldnerischer Haftung („Europäischer Wiederaufbaufonds“) beschlossen, der sich aus Zuschüssen und Krediten zusammensetzt. Einige Mitgliedstaaten sehen darin die Gelegenheit, ihre bei Beginn der Währungsunion nicht durchsetzbaren Forderungen nach gemeinschaftlicher Haftung und umfassenden Transfersystemen voranzutreiben und den für Notsituationen geschaffenen Europäischen Stabilitätsmechanismus zu übergehen.

Das Handeln der EZB erweckt den Eindruck, die Eurozone könne nur durch den Bruch der von den Mitgliedsstaaten selbst formulierten Regeln (z.B. Maastricht-Kriterien, No-Bail-Out, Verbot der monetären Staatsfinanzierung) aufrechterhalten werden. Um die Eurozone zukunftsfähig zu gestalten, ist jedoch ein funktionierendes regelbasiertes, kontrollier- und sanktionierbares Regelwerk notwendig. Zielsetzung muss sein, die Wettbewerbsfähigkeit aller Mitgliedsstaaten zu erhöhen, um sich gemeinsam und ökonomisch erfolgreich den wirtschaftlichen, aber auch geopolitischen Herausforderungen zu stellen. Nur so kann die Fortsetzung des europäischen Integrationsprozesses, die wir für unabdingbar halten, weiterhin erfolgreich bleiben.