private banking magazin: Herr Prawitz, Sie waren fünf Jahre für Schroders in Asien, was nimmt man im Vergleich zu Deutschland mit?
Alexander Prawitz: 2012 bis 2017 war ich dort. Da ist vieles anders, viel schneller, viel dynamischer. Ich habe in Hongkong, einer 7,6-Millionen-Metropole gelebt und gearbeitet. Das ist etwas anderes als Frankfurt mit seinen nur 760.000 Einwohnern. Ich weiß noch ganz genau: Da stand ich das erste Mal vor der U-Bahn, die dort zu Stoßzeiten jede Minute kommt. Sie fuhr ein und war so voll. Und hinter mir standen die Leute, aber drängten trotzdem noch rein. Na gut, warte ich halt auf die nächste, dachte ich, ist ja eine Minute, kein Problem. Und dann war die nächste genauso voll. Und dann habe ich noch mal gewartet. Beim dritten Mal dachte ich, okay, du musst rein. Und dann war ich erstaunt: Obwohl die Leute so dicht standen, hattest du nicht das Gefühl der Beklemmung, alle waren sehr höflich, alles sehr gesittet.
So ein bisschen das asiatische London.
Prawitz: Ja, auch das Investoren-Sentiment ist sportlicher. Der deutsche Kunde im Vergleich bleibt tendenziell Festzinskunde. Asien ist anders, da wird aktives Risiko gesucht, gern auch auf der Aktienseite und es wird sehr viel mit Leverage gearbeitet.
Geht das schon ein bisschen in Richtung des Zockens?
Prawitz: So weit würde ich nicht gehen, aber eine gewisse Offensivmentalität ist schon auffällig. Es kommt immer auf die Wünsche der Kunden an. Hast du jetzt eher einen kleineren Privatkunden? Oder handelt es sich um ein größeres Familienvermögen? Da wird jeweils anders damit umgegangen.
Sie haben in Frankfurt als Leiter des Deutschland-Geschäfts von Schroder Investment Management das Erbe von Achim Küssner angetreten. Der hat das 15 Jahre lang richtig gut gemacht, wie man so hört. Was macht das mit einem, wenn man im kleinen, überschaubaren Finanz-Biotop ein Erbe von so einem Macher antritt?
Prawitz: Achim Küssner war mit dem, was er mit seiner Mannschaft auf den Weg gebracht hat, extrem erfolgreich. Wir stehen jetzt in anderen Zeiten und vor allem vor strukturellen Herausforderungen für die Branche. Mein oberstes Ziel ist es, dass wir als einer der Starken auf dem Spielfeld stehen, wenn sich in den nächsten Jahren profunde Dinge ändern.
Sie sprechen von der Regulierung, den Marktverwerfungen, dem Trend zum passiven Investieren?
Prawitz: Genau. Hinzu kommen neue Kundenanforderungen im Sinne von Servicierung oder Reporting. Es wird immer mehr. Allein die Anforderungen, die Vertriebspartner wie Banken an einen Provider wie uns stellen: Natürlich muss die Produktqualität stimmen, aber genauso das Reporting, die Datenanbindung. Alles muss reibungslos funktionieren und du musst in der Lage sein, zu servicieren. Deutschland ist ein Flächenland, das ist nicht wie Hongkong oder Singapur, wo du die Bankfilialen in einem Umkreis von sieben Kilometern hast. In Deutschland musst du reisen und die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben, um dieses Filialnetzwerk in der Fläche bedienen zu können. Wir sind daher heute über hundert Leute in Deutschland an zwei Standorten und betreuen 15 Märkte.
Grundlegende Parameter ändern sich – wo bleibt die Innovation?
Prawitz: Es gibt neue Wachstumsthemen wie zum Beispiel die Demokratisierung von Private Assets. Jüngstes Beispiel ist der Eltif über den viel geredet und geschrieben wird. Bei den Asset Flows hängt Deutschland anderen europäischen Märkten noch hinterher. Allerdings steigt das Interesse extrem stark, weil es Sinn ergibt, Private Assets einer breiteren Endkundenbasis zugänglich zu machen. Ich sehe hier großen Nachholbedarf und gehe davon aus, dass die Demokratisierung einer der großen Themen der nächsten Jahre sein wird.
Eine letzte Frage zu Achim Küssner: Der wirkte in einem Markt, der mitunter auch von Söldnern bestimmt wird, nach dem Motto: Heute hier, morgen da.
Prawitz: Also, ich weiß nicht, ob ich „Söldner“ sagen würde. Die gibt es natürlich. Aber manchmal wirst du vor Realitäten gestellt – vielleicht wirst du entlassen und musst eine Alternative suchen. Oder du kommst nicht weiter und willst dir eine Opportunität suchen. Was zählt – und ich glaube, das war Achim Küssner genauso wichtig wie mir – ist, dass du am Ende des Tages auf die richtigen Leute setzt. In deiner Funktion treibst du das Geschäft strategisch weiter und hast den Blick extrem weit in die Zukunft gerichtet und guckst nach vorne, wo es Chancen gibt und wo Risiken lauern. Aber am Ende des Tages bestreiten deine Leute „on the ground“ das Geschäft. Und je besser die sind, desto erfolgreicher wird die gesamte Strategie. Die Personalauswahl ist unglaublich wichtig.
Was zeichnet die „richtigen“ Leute aus?
Prawitz: Du musst Leute haben, denen du und vor allem auch deine Kunden vertrauen können. Man muss ein engagierter und kompetenter Partner nach innen und außen sein, der für den Kunden gerne die Extrameile geht. Da es in unserem Geschäft um die Langfristigkeit geht, ist das unheimlich wichtig.
Was sind auf Drei- bis Fünfjahres-Sicht die größten Herausforderungen, vor denen Branchenteilnehmer wie Schroders stehen?
Prawitz: Die Regulatorik habe ich schon kurz angesprochen. Hinzu kommt das Thema Provisionsverbot, aber auch höhere regulatorische Anforderungen bei Reporting, Datenlieferung und so weiter. Nicht zu vergessen Compliance und Nachhaltigkeitsdaten in den Reportings; das wird zur neuen Disziplin. Das alles wird nicht weniger, es wird eher noch komplexer. Daher musst du gerade in Bezug auf die Technologie richtig aufgestellt sein. Mit manuellen Prozessen kommst du da nicht weiter. Schon gar nicht, wenn du ein globales Unternehmen bist und zig Subfonds und Anteilsklassen in den jeweiligen Ländern anbietest. Das Thema aktives Management – und wir sind ein aktiver Manager, wir haben keine passiven Lösungen à la ETFs – beinhaltet natürlich auch, dass du liefern musst, was du versprichst.
Die Kunden freut’s…
Prawitz: Ja, das ist zum einen auf der Kundenseite die Anforderung. Zum anderen schaut sich auch der Regulierer genau an, was du machst, und fragt, was du für deine Kosten bringst. Das ist nicht nur in Großbritannien oder den Niederlanden der Fall, wo Provisionsverbote eingeführt wurden, sondern gilt genauso auch für die CSSF, das luxemburgische Gegenstück zur Bain, die sich das genau beobachtet.
Das sind viele neue Herausforderungen.
Prawitz: Ganz ehrlich, mit der fehlenden Unterstützung der Zentralbanken rund um die Welt ist die Beta-Rally, die wir über die letzten zehn, zwölf Jahre gesehen haben, vorbei. Die Volatilität nimmt zu und wird wohl hoch bleiben; nicht nur, weil Notenbanken als stabilisierender Faktor jetzt wegfallen. Wir müssen als aktive Manager liefern, was wir versprechen – und das kann nicht nur über Finanzinnovationen kommen, sondern du musst auch in den Kernanlageklassen glänzen. Kunden und Regulierer müssen sehen: Du hast einen Mehrwert und du lieferst einen Mehrwert.