Dr. Pero Micic: Meine Herren, wir alle hier in der Runde sind Zukunftsmanager. Jeder denkt über seine persönliche Zukunft nach. Dabei geht es nicht darum, die Zukunft genau vorherzusagen. Sondern es geht darum, Annahmen zu treffen – basierend auf der Fragestellung: Was kommt, was bleibt und was geht? Was wird im Asset Management 2040 also anders sein? Was wird an Veränderungen bleiben, die beispielsweise durch die aktuelle Corona-Krise ausgelöst wurden? Werden bald künstliche Intelligenz und Roboter übernehmen?
Dr. Christoph Kesy: Die Krise hat uns Asset Managern mal wieder eine gewisse Demut gelehrt. Aus der Sicht des Anlegers hat sich die Branche in den vergangenen 20 Jahren zu einem Ingenieurwesen entwickelt. Mittels „Portfolio Engineering“ möchte sich ein Anleger mit einer Reaktionsfunktion auf jedes Szenario vorbereiten. Dann kommt plötzlich ein Absturz, als würde man über eine Klippe fahren und ins Nichts fallen. Anleger besinnen sich in solchen Extremsituationen zurück auf das Wesentliche, nämlich ein robustes Portfolio. Das heißt erstens Vermögenswerte mit hoher Qualität, zweitens gut diversifiziert und drittens handlungsfähig zu sein.
Tobias C. Pross: Bei allem Fortschritt durch die Digitalisierung, die in der Krise nicht nur im Asset Management noch mal einen großen Schub erhalten hat, bin ich übberzeugt, dass für eine vertrauensvolle Kundenbeziehung die persönliche Komponente der Schlüssel zum Erfolg bleibt. Nicht zuletzt deswegen wird es im Asset Management immer ein Miteinander von Mensch und Maschine geben.
Ralf Lochmüller: Wenn die Notwendigkeit digitaler Kontakte nach der Krise wieder entfällt, wird sich zeigen, wie und ob man als Asset Manager rein digital auch zu neuen Abschlüssen kommt. Klar, die Plattformen sind natürlich da. Aber das Neugeschäft lebt davon, dass neue Kontakte persönlich geknüpft werden.
Micic: Angenommen einer der großen Tech-Konzerne wie Amazon oder Google oder ein Unternehmen, das wir heute noch nicht kennen, würde als Branchenfremder den etablierten Asset-Management-Markt aufmischen und neue Regeln aufstellen. Würden Sie, Herr Dr. Kesy, mit diesem Quereinsteiger einen Termin machen?
Kesy: Aus heutiger Sicht kann ich mir das schlecht vorstellen. Institutionelle Investoren brauchen individuelle Lösungen und suchen Vertrauen sowie Expertise. Letzteres kann ein branchenfremder Anbieter vielleicht noch dank eines ausgeklügelten Risikomodells liefern. Aber wie ist das mit dem Vertrauen? Da muss es immer eine persönliche Komponente geben. Mir würde es sehr schwerfallen, ein Investmentmandat an eine Plattform zu vergeben.
Lochmüller: Im Retail-Markt mit seinen standardisierten Produkten könnte ein solcher Player stärker zur Konkurrenz werden. Wir sehen dort einen Einbruch – ausgelöst durch Robo-Advisors oder wie etwa in China durch die Tech-Konzerne Alibaba, Tencent oder Baidu, die plötzlich Geldmarktfonds anbieten. Der Zugang zum Kunden ist da. Die Frage ist hier, ob einfach nur ein neuer Vertriebsweg für White-Label-Produkte entsteht oder ernst zu nehmende Konkurrenz durch eigene Bankgründungen und Produkte. Das Spiel ist noch völlig offen.
Pross: Wenn man sich anschaut, wieso das Robo-Advisor-Modell aufkam, dann war der Startpunkt der selbst entscheidende Privatkunde, der gesagt hat: Ich weiß, was ich will. Ich brauche nur jemanden, der mir die entsprechende Plattform bietet, die sich vor allem durch niedrige Kosten auszeichnet. Der Gründer von Alibaba, Jack Ma, wurde in einem Gespräch über Asset Management einmal gefragt, warum er diese Kundengruppe nicht angeht. Seine Antwort: „Da verdiene ich kein Geld. Die Branche ist überreguliert und wahnsinnig komplex.“ Und das ist wahr, etliche Robo-Advisors kämpfen damit. Der Kunde informiert sich online und schließt dann doch offline ab. Denn es geht um Geld, und das ist ein extremes Vertrauensthema. Auch haben die Robo-Advisors, die auf dem Markt vertreten sind, mit ihrer Performance vor und in der Krise nicht gerade überzeugt. Dazu leiden sie unter hohen Kosten bei der Neukundenakquise, die bei mehreren Hundert Euro liegen können.