Roundtable-Gespräch „Asset Management wird auch in Zukunft vom Menschen geprägt“

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Micic: Welche Rolle wird KI im Asset Management in 20 Jahren spielen, wenn man der These glaubt, dass alles, was der Mensch kognitiv kann, eine künstlich intelligente Maschine heute oder in Zukunft besser kann?

Pross: Wir bekommen heute schon als Online-Kunden von Amazon oder Google Produktvorschläge angezeigt, die auf die Profiling-Technologie des amerikanischen Auslandsgeheimdienstes CIA zurückgehen. Wir nutzen Werkzeuge der KI, um beispielsweise binnen kurzer Zeit Geschäftsberichte von Unternehmen – nicht nur die Zahlen, sondern vor allem auch den inhaltlich wichtigen Anhang – auszuwerten. Auf der Produktionsseite unterstützen wir damit heute schon Portfoliomanager.

Lochmüller: Ich kann mir gut vorstellen, dass der Marktanteil von Robo-Advisors im standardisierten Vertrieb auf Sicht von zehn bis 20 Jahren dynamisch wächst und sie dort vielleicht sogar zum Marktführer werden. Derzeit geht es um Anlegergelder von weltweit rund 700 Milliarden Dollar, um die sich etwa 350 Robo-Advisors bemühen. Für uns als Haus, das „Alpha“ in seinem Namen trägt, ist aber die viel spannendere Frage, ob diese Marktentwicklung nur eine effizientere Art der Informationsverarbeitung im Portfoliomanagement darstellt oder ob sich dadurch wirklich neue Renditequellen mit der Möglichkeit, Alpha zu generieren, eröffnen. Wenn man sich die ersten Versuche von KI-verwalteten Fonds anschaut – in Deutschland gibt es rund ein Dutzend Anbieter, zugegeben meist Start-ups –, ist der Blick auf deren Performance eher ernüchternd.

Micic: Der Einsatz von Technik macht Produktions-, Vertriebs- und Beratungsdienstleistungen kostengünstiger. Der andere Hebel, um Kosten zu senken, ist passives Investieren. Ist das ein guter Investmentansatz angesichts der Risiken, die auch ohne Corona-Krise immer wieder deutlich werden?

Kesy: Alle Anleger sind bereits seit Jahren mit der Situation niedriger Zinsen konfrontiert und müssen gegensteuern. Sie ändern ihre strategische Asset-Allokation, um sich zusätzliche Risikoprämien zu sichern. Bei der Frage aktiv oder passiv würde ich meine Überlegungen weniger von der Kostenseite anstellen, sondern eher von der Seite der Nettorendite. Damit verbunden ist die Entscheidung, in welchen Anlageklassen sich Alpha aussichtsreich generieren lässt und wie ich meine Ressourcen dafür einsetze. Und unter dem Aspekt hat die Idee des passiven Investierens in einzelnen Anlageklassen schon seine Berechtigung. Die Branche hat reagiert und in den vergangenen zwei Jahrzehnten sehr kosteneffiziente und flexible Basisbausteine für Risikoprämien entwickelt. 

Micic: Welche Rolle spielen hier ETFs? Sind sie systemgefährdend?

Kesy: ETFs sind auf jeden Fall trendverstärkend, was Preisschwankungen im Markt angeht. Denn sie eröffnen bestimmten Anlegergruppen Zugang zu neuen Anlageklassen wie High Yields oder Emerging-Market-Staatsanleihen. Doch können diese Anleger die Risiken nicht richtig einschätzen. Sie werden, wenn es nach unten geht, die Amplituden verstärken. Bei „systemgefährdend“ mache ich ein Fragezeichen. Denn das ist für mich keine Frage, ob passiv oder aktiv. Sondern vielmehr eine Frage der Mikrostruktur der Märkte, auf denen wir diese Instrumente handeln. Der ETF-Markt muss nicht sekündlich Preise stellen, sondern das ist eine Konvention, die man getroffen hat und an der gewisse Marktteilnehmer ein Interesse haben.

Lochmüller: Erlauben Sie mir noch zwei Anmerkungen zum Kostenargument: Erstens sind die Preisunterschiede gar nicht so hoch, was den institutionellen Markt angeht. ETFs, die etwa auf Small Caps oder die Schwellenmärkte spezialisiert sind, kosten auch 30 bis 60 Basispunkte. Zweitens setzen Privatanleger ETFs oft so ein, dass deren Rendite sogar noch schlechter ausfällt als die von unterdurchschnittlichen Fonds im vergleichbaren Segment. Warum? Weil sie sich durch ETFs zum häufigen Handeln verleiten lassen, wie Studien von Depotbanken zeigen.