Quant-Methoden im Portfoliomanagement „Man sollte sich mehr auf das stützen, was ökonomisch plausibel ist“

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Dennoch bleibt das Problem, dass Daten nur die Vergangenheit abbilden können.

Raviol: Aus diesem Grund bin ich für die Anwendung im Risikomanagement und bei Prognosen skeptisch. In der Physik kann ich kontrollierte Experimente machen, mich auf kausale Zusammenhänge konzentrieren und das reproduzieren. Das geht hier nicht. Menschen sind am Werk, die sich möglicherweise in Zukunft anders verhalten. Meines Erachtens sind am Ende doch die Bewertung oder Plausibilisierung der Daten durch weitere Überlegungen wichtig.

Beim Thema Renditeprognosen denke ich auch an Faktorstrategien, die derzeit sehr in Mode sind. Es gibt eine Studie von Professor Campbell R. Harvey von der Duke University: Der identifizierte über 200 Faktoren, die quantitativ nachgewiesen wurden. Harvey stellte aber fest, dass die meisten der publizierten Research-Ergebnisse zu diesen Faktoren nicht belastbar sind.

Hellmich: Die meisten quantitativen Modelle setzen auf das Ausnutzen von Anomalien und relativen Bewegungen. Interessanterweise hat das in den vergangenen Jahren ganz gut funktioniert. Das ist auch darauf zurückzuführen, dass die Ineffizienzen im Markt gestiegen sind – etwa durch stärkere Regulierung und die Zunahme passiver Strategien.

200 Faktoren, die unabhängig voneinander sind, gibt es aber natürlich nicht. Man kann wohl von vier Faktoren sprechen, die nicht korrelieren, der Rest ist redundant. In der Praxis bislang bewährt haben sich die Strategien Momentum, Low Volatility, Low Beta und Size.

Martin Hellmich ist Professor für Financial Risk ManagementQuelle: Markus Kirchgessner

Aber was kann erklären, dass hinter Faktoren tatsächlich eine Kausalität steht?

Raviol: Ich bin der Ansicht, dass ökonomische Überlegungen dazukommen müssen. Wir haben zum Spaß einmal Dax-Titel nach geraden und ungeraden Wertpapierkennnummern aufgeteilt und festgestellt, dass sich Aktien mit geraden ISIN über einen langen Zeitraum besser entwickeln als die mit ungeraden. Das könnte man dann einfach ISIN-Faktor nennen.

Ich will damit sagen: In Daten kann man viel finden, mit Kausalität hat das aber nichts zu tun. Aus meiner Sicht handelt es sich bei den begründbaren Faktoren eher um Risikoprämien. Der Investor erhält eine Prämie dafür, dass er ein bestimmtes Risiko übernimmt, etwa beim Low-Volatility-Faktor das unangenehme konvexe Auszahlungsprofil. Ich würde das durchaus abgrenzen von reinen Anomalien.