Scope-Analystin Andrea Vathje „Den Asset Managern ist bewusst, dass der Eltif seine zweite Chance nutzen muss“

Andrea Vathje, Analystin bei Scope und Autorin der jährlichen Eltif-Studie.

Andrea Vathje, Analystin bei Scope und Autorin der jährlichen Eltif-Studie. Foto: Scope

private banking magazin: Frau Vathje, der Eltif ist derzeit in aller Munde. Verdient das Thema so eine große Aufmerksamkeit?

Andrea Vathje: Definitiv. Das Thema Private Markets ist für Privatinvestoren derzeit noch absolut unterbesetzt. Das vergangene Börsenjahr hat gezeigt, wie wichtig es ist, ein Diversifikationselement ins Portfolio zu bekommen. Privatmarktanlagen können dazu einen großen Beitrag leisten. Nicht umsonst haben institutionelle Investoren ihr Engagement in den vergangenen 20 Jahren ausgebaut. Insofern gehören Private Markets auch in ein gehobenes Privatanleger-Portfolio. Mit dem Eltif gibt es erstmals die Möglichkeit, in kleinere Losgrößen zu investieren. Zudem besetzt der Eltif mit dem Komplex Infrastruktur und Energiewende ein wichtiges Thema.

Sie sagten, Private Markets könnten – gerade in einem chaotischen Börsenjahr wie dem vergangenen, in dem Aktien und Anleihen gleichermaßen verloren haben – ein Stabilisator sein. Kann das nicht aber ein wenig Augenwischerei sein, weil man eben keine tägliche Liquidität hat und Kurse nicht in der Regelmäßigkeit festgestellt werden. Am Ende hat ein Jahr wie 2022 doch sicherlich auch in Private-Market-Portfolios Bremsspuren hinterlassen.

Vathje: Die Anlageklasse ist weniger volatil, weil es weniger Daten gibt. Das stimmt. Nichtsdestoweniger hat Private Equity auf Jahressicht besser abgeschnitten als traditionelle Anlageklassen. Die aktive Unternehmensbeteiligung der Private-Equity-Manager zahlt sich häufig gerade in schwierigen Zeiten aus. Außerdem ist der Pool von nicht-börsennotierten Unternehmen über die letzten 20 Jahre immer größer geworden. Das ist ein Grund, warum institutionelle Investoren Alternatives so gerne ins Portfolio nehmen und weiter ausbauen. 

In Portfolios von Privatanlegern finden die bislang noch weniger statt. Die Branche spricht – auch im Zusammenhang mit dem Eltif – gerne von einer Demokratisierung der Private Markets. Das ist ein wenig übertrieben, oder?

Vathje: Ich finde den Begriff Demokratisierung nicht passend. Es geht eher um eine Retailisierung der Private Markets. Diese Anlagen sollen auch für Kunden unterhalb des HNWI-Bereichs investierbar werden.

Beim Begriff „Retailisierung“ wird manch Anbieter zusammenzucken. Wir reden trotzdem von Private-Banking- oder zumindest Affluent-Kunden, an die sich der Eltif richtet?

Andrea Vathje im Gespräch mit Malte Dreher, Herausgeber des private banking magazins (links) und Redakteur Clemens Behr (rechts).
Andrea Vathje im Gespräch mit Malte Dreher, Herausgeber des private banking magazins (links) und Redakteur Clemens Behr (rechts). © Christoph Fröhlich

Vathje: Man muss unterscheiden, von welcher Struktur konkret die Rede ist. Durch die EU-Novellierung sind auch Produkte mit einer gewissen Liquidität möglich. Ein geschlossener Private-Equity-Fonds, der acht bis zehn Jahre läuft und die volle Illiquiditätsprämie vereinnahmt, wird sich weiterhin an gehobene Privatkunden richten. Hier ergibt eine hohe Mindeststückelung Sinn. Es wird aber auch Produkte geben, die sparplanfähig sind. Beim Thema Infrastruktur gibt es Laufzeiten bis zu 70 Jahren und einem erneuerbaren Investitionszyklus. Dann muss eine gewisse Liquidität während der Laufzeit bereitstehen. Wenn der Anbieter laufend in neue Projekte investiert, leuchtet es ein, das Vehikel auch während der Laufzeit zu öffnen, sodass ich für den Kunden investieren kann. Hier sind auch kleine Mindestgrößen denkbar.

Sie sprechen die Eltif-Novelle an, die im kommenden Jahr in Kraft tritt und auf der große Hoffnungen ruhen. Kann allein diese Reform zum Dosenöffner für die Produktklasse werden? Bislang war der Eltif keine wirkliche Erfolgsgeschichte. 

Vathje: Es ist so, dass mit der Novelle viele neue Produkte und Asset Manager an den Markt kommen und die Reform den Vertrieb erleichtert. Die Anforderungen an die Asset Manager unter Eltif 1.0 waren sehr hoch. Es waren nur Direktinvestitionen möglich, die Vorgaben für das Portfolio sehr streng.

 

Für den Vertrieb wird es leichter. Teile des anfänglich vorgesehenen Anlegerschutzes wurden hingegen abgebaut.

Vathje: Ja, doch die Frage ist, ob man anfangs nicht über das Ziel hinausgeschossen ist. Vor dem Hintergrund der schlechten Erfahrungen mit geschlossenen Fonds in der Finanzkrise wollte die Politik die Anleger besonders schützen. Das hat de facto dazu geführt, dass viele das Produkt gar nicht vertreiben konnten, weil die Auflagen so hoch waren. Wer ein solches Fondsvehikel kaufen wollte, musste mindestens über 100.000 Euro verfügen, Investoren mit einem freien Vermögen von bis zu 500.000 Euro konnten maximal 10 Prozent in Eltifs investieren.

Neben den Vermögensgrenzen werden auch die Anlagerichtlinien gelockert. Investitionen in Dachfonds sind erlaubt. Der mögliche Anteil liquider Anlagen wurde auf 45 Prozent angehoben. Einen Fonds als Privatmarkt-Lösung zu verkaufen und möglicherweise fast zur Hälfte mit Aktien zu bestücken, kommt einem Etikettenschwindel nahe.

Vathje: Die hohe Liquiditätsquote ist dem Umstand geschuldet, dass man ein semi-offenes Produkt anbieten möchte, und wer dem Anleger eine gewisse Liquidität anbietet, muss die entsprechend auch im Fonds vorhalten. Das ist eine der Lehren, die man aus der Finanzkrise gezogen hat. Wichtig ist aber, dass der Investor genau hinschauen muss, wie sein Produkt investiert, ob die erwarteten Renditen realistisch erscheinen und ob die gegebenen Rückgabemöglichkeiten für ihn passen.