Auch wenn die zum 3. Januar 2018 erfolgte Umsetzung von Mifid II schon einige Zeit zurückliegt, ist bei den Marktteilnehmern noch immer eine deutliche Verunsicherung über den konkreten Inhalt der neu gefassten Verhaltenspflichten festzustellen. Die Ergebnisse der ersten WpHG-Prüfungen bestätigen zudem die Einschätzung, dass auch nach mehr als einem Jahr zum Teil noch erhebliche Umsetzungsdefizite bestehen. Die Bafin hat sich bislang nur vereinzelt zu Auslegungsfragen geäußert, so dass in zahlreichen Punkten weiterhin unklar ist, wie ihre Verwaltungspraxis aussehen wird.
Ex-ante-Kostentransparenz: Zulässigkeit von Erleichterungen und/oder Kundenverzicht?
Schwierigkeiten in der praktischen Umsetzung bereitet insbesondere die durch Mifid II neu geschaffene Pflicht zur Ex-ante-Kosteninformation, die sich auf dienstleistungsbezogene und produktbezogene Kosten erstreckt, die dem Kunden als Gesamtbetrag in Euro und als Prozentwert mitzuteilen sind. Als zumindest haftungsrechtlich bedenklich stellt sich das in der Praxis vereinzelt anzutreffende Vorgehen dar, die Auswirkungen der Gesamtkosten auf die Rendite dadurch zu verdeutlichen – oder abzuschwächen! –, dass eine fiktive Wertentwicklung der Anlage unterstellt wird.
Diese Darstellung könnte den Kunden zu der (unzutreffenden) Annahme veranlassen, dass per Saldo auf jeden Fall von einer positiven Rendite auszugehen ist. Ausreichend ist es, wenn dem Kunden lediglich mitgeteilt wird, dass die ausgewiesenen Gesamtkosten sich renditemindernd auswirken. Auf Grund einer entsprechenden Äußerung der Bafin ist mittlerweile geklärt, dass Zuwendungen nicht bei den Produktkosten, sondern bei den Dienstleistungskosten auszuweisen sind, ohne dass sich aus dieser Zuordnung aber Auswirkungen auf die dem Kunden mitzuteilenden Gesamtkosten ergeben würden.
Als problematisch erweist sich die Umsetzung der Pflicht zur Ex-ante-Kosteninformation insbesondere dann, wenn der Kunde aus eigenem Antrieb einen telefonischen Auftrag erteilen will. Da die Kosteninformationspflicht nicht an eine Kaufempfehlung anknüpft, ist dem Kunden auch in diesem Fall die entsprechende Information auf einem dauerhaften Datenträger zur Verfügung zu stellen. Es genügt dabei allerdings nicht, das Telefonat mit dem Kunden, das sich auch auf die Kosteninformation erstreckt, aufzuzeichnen, da dem Kunden diese Aufzeichnung jedenfalls vor Geschäftsabschluss nicht zur Verfügung gestellt werden kann.
Die zulässige Einstellung der Kosteninformation in ein elektronisches Postfach wird zwar vermehrt angeboten, aber noch längst nicht von allen Kunden nachgefragt. Dies hat zur Folge, dass das Institut den Auftrag nicht entgegennehmen und ausführen darf, solange dem Kunden die Kosteninformation nicht zur Verfügung gestellt worden ist. Den Überlegungen der Branche, in diesen Fällen den Kunden auf standardisierte und ihm bereits im Zuge der Umsetzung von Mifid II übersandte Kosteninformationen zu einzelnen Anlagenklassen zu verweisen, ist die Bafin entgegengetreten, da der gesetzlich vorgeschriebene Bezug zu einem konkreten Finanzinstrument fehle.
In der überarbeiteten Fassung ihres „Q&A on MiFID II and MiFIR investor protection and intermediaries topics“ vom 28. März 2019 hat ESMA nunmehr aber einige Erleichterungen für die Pflicht zur Ex-ante-Kosteninformation anerkannt, ohne dass indes ein vollständiger Verzicht des Kunden möglich wäre. So ist es bei Finanzinstrumenten, bei denen keine Produktkosten anfallen – wie zum Beispiel bei Aktien und Anleihen – , zulässig, die Pflicht zur Kosteninformation durch standardisierte Unterlagen zu erfüllen, die dem Kunden bereits im Vorfeld – das heißt unabhängig von der konkreten Transaktion als auf die Gattung bezogenes Muster – zur Verfügung gestellt werden.
Im Rahmen der Vermögensverwaltung steht das bislang regelmäßig praktizierte Vorgehen, die Ex-ante-Kosteninformation bezogen auf die einzelne Anlagestrategie anhand eines angenommenen Anlagebetrages vorzunehmen, nicht mehr mit den Vorgaben der ESMA in Einklang. Erforderlich ist vielmehr, dass die Ex-ante-Kosteninformation auf das konkrete vom Kunden mitgeteilte Verwaltungsvermögen abstellt, auch wenn dieses gegebenenfalls von dem später tatsächlich übertragenen Vermögen abweicht.
Zu beachten ist, dass die Verpflichtung zur Ex-ante-Kosteninformation auch im Verhältnis zu professionellen Kunden und geeigneten Gegenparteien zu erfüllen ist. Zwar besteht bei diesen Kundengruppen die Möglichkeit, im Wege einer Opt-out-Vereinbarung bestimmte Erleichterungen zu vereinbaren, ein vollständiger Ausschluss der Pflicht zur Ex-ante-Kosteninformation ist allerdings unzulässig.