Aus der Beratungspraxis Bei der Umsetzung von Mifid II sind viele Fragen offen

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Ablösung des Beratungsprotokolls durch die Geeignetheitserklärung

Im Rahmen ihrer Dokumentationspflichten sind die Institute seit der Umsetzung von Mifid II gehalten, das Ergebnis der Geeignetheitsprüfung in einer Geeignetheitserklärung festzuhalten. Sie löst das bisherige Beratungsprotokoll ab und ist dem Kunden vor Geschäftsabschluss auf einem dauerhaften Datenträger zur Verfügung zu stellen. Das bislang im Rahmen der telefonischen Anlageberatung im Fall eines fehlerhaften oder unvollständigen Protokolls bestehende Rücktrittsrecht des Kunden ist entfallen, da die Aufzeichnung des Telefonats es ausschließt, dass überhaupt Unstimmigkeiten über den Gesprächsinhalt entstehen.

Eine Unterschrift des Beraters auf der Geeignetheitserklärung ist nicht mehr erforderlich, aber gleichwohl zulässig. Es sollte aus AGB-rechtlichen Erwägungen zudem davon Abstand genommen werden, den Kunden inhaltliche Bestätigungen zum Gesprächsverlauf abgeben zu lassen. Zulässig sind allein gesonderte Empfangsquittungen des Kunden, mit denen er zum Beispiel den Erhalt der Geeignetheitserklärung bestätigt. 

Bei der Bestimmung der inhaltlichen Anforderungen an die Geeignetheitserklärung ist die Zielsetzung der Dokumentation zu berücksichtigen, die nicht mehr die wesentlichen Punkte des Gesprächsverlaufs und die wesentlichen Gesprächsinhalte abbildet, sondern lediglich erläutert, dass beziehungsweise inwieweit die ausgesprochene Empfehlung mit den Vorgaben des Kunden übereinstimmt. Diesen Vorgaben entspricht die Geeignetheitserklärung allerdings dann nicht, wenn sie sich auf bloß formelartige Feststellungen, dass das Finanzinstrument für den Kunden geeignet ist, beschränkt.

Erforderlich ist vielmehr, dass der Berater die Eigenschaften des Finanzinstruments qualitativ mit den Kundenangaben abgleicht. Eine Möglichkeit des Kunden, auf die Zurverfügungstellung der Geeignetheitserklärung zu verzichten, besteht nicht, allerdings greift die Pflicht nur gegenüber Privatkunden ein. 

Da die Pflicht, eine Geeignetheitserklärung zu erstellen, an die Anlageberatung und nicht die Erteilung einer Order anknüpft, ist sie auch dann zu erfüllen, wenn es – wie zum Beispiel bei einer Halteempfehlung – nicht zu einem Geschäftsabschluss kommt. In zeitlicher Hinsicht besteht in diesem Fall nach BT 6 MaComp (Mindestanforderungen an die Compliance-Funktion) die Möglichkeit, dem Kunden die Geeignetheitserklärung zeitnah, spätestens aber nach fünf Werktagen im Anschluss an die Anlageberatung, zur Verfügung zu stellen. Dieselbe Frist gilt für die nachträgliche Übermittlung der Geeignetheitserklärung im Anschluss an einen als Folge einer telefonischen Beratung ausgeführten Kundenauftrag.

Aufzeichnung von auftragsbezogenen Telefonaten mit dem Kunden

Als durchaus fehlerträchtig hat sich die durch Mifid II neu geschaffene Verpflichtung herausgestellt, unter anderem Telefongespräche, die sich auf die Annahme, Übermittlung und Ausführung von Kundenaufträgen beziehen, aufzuzeichnen. Schwierigkeiten bereitet hierbei insbesondere die Frage des Umfangs der Aufzeichnungspflicht. Eine Vollaufzeichnung des Telefonats ist regelmäßig nicht erforderlich, etwas anderes gilt allerdings dann, wenn der Kunde an eine Hotline oder ein Callcenter verwiesen wird, über das ausschließlich Wertpapieraufträge erteilt werden können.

Bisweilen nicht einfach zu beantworten ist die Frage, ab welchem Zeitpunkt im Übrigen die Aufzeichnung zu starten ist. Dies ist jedenfalls dann der Fall, wenn sich das Gespräch in die Richtung eines möglichen Kundenauftrags entwickelt. Dies gilt nicht nur im Rahmen der Anlageberatung, sondern auch in der Vermögensverwaltung. Eine Aufzeichnungspflicht besteht daher auch dann, wenn der Kunde beispielsweise den telefonischen Auftrag erteilt, die bisherige Anlagestrategie zu ändern.

Auch die Erteilung einer Einzelweisung im Rahmen der Vermögensverwaltung stellt einen aufzeichnungspflichtigen Vorgang dar. Grundsätzlich nicht erlaubt ist es, die Aufzeichnung durch die Stopp-Funktion zu unterbrechen und zu einem späteren Zeitpunkt des Gesprächs fortzusetzen. Demgegenüber ist es zulässig, das Ende des Gesprächs von der Aufzeichnung auszunehmen, wenn keine auftragsbezogenen Aspekte mehr erörtert werden. Bei beratungsfreien Aufträgen darf sich die Aufzeichnung auf eine Zusammenfassung des Geschäftsabschlusses und einen Hinweis auf die Beratungsfreiheit beschränken.

Im Hinblick auf den mit der Aufzeichnung verfolgten Beweiszweck erscheint es nicht unbedenklich, dass eine gesetzliche Pflicht zur Löschung nach fünf Jahren vorgesehen ist. Die Höchstfrist zur Speicherung der Aufzeichnung kann durch die Bafin um zwei Jahre verlängert werden. Vor dem Hintergrund der zivilrechtlichen Verjährungshöchstfrist von maximal zehn Jahren erscheint es allerdings diskussionswürdig, inwieweit die Frist zur Speicherung der Aufzeichnung durch entsprechende Parteivereinbarung verlängert werden kann. Das Institut sähe sich ansonsten in einem etwaigen Haftungsprozess der Gefahr ausgesetzt, dass der Kunde vor Ablauf der gesetzlichen Speicherfrist seinen Herausgabeanspruch auf die Aufzeichnung geltend macht, während das Institut nach der Löschung nicht mehr in der Lage ist, anhand der Aufzeichnung zum Gesprächsverlauf substantiiert vorzutragen.