Europäische Bankenunion So funktioniert der Single Supervisory Mechanism (SSM)

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Schlussfolgerungen / Offene Punkte

Aus unserer Sicht kann der SSM prinzipiell als gelungen eingestuft werden. Es gibt jedoch noch eine Reihe an offenen Themen, die es zu lösen gilt:

SSM Baustelle I – Anspruchsvoller AQR Prozess

Die betroffenen Banken reagierten auf das Manual mit Kritik. Deren Unbehagen richtet sich gegen eine mögliche Überforderung durch die umfassenden Bedarfe. Nach Informationen der Börsen-Zeitung trafen sich Ende März EZB‐Direktoriumsmitglied Sabine Lautenschläger und die Chefin der EZB‐Bankenaufsicht, Daniele Nouy, mit Vertretern mehrerer Prüfungsgesellschaften, um über die Details der Untersuchung zu sprechen. Es ging darum, die Realisierbarkeit der Bilanzchecks sicherzustellen. Hier scheint das letzte Wort zwischen EZB/EBA und den 128 Banken noch nicht gesprochen.

SSM Baustelle II – Personalressourcen

Weil erst um die Jahreswende die rechtlichen Rahmenbedingungen gesetzt wurden, verfügt die EZB bei weitem nicht über die geplante Zahl an Aufsehern. Die innerhalb der EZB eingerichtete Behörde soll gut 1.000 Mitarbeiter zählen, davon rund 700 Bankenaufseher. In diesen Wochen forciert die EZB ihre Bemühungen, gute Mitarbeiter zu finden. Sollten Sie Interesse haben, finden Sie hier die ausgeschriebenen Jobs.

In der Zwischenzeit behilft sich die EZB mit „Leiharbeitern“ von den nationalen Notenbanken, um AQR + Stresstest administrieren zu können. Da die Mannschaft, die zum 4. November 2014 die SSM‐Aufgaben übernimmt, derzeit noch nicht an Board ist, kann sie nicht vom gegenwertigen Prüfprozess profitieren und Routinen trainieren. Eine vergebene Chance, dem verständlichen Zeitdruck geschuldet.

SSM Baustelle III – Kapitalbedarf


PwC reagierte umgehend auf das Manual und kalkulierte den geschätzten Kapitalbedarf der 128 teilnehmenden Banken auf 280 Milliarden Euro.

SSM Baustelle IV – Zuständigkeitsfragen

Der SSM stellt auf eine „vertrauensvolle Zusammenarbeit“ zwischen EZB und den nationalen Aufsichtsbehörden ab. Es bleibt noch abzuwarten, wie diese Kooperationen in der Praxis funktionieren. Dies betrifft sowohl Zuständigkeits ‐und Verfahrensthemen als auch die Frage, welche materiellen Rechte von der EZB anzuwenden sind.

Das sonst übliche Vorgehen bei Harmonisierungen im Binnenmarkt, wonach nationale Behördenzentrale europarechtliche Bestimmungen oder entsprechende nationale Umsetzungsmaßnahmen anwenden, ist nämlich beim SSM auf den Kopf gestellt. Die EZB als zentrale europäische Behörde wendet neben dem einschlägigen Unionsrecht auch die entsprechenden – teils nicht harmonisierten – nationalen Rechtsvorschriften an.

Auch in der täglichen Aufsichtsarbeit wird eine enge und konstruktive Zusammenarbeit zwischen EZB und den zuständigen nationalen Behörden notwendig sein. Erst die Praxis wird zeigen, ob der SSM eine einheitliche und effiziente Beaufsichtigung von Kreditinstituten bewerkstelligen kann.

SSM Baustelle V – Einbeziehung der Nicht‐Eurostaaten

Damit der SSM EU‐weit funktioniert, ist unseres Erachtens die Einbeziehung der Nicht‐Eurostaaten entscheidend. Diese können derzeit aber nur auf freiwilliger Basis beitreten. Eine Ausklammerung dieser Regionen aus dem SSM verhindert jedoch eine einheitliche Aufsicht. Es wird daher noch spannend, ob eine entsprechende Integration der Nicht‐Euroländer gelingt.

Zwischenfazit


In einer eindrucksvollen Zustandsanalyse der EU bringt Jürgen Habermas Ende April das politische Klima auf den Punkt, in dem der SSM aufgesetzt wurde: „Sie (Deutsche Regierung) scheut noch vor den leisesten Anfängen einer gemeinsamen Fiskal‐, Wirtschafts‐ und Sozialpolitik zurück.

Stattdessen lässt sich Angela Merkel lieber perspektivlos von der Europäischen Zentralbank aus der Patsche helfen. Dafür muss Herr Draghi eine europäische Fiskalsouveränität, die seine Bank nicht hat, erfolgreich simulieren.“ Gemessen am politischen Integrations-Unwillen der in die Führungsverantwortung gedrängten deutschen Regierung, ist der SSM für sich genommen ein durchaus gelungenes Konstrukt.

Über die Autoren

Markus Schuller ist Gründer von Panthera Solutions, eine Beratungsfirma für strategische Asset Allocation im Fürstentum Monaco. Zuvor war er über zehn Jahre lang als Asset Manager und Produktentwickler bei Banken und Asset Managern tätig. Er kommentiert für diverse Qualitätsmedien den Markt und referiert regelmäßig auf Konferenzen zum Thema Asset Allocation.

Bernd Fletzberger ist Rechtsanwalt und Partner von PFR Rechtsanwälte (www.pfr.at). Zuvor war er bei der Finanzmarktaufsicht und großen österreichischen Wirtschaftskanzleien im Bereich Bank- und Kapitalmarktrecht tätig. Er berät unter anderem Finanzinstitute in aufsichtsrechtlichen Fragen, etwa bei Konzessionsverfahren, Aufsichtsverfahren, Verwaltungsstrafverfahren und in der Produktentwicklung.

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