Zurückhaltende Ergebnisprognosen Deutsche Unternehmen leisten sich gefährliches Understatement

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Doch gilt der Trend im unterjährigen Verlauf konkreter werdender Prognosen nicht ausnahmslos für alle Unternehmen. Gerade bei Unternehmen, die sich in einem wirtschaftlich herausfordernden Umfeld befinden, lässt sich oftmals ein Wechsel von konkreten zu weniger konkreten Prognosen feststellen. Ein sich verändernder Präzisionsgrad kann also durchaus als Indikator für eine sich eintrübende Umsatz- und Ertragslage gewertet werden.

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Doch wie realistisch sind nun die abgegebenen Umsatz- und Ergebnisprognosen? Hierzu ist es nötig, sich die feststellbaren relativen Abweichungen zwischen prognostiziertem und tatsächlichem Ergebnis anzusehen. Hierzu wurden das Sample auf Intervall- und Punktprognosen reduziert, da der Prognosefehler bei Minimum- und Maximumprognosen nicht quantifizierbar ist. Abbildung 3 zeigt den relativen Anteil von zu pessimistischen und zu optimistischen Prognosen.

Wie die Abbildung verdeutlicht, war zwischen den Jahren 2005 und 2008 ein Trend zu recht realistischen Einschätzungen der Umsatz- und Ertragslage erkennbar. Im Jahr 2008 ist der Anteil optimistischer Prognosen erstmalig höher als der Anteil pessimistischer Prognosen, was auf den Ausbruch der Finanzkrise zurückzuführen ist. In den Folgejahren kehrt sich das Bild jedoch wieder um.

Das Jahr 2010 ist von durchweg sehr zurückhaltenden Prognosen geprägt, was als Folge der zuvor im Rahmen der Finanzkrise massiv rückläufigen Umsätze und Ergebnisse zu sehen ist, deren Niveau sich offenbar rascher als vorhergesehen erholte. Seit dem Jahr 2011 liegt der Anteil von zurückhaltenden Vorhersagen bei circa 60 bis 70 Prozent. Über den gesamten Untersuchungszeitraum sind zwei von drei Prognosen pessimistisch verzerrt.

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Abbildung 4 gibt den relativen Fehler der Umsatz- und Ergebnisprognosen für den gesamten Untersuchungszeitraum und separat für das Jahr 2015 auf Basis gruppierter Häufigkeiten wieder. Es zeigt sich, dass die Verteilung des Prognosefehlers im Jahr 2015 dem typischen Bild leicht pessimistisch verzerrter Prognosen, das sich auch für den Gesamtzeitraum zeigt, entspricht.

Im Jahr 2015 liegen die Prognosen für Umsatz- und Ergebnisprognosen im Durchschnitt 2,4 Prozent unter den erzielten Werten. Hierbei zeigte sich für das Geschäftsjahr 2015 wiederholt ein hoher Anteil von Prognosen, die die tatsächliche Entwicklung knapp (bis 5 Prozent) unterschätzen (37,4 Prozent).

Der Anteil von Aussagen, die die tatsächliche Entwicklung knapp überschätzten (ebenso bis 5 Prozent) liegt deutlich darunter (17,8 Prozent). Unterstellt man einen naiven Prognoseersteller so müssten beide Gruppen auf lange Sicht in etwa gleich groß sein.

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Betrachtet man den unterjährigen Verlauf des Prognosefehlers getrennt für Umsatz- und Ergebnisprognosen, so bestätigt sich die Beobachtung zunächst stark pessimistisch verzerrter Prognosen, die im Laufe des Geschäftsjahres zugunsten realistischerer Einschätzungen angehoben werden (Abbildung 5). So liegen die Prognosen für die Umsatzerlöse im Geschäftsjahr 2015 im Durchschnitt (Median) zunächst 2,5 Prozent und im Q3 1,9 Prozent unter den erzielten Werten.

Bei den Ergebnisgrößen sind dies bei der erstmaligen Prognosen 3,9 Prozent und in Q3 1,6 Prozent. Manchen Unternehmen passen ursprüngliche Prognosen recht träge an, insbesondere wenn das letztendlich erzielte Ergebnis nach unten vom kommunizierten Wert abweicht und dies bereits vom Kapitalmarkt in Form von deutlichen Kursabschlägen antizipiert wird.

Dies ist entweder darauf zurückzuführen, dass die Langfristziele, die hier nicht betrachtet wurden, abgesenkt wurden. Wahrscheinlicher ist aber, dass dies Ausdruck eines adaptiven Lernprozesses seitens der Adressaten ist: Da die Teilnehmer um die konservative Prognosehaltung der Managements wissen, rechnen Sie implizit mit einer Anhebung der Vorhersagen im Verlauf des Geschäftsjahres. Bleibt diese aus, so kommt dies einer Enttäuschung gleich.

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Nun könnte man vermuten, dass der ausgemachte Prognosepessimismus auf eine überraschend positive konjunkturelle Entwicklung zurückzuführen sein könnte. Diese würde sich beispielsweise in verbesserten Wachstumsaussichten für die Weltwirtschaft zeigen. Abbildung 6, die die quartalsweisen Prognosen für das weltweite Wirtschaftswachstum des Internationalen Währungsfonds (IWF) über die letzten Jahre darstellt, widerlegt diese Vermutung jedoch.