Warren Buffetts Outperformance Seit 50 Jahren schlauer als der Markt

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Alles nur Zufall?

Ein besonderer Dorn im Auge war der Erfolg von Berkshire Hathaway seit jeher der Mainstream-Ökonomie. Insbesondere für die von der Effizienzmarkthypothese geprägte moderne Finanzwissenschaft war der für sie nicht erklärbare Dauererfolg ein unangenehmer Stachel im Fleisch. Sie reagierte deshalb bisher vor allem mit Desinteresse beziehungsweise Verleugnung der Erfolgsfaktoren.

In der Regel wird Berkshire Hathaway von der Finanzmarktforschung ignoriert. Eine Auswertung von Edward Kelly aus dem Jahr 2004 zeigte, dass von den 23.000 Seiten der damals aktuellen wissenschaftlichen Literatur über Finanzmärkte sich gerade einmal 20 (!) mit Warren Buffett beschäftigen. Dies hat sich bis heute nur deswegen geringfügig verbessert, weil 2012 unter Federführung von Lasse H. Pedersen von der New York University mit dem Titel „Buffett‘s Alpha“ eine Studie erschien, die bisher als erste (und meiner Kenntnis nach als einzige) den Erfolg von Berkshire Hathaway mit wissenschaftlichen Methoden tiefgründig untersuchte.

Ansonsten wurde der Erfolg von Buffett und Munger vor allem durch Zufälle erklärt. Nobelpreisträger William Sharpe beschrieb die Performance als „Three Sigma Event“, also als ein extrem unwahrscheinliches, aber nicht völlig unmögliches Ereignis. Ähnlich äußerten sich Burton Malkiel und Nobelpreisträger Merton Miller, die bemerkten, dass bei sehr vielen aktiven Investoren immer einer dabei sein kann, der zufällig auch mehrfach hintereinander besonders erfolgreich ist.

Buffett/Munger versus die akademische Ökonomie

Im Gegenzug ließen Warren Buffett und Charlie Munger bei ihren gelegentlichen Äußerungen zum akademischen Betrieb wenig Sympathien für Wirtschaftswissenschaftler erkennen. Der relativ diplomatische Buffett ließ es dabei eher bei Spott bewenden, wie zum Beispiel in diesen Äußerungen:

  • „Business Schools bewerten komplexes Verhalten höher als einfaches. Aber einfaches ist effektiver.“ ("The business schools reward complex behavior more than simple behavior, but simple behavior is more effective.")

  • „Um erfolgreich zu investieren, muss man nichts von Beta, effizienten Märkten, moderner Portfoliotheorie, Optionspreisen oder Schwellenländern verstehen. Tatsächlich kann es besser sein, diese Dinge gar nicht zu kennen.“ ("To invest successfully, you need not understand beta, efficient markets, modern portfolio theory, option pricing or emerging markets. You may, in fact, be better off knowing nothing of these.")

Charlie Munger hingegen war um unmissverständliche Worte nie verlegen. In einer Rede mit dem sperrigen Titel „Academic Economics: Strengths and Faults After Considering Interdisciplinary Needs“ aus dem Jahr 2003 an der University of California in Santa Barbara lieferte er eine der gnadenlosesten Kritiken an der akademischen Ökonomie ab, die jemals publiziert wurden. In neun wohlbegründeten Punkten zerlegte er einen selbstbezogenen Wissenschaftsbetrieb, in dem mit viel Aufwand eine Unmenge von realitätsfernem und teilweise haarsträubendem Blödsinn produziert wird.

Als Kernproblem machte Munger bei der zeitgenössischen Ökonomie aus, das sie ihre multidisziplinären Wurzeln verlassen und sich von den übrigen Wissenschaften abgekoppelt hat. Weitere Kritikpunkte waren: fehlende Ethik wegen der Verleugnung der geistesgeschichtlichen Wurzeln; Neid auf die Physik, der sich in der Verwendung von scheinpräzisen Formeln und Zahlen zeigt; Überbetonung einer relativ irrelevanten Makroökonomie; die einzelnen Teile der Ökonomie passen nicht zusammen; Ignoranz gegenüber psychologischen Faktoren; Unterschätzung von Folgewirkungen ökonomischer Entwicklungen; Ignoranz gegenüber der hohen Bedeutung von Täuschung und Betrug im Wirtschaftsleben; sowie die Vernachlässigung von positiven oder negativen Anreizen.

Buffett, Munger und die von der Effizienzmarkthypothese geprägten Ökonomen ihrer Generation werden wohl keine gemeinsame Basis mehr finden. Lediglich einige jüngere Wirtschaftswissenschaftler wie Lasse H. Pedersen setzen sich relativ unverkrampft mit Berkshire Hathaway auseinander.

Grundsätzlich offenbart aber der Umgang der Mainstream-Ökonomie mit Buffet und Munger – und mit einigen anderen Phänomenen wie der Finanzkrise – einen schweren Mangel im Denken: Wenn man alles, was an realen Vorkommnissen nicht in den bisherigen Modellrahmen passt, entweder ignoriert oder zum Ergebnis von Zufallsprozessen erklärt, macht man sich nicht nur unglaubwürdig, sondern verhält sich im Grunde höchst unwissenschaftlich. Seit Mungers Ökonomie-Kritik von 2003 hat sich nur sehr wenig verändert, weshalb seine Punkte auch heute noch relevant sind.

Die Studie „Buffett‘s Alpha“ hat übrigens bestätigt, dass es zwei systematische Gründe für den großen Erfolg von Berkshire Hathaway gibt, er also definitiv kein Zufall ist:

  1. Der Fokus auf relativ sichere und günstige Qualitätsaktien, wobei es laut Pedersen gar nicht mal auf die konkreten Einzelwerte, sondern vor allem auf den Anlagestil ankommt; sowie

  2. die moderate Nutzung einer kostengünstigen und risikoarmen Verschuldung, die durch das Geschäftsfeld Versicherungen ermöglicht wird.

Der erste Faktor ist der Kern des Erfolges und im Prinzip für jeden Anleger imitierbar, zumal Buffett kein Geheimnis aus seinen Investmentprinzipien macht. Der zweite Faktor verstärkt den Effekt des richtigen Anlagestils. Er hängt sehr stark von der rechtlichen Konstruktion ab, die es ermöglicht im Rahmen des Versicherungsgeschäftes an günstige und vor allem stabile Fremdmittel zu kommen.