Umwälzungen bei Handelsimmobilien „Der gesamte Einzelhandel verändert sich”

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Herr Mörl, wie schätzen Sie die Perspektive von Einzelhandelsimmobilien in Deutschland heute ein?

Mörl: Nun, in einigen Punkten kann ich Herrn Axmann zustimmen. Jede Immobilie muss individuell betrachtet werden. In einem Punkt muss ich aber widersprechen. Wir sehen auf der Investorenseite sehr wohl langfristig ausgerichtetes Interesse an kleinen und mittelgroßen Shopping Centern und Kaufhäusern außerhalb von A- und B-Städten. So haben wir erst vor kurzem zwei Einkaufscenter in Gießen und Marburg im Auftrag der Eigentümer an Investoren verkauft, beides Städte mit weniger als 100.000 Einwohnern. Man sieht also, dass die Perspektive von Einzelhandelsimmobilien – mit einer entsprechenden Weiterentwicklung der Assets – auch als positiv eingeschätzt werden kann. Letztlich sind der Standort, die Objektqualität, die Kaufkraft, die demografische Entwicklung und die Zentralität entscheidend für die Vermietung und den Verkauf von Einzelhandelsimmobilien.

Sie sagten mit entsprechenden Anpassungen. Wie hoch ist der Bedarf an Anpassungen beziehungsweise Erneuerungen?

Mörl: Der Anteil der Einkaufszentren, die veraltet sind, liegt in Deutschland bei rund 50 Prozent. Dies zeigt, wo der Handlungsbedarf in den kommenden Jahren in Deutschland liegt. Dieser konzentriert sich nicht auf den Neubau, sondern auf das Refurbishment beziehungsweise die Repositionierung von Bestandsimmobilien. Neubau kommt aufgrund der Marktsättigung nur in Ausnahmefällen vor, wie etwa in Orten, in denen der Tourismus stark zunimmt. Ein gutes Beispiel hierfür ist Husum, die historische Hafenstadt an der Nordseeküste, mit circa 24.000 Einwohnern, aber einer extrem hohen Einzelhandelszentralität von 222. Zum Vergleich: Der Durchschnitt liegt bei 100. Dazu kommen aber jährlich rund drei Millionen Tagestouristen, die erhebliche Kaufkraft mit in die Stadt bringen.

Und was machen Sie, wenn die Vermietungssituation so schwach ist oder die Einzelhandelsimmobilie nicht mehr funktioniert?

Mörl: Sofern die Fundamentaldaten stimmen, ist die Repositionierung eines Shopping Centers oder Fachmarktzentrums mit schwacher Vermietungssituation eine vielversprechende Option. Sehr gut gelegene Objekte lassen sich durch gezielte Nachvermietungen und Weiterentwicklungen wieder auf Vordermann bringen. Der große Modernisierungs- und Anpassungsbedarf von Einzelhandelsimmobilien birgt ja auch große Chancen für Eigentümer, Betreiber und Städte. Wenn Handel am Standort nicht mehr funktioniert, kann über eine Verkleinerung der Handelsflächen und eine teilweise Umnutzung nachgedacht werden. Problematisch sind ja häufig die oberen Etagen. Hier kommen eine Büro-, Wohn- oder auch Co-Working-Nutzung in Frage. In letzter Zeit sehen wir zum Beispiel auch verstärkt Fitnessstudios in Einkaufszentren. Sind die Zukunftsperspektiven für Einzelhandel negativ, ist eine komplette Konversion immer denkbar, etwa in eine Wohn-, Hotel- oder Büronutzung. Es kommt auf ein stimmiges Immobilien- und Nutzungskonzept an.