Umwälzungen bei Handelsimmobilien „Der gesamte Einzelhandel verändert sich”

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Herr Westerheider, Sie sind schwerpunktmäßig im Bereich Lebensmitteleinzelhandel unterwegs. Sie können sich ja eher zurücklehnen, denn das Lebensmittelsegment gilt als letzte Bastion des stationären Handels.

Westerheider: Im Moment ist das noch richtig. Während beispielsweise in den Produktsparten „Consumer Electronics“, „Fashion & Accessoires“ oder „Freizeit & Hobby“ jeweils rund ein Viertel des Umsatzes online gemacht werden, lag dieser Anteil im Lebensmittelsegment 2017 bei gerade einmal zwei Prozent. Ich bin mir jedoch sicher, dass das nicht so bleiben wird. Der E-Commerce wird auch im Lebensmittelsegment zunehmen. Außerdem bedeutet der geringe Online-Anteil nicht, dass sich der Lebensmittelhandel sonst nicht verändert. Es gibt in diesem Segment erhebliche Veränderungen.

Welche denn?

Westerheider: Ein Trend ist, dass auch die Discounter versuchen, aus dem Einkauf ein Erlebnis zu machen, so wie die Shopping-Center es ja schon seit Längerem vorgeben. Mittlerweile gibt es auch im Discount-Segment Food-Inseln, breite Gänge, Kundentoiletten und generell höhere Ansprüche an die Architektur und Warenpräsentation. Anders ausgedrückt: Das bloße Hinstellen von Paletten reicht heute nicht mehr aus.

Betrifft das nicht eher den Mieter als den Eigentümer?

Westerheider: Es betrifft beide – sowohl Mieter als auch Eigentümer. Eine ganze Reihe von Veränderungen bei den Discountern hat bauliche Konsequenzen, was dazu führt, dass wir als Eigentümer und Manager die Immobilien anpassen müssen. Eine Entwicklung ist, dass die Sortimente immer größer werden. Viele Discounter bieten heute Frischfleisch, Bioprodukte oder Gourmet Produkte an. Hinzu kommt, dass immer mehr Supermärkte Pfandflaschenautomaten im Vorkassenbereich sowie Brotbackautomaten einführen. Auch dies hat erhebliche Auswirkungen auf die Immobilie – insbesondere aus den Brotbackautomaten resultieren erhebliche bauliche Anforderungen an den Brandschutz.

Unterm Strich führen die ausgeführten Trends dazu, dass der Flächenbedarf steigt. In der Regel haben konventionelle Discounter häufig zwischen 700 und 800 Quadratmeter Verkaufsfläche. Benötigt werden aber mindestens 200 bis 300 Quadratmeter mehr. Das entspricht rund 20 bis 30 Prozent mehr Verkaufsfläche.

Ist das – insbesondere in den Städten – realisierbar?

Westerheider: Das hängt sehr von der individuellen Situation und dem jeweiligen Grundstück ab. In den großen Städten mit hohem Wohnraumbedarf überbauen wir in zentralen Lagen auch „Flachmänner“ – also eingeschossige Lebensmittelmärkte – mit einem Neubau bestehend aus Handelsflächen im Erdgeschoss und Wohnungen in den oberen Etagen. Dies betrifft derzeit vor allem Berlin. Im Zuge eines solchen Abriss-Neubaus bekommt automatisch auch der Einzelhändler eine neue und – sofern möglich – größere Fläche.


Über die Interviewten:
Peter Axmann ist Leiter Immobilienkunden bei der HSH Nordbank. Axmann ist 1981 in die Bank eingetreten und hat seit 1994 verschiedene Führungsaufgaben im Geschäftsbereich Immobilienkunden wahrgenommen, unter anderem als Leiter der Niederlassung Berlin.

Martin Mörl ist seit 2007 Geschäftsführer bei Prelios und als Head of Real Estate Services unter anderem für die Bereiche Asset Management, Vermietung und Center Management verantwortlich. Diplom-Kaufmann Mörl verfügt über 24 Jahre Erfahrung in der Immobilienschaft und war vor Prelios bei B&L Projektentwicklungsgesellschaft, I.T.C Immobilien Team Consulting und DGAG Shopping Immobilien tätig.

René Westerheider ist Head of Transactions bei der Trei Real Estate. Er leitet den Bereich Transaktionen und verfügt über langjährige Erfahrungen im Transaktionsmanagement sowie in der strukturierten Immobilien- und Unternehmensfinanzierung.

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