Storytelling im Private Banking, Teil 2 „Es geht um Smart Selling statt Hard Selling“

Storytelling-Experte Veit Etzold

Storytelling-Experte Veit Etzold Foto: Veit Etzold

In Teil 1 dieser Reihe haben wir gelernt, dass die ersten Storys von unseren Vorfahren am Lagerfeuer erzählt wurden. Diese Storys waren Best-Practices-Fälle des Überlebens; die Menschen haben sich dabei gegenseitig erzählt, wie sie in einer feindlichen Welt überleben können.

Das führte dazu, dass unser Gehirn Storys als wichtigste Informationsquelle ansieht – bis heute. Schließlich haben wir durch die Hinweise in Storys in einer feindlichen Welt überlebt. Und unser Gehirn hat sich – das haben Hirnforscher herausgefunden – seit rund 70.000 Jahren nicht verändert.

Rein ins Story-Geschehen

Gehen wir nicht 70.000, sondern nur 20.000 Jahre zurück in die Vergangenheit und hören uns eine dieser Geschichten von einem unserer Vorfahren an:

Ich, der Held der Geschichte, ging durch einen dunklen Wald. Ich wollte eines der Mammuts erlegen, die normalerweise jenseits der Lichtung in einer Herde grasen.

Das ist der Beginn der Geschichte. Die Situation.

Doch dann hörte ich plötzlich das Knurren des Säbelzahntigers hinter mir.

Das ist der Konflikt, der beginnende Spannungsbogen. Man könnte auch dramatisch sagen: Das Desaster. Und spätestens jetzt sind unsere 20.000 Jahre alten Vorfahren in ihren Höhlen eng zusammengerückt. Und wollten wissen: „Wie geht es weiter? Wie bist du da wieder herausgekommen?“

Doch dann fiel mir wieder diese große Lichtung ein, wo immer die Mammuts herumlaufen.

Der Held hat eine Idee. Etwas, was die Handlung ändert, was dafür sorgt, dass unser Steinzeitmensch nicht gefressen wird; wurde er ja auch nicht, sonst könnte er nicht die Geschichte erzählen. Das ist der Wendepunkt.

Und... Ich hatte Glück! Es gelang mir, den Tiger in die Mammutherde hinein zu locken. Er war weg. Und ich konnte sogar noch ein Mammut erlegen. Und wir hatten für vier Wochen genug zu essen in der Höhle!

Das ist das Happy End.

Abgesehen davon, dass unser steinzeitlicher Freund seinen Freunden und Verwandten eine unterhaltsame Zeit beschert hat – Fernsehen, Facebook und Dschungelcamp gab es ja damals noch nicht –, hat er ihnen auch eine optimale Herangehensweise an ein Problem mit auf den Weg gegeben. Heute würde man von einem Best Practice des Überlebens sprechen. Der nächste, der in dem Wald von einem Säbelzahntiger gejagt wird, kommt dann vielleicht auch sofort auf die Idee mit den Mammuts und rettet auf diese Weise sein eigenes Leben.

Kompetenz des Erzählers

Und wenn Sie ein Steinzeitmensch wären, der Ihnen in der Steinzeit eine solche Geschichte erzählt: Sie würden doch diesen Menschen auch gerne mit auf der Jagd dabei haben, oder nicht? Er hat sich durch diese Story als hilfreicher Gefährte in einer feindlichen Welt erwiesen, auf den man in Zukunft ungern verzichten würde.

Und seine „Absenderkompetenz“ für die Mammutjagd hat er nicht durch irgendwelche Bullet Points auf einem Lebenslauf präsentiert, sondern durch eine packende Geschichte mit dem Vierklang Situation, Desaster, Wendepunkt und Happy End.

Geändert hat sich daran bis heute nicht viel. Die Mammuts könnten die Rendite sein, die Säbelzahntiger die Volatilitäten an den Märkten und der Steinzeitmensch, der all diese Situationen meistert und dem man vertrauen kann, ist der perfekte Vermögensberater.

Auch die heutigen modernen Märchen funktionieren nach einem ähnlichen Schema. Der Held macht sich, zunächst widerwillig, auf den Weg, erlebt tausende von Gefahren, die er nur gerade so eben besteht und kommt schließlich sehr viel stärker und größer zurück in seine alte und bekannte Welt, als er es vorher war.

Die Steinzeitgeschichte mit den Mammuts und dem Säbelzahntiger ist nicht nur eine klassische Heldenreise, sondern auch eine typische Customer Journey. Erfolgreiche Unternehmen, die gutes Content-Marketing betreiben, stellen den Kunden in den Mittelpunkt und erzählen seine Geschichte.

Was ist die Situation des Kunden? Welche Bedürfnisse hat er und wo will er hin. Wieviel Geld hat er heute? Wieviel will er einmal haben? Steht Kapitalvermehrung oder Kapitalerhalt im Vordergrund? Was ist das Risikoprofil und warum ist es so, wie es ist? Und vor allem:  Was ist das Desaster? Wie und wie oft ist er mit anderen Anbietern schon auf die Nase gefallen? Was konnten ihm die zahlreichen Wettbewerber nicht bieten?