Stiftungen in der Niedrigzinsphase „Stiftungen und Risiko widersprechen sich nicht“

Verena Staats und Cordula Haase-Theobald (von links)

Verena Staats und Cordula Haase-Theobald (von links)

private banking magazin: Bei uns besteht der Eindruck, Stiftungen und Aktien, das passt nicht zueinander. Liegen wir falsch?

Cordula Haase-Theobald: So ganz falsch ist der Eindruck nicht. Im Tagesgeschäft beschäftigt uns Stiftungsberater vor allem die momentane Niedrigzinsphase. Mittlerweile sind auch bei der letzten Stiftung hoch verzinste Anleihen älteren Datums ausgelaufen. Das führt dann oft zum bösen Erwachen. Die Zeiten, in denen es einfach war, eine hohe Rendite zu erwirtschaften und kaum Risiko einzugehen, sind vorbei. Heutzutage müssen sich Stiftungen daher auch mit Aktien und anderen Anlageprodukten beschäftigen.

Verena Staats: Ausweg aus der Niedrigzinsfalle wären renditestärkere, aber auch riskantere Finanzprodukte. Als Beispiel wären Aktien zu nennen. Gehen die Stiftungen ins Risiko, stellt sich die Frage, ob sie gewährleisten können, dass das Stiftungsvermögen dauerhaft bestehen bleibt.

Das heißt, sie müssten ihre Anlagepolitik ändern?


Haase-Theobald: Wir versuchen unsere Stiftungskunden dafür zu sensibilisieren. In der Breite der Stiftungslandschaft habe ich den Eindruck, dass noch nicht alle die erforderlichen Konsequenzen ziehen. Aktuell führt das ins Dilemma. Die Inflation frisst die heutigen Anleiherenditen von unter 2 Prozent auf, bei realer Betrachtung verzehrt die Stiftung ihr Vermögen. Gleichzeitig muss sie aber ihr Stiftungskapital dauerhaft erhalten. Der einzige Ausweg ist, neue Wege bei der Vermögensanlage zu gehen.



Was hält die Stiftungsvorstände davon ab, höhere Aktienquoten für den Vermögenserhalt einzusetzen?

Staats: Dass sie für realisierte Verluste und den Fall der groben Fahrlässigkeit gegebenenfalls persönlich haften. Ein Gesetz hält sie nämlich nicht ab. Auch gibt es keine Maximalquoten für einzelne Finanzprodukte wie Aktien. Manche der Stiftungsbehörden kommunizieren aber, dass eine Stiftung mit einem Vermögen von unter einer Million Euro keine Aktien halten darf. Die Auffassung mögen sie haben, ein Gesetz dafür gibt es aber nicht.

Haase-Theobald: Stiftungen sollten in gewissem Umfang Risiken tragen können, weil sie sehr langfristige Kapitalanleger sind. Aktien, Private Equity und selbst risikoreichere Anlageformen sind kein grundsätzliches Problem. Die Praxis sieht aber anders aus. Zum einen wollen Stiftungsvorstände während ihrer Amtszeit nicht für Vermögensverluste verantwortlich gemacht werden. Zum anderen müssen Stiftungen ihr Vermögen jährlich bewerten. Dadurch verringert sich der eigentlich sehr lange Anlagehorizont oftmals in den kurz- bis mittelfristigen Bereich.

Üben diesbezüglich auch die Stiftungsaufsichtsbehörden Druck aus?

Staats: In den Stiftungsgesetzen der Bundesländer ist nur vorgegeben, dass das Stiftungsvermögen erhalten bleiben muss. Konkreter werden die Vorschriften aber nicht. Zudem gilt: Falls der Stiftungsgründer eine Immobilie oder ein Aktienpaket ins Stiftungsvermögen eingebracht hat und diese nach seinem Willen zwingend erhalten bleiben müssen, geht der Stifterwille vor.

Haase-Theobald:
Auch wir hören manchmal in Kundengesprächen von einer Aktienobergrenze oder der Pflicht zur mündelsicheren Anlage. Dies sind Fehlinformationen. Besorgt sind die Behörden von jeher bei schwankungsstärkeren Anlagen, die den Grundsatz des jederzeitigen Kapitalerhalts unterlaufen können. Viel wichtiger wäre, sich mit dem realen Kapitalerhalt auseinanderzusetzen.

Schreiben die Stiftungsgesetze diesbezüglich nichts vor?


Staats: Das ist eine der umstrittenen Fragen. Unser Verband vertritt den Standpunkt, dass das Ziel der reale Werterhalt des Stiftungsvermögens sein sollte. Die Landesstiftungsgesetze schweigen sich darüber aber aus. Alle Stiftungsbehörden bis auf die bayrische legen das momentan als nominalen Werterhalt aus. In Bayern ist es auch nicht im Gesetz, sondern in einer Erläuterung zum Gesetz.

Wie handhaben Wirtschaftsprüfer denn volatilere Finanzprodukte?

Haase-Theobald: Für Wirtschaftsprüfer ist die Bewertung von Anleihen am einfachsten. Sofern keine Bedenken an der Rückzahlung der Anleihe bestehen, wird sie zum Laufzeitende zurückgezahlt. Daher können Anleihen nur bis zum Nominalbetrag fallen. Nominelle Verluste sind daher die Seltenheit. Bei Aktien hingegen kann der Kurs zum Bewertungstag unter dem des Kaufzeitpunktes stehen und damit einen Abschreibungsbedarf auslösen. Zumeist findet sich hier eine Lösung mit dem Wirtschaftsprüfer. Wir haben auch gute Erfahrungen mit der Bildung von Umschichtungsrücklagen gemacht, die als eine Art Stoßdämpfer für schlechte Marktphasen genutzt werden können.

Außer bei den ganz großen Stiftungen besteht keine Testat-Pflicht. Warum unterwerfen sich viele Stiftungen dann der Prüfung?

Staats: Beim Testat spielt das Sicherheitsbedürfnis der Stiftungslenker eine große Rolle. Sie werden durch das Testat zwar nicht enthaftet, aber erhöhen damit die Selbstkontrolle. Fehler sollen dem Wirtschaftsprüfer auffallen.

Es könnte aber auch mal Ärger mit dem Wirtschaftsprüfer geben. Ist die Wahl des Wirtschaftsprüfers wichtig?

Haase-Theobald: Es ist ähnlich wie mit den Finanzbehörden. Eigentlich ist das deutsche Steuerrecht einheitlich geregelt. Dennoch achtet jedes Finanzamt auf bestimmte Punkte besonders, und diese sind von Amt zu Amt unterschiedlich. Ähnlich ist es bei Wirtschaftsprüfern. Sie sind zwar seit Längerem durch die IDW-Richtlinien ihres Verbandes an bestimmte Vorgaben und Bewertungsgrundsätze gebunden. Aber es gibt weiterhin Freiräume bei der Anwendung. Wir kennen daher Fälle, in denen eine Stiftung bewusst den Wirtschaftsprüfer gewechselt hat.

Wo würden Sie die Haase-Theobald-Stiftung gründen?

Haase-Theobald: In Köln natürlich. Was für eine Frage (lacht). Aber im Ernst. Für die nach Handlungsspielraum strebenden Stiftungen sind weniger die Wirtschaftsprüfer, sondern die Aufsichtsbehörden entscheidend. Da gibt es dann schon Unterschiede bei den Bundesländern.

Staats: Im Juni dieses Jahres veröffentlicht der Bundesverband Deutscher Stiftungen im Stiftungsreport eine Studie zur Zufriedenheit der Stiftungen mit ihren Aufsichtsbehörden. Die wird zeigen, in welchen Bundesländern die Aufsichtsbehörden gute Arbeit leisten. 


Zu den Personen:

Cordula Haase-Theobald ist seit 2008 Geschäftsführerin der Oppenheim Vermögenstreuhand und verantwortet die Betreuung vermögender Privatpersonen und institutioneller Anleger, insbesondere Stiftungen. Zuvor war sie als Leiterin Philanthropical Wealth bei der Deutschen Bank tätig 

Verena Staats arbeitet seit 2009 als Justiziarin beim Bundesverband Deutscher Stiftungen (BVDS). Sie berät potenzielle Stifter in Fragen der Stiftungsgründung sowie die Mitgliedsstiftungen des BVDS in stiftungs- und stiftungssteuerrechtlichen Belangen 

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