Spiel mit der Währungsabwertung „USA machen kein Nullsummenspiel, sondern ein Negativsummenspiel“

Norbert F. Tofall ist Senior Research Analyst bei der Denkfabrik der Vermögensverwaltung Flossbach von Storch

Norbert F. Tofall ist Senior Research Analyst bei der Denkfabrik der Vermögensverwaltung Flossbach von Storch

Die vielen unterschiedlichen Presseverlautbarungen der vergangenen Wochen über eine mögliche Zinswende in den USA lassen nur einen Schluss zu: Die US-Notenbank Fed ist keine Quelle der wirtschaftlichen Stabilität und Sicherheit. Im Gegenteil, sie ist ein Instrument des monetären Nationalismus im Sinne von Friedrich August von Hayek.

Die Fed verfolgt nationale Interessen und agiert nach konjunktureller Lage, um gemäß ihres Auftrags Vollbeschäftigung und Preisstabilität zu sichern. In der Praxis ist sie dabei oft von den Sonderinteressen von Big Government und Big Business beeinflusst. Diese Art des Kapitalismus hat weder etwas mit dem moralischen Laissez-faire-Kapitalismus im Sinne von Ayn Rand noch mit sozialer Marktwirtschaft nach Ludwig Erhard zu tun.

Inwiefern die als unkonventionelle Antwort auf die Finanzkrise von 2007/2008 bezeichneten Maßnahmen der Fed geholfen haben, die Konjunktur in den USA wieder an Gang zu bringen, und dass diese Maßnahmen die Bereinigung der Krise gerade dadurch in die Zukunft verschoben und auf ein höheres Niveau gehoben haben, muss an dieser Stelle nicht vertieft werden. Friedrich August von Hayek sprach von „Brot für heute und Hunger für morgen“, worauf John Maynard Keynes bekanntlich antwortete „In the long run we are all dead“, was man auch als das „Après nous le déluge“ der Marquise de Pompadour bezeichnen kann.

Des Pudels wahrer Kern

Viel zu wenig wurde in den vergangenen Wochen jedoch darauf hingewiesen, dass die Fed mit ihrer expansiven Geldpolitik und dem Ankauf von Anleihen als erste eine Politik der Währungsabwertung betrieben hat und die USA deshalb auch als erste konjunkturelle Effekte zu verzeichnen hatten. Begünstigt wurde die konjunkturelle Lage durch innovative Entwicklungen im US-Energiesektor.

Im Grunde sind staatliche Währungsabwertungen lediglich andere Formen von Protektionismus und ein Rückfall in merkantilistisches Denken. Seit Adam Smith und David Ricardo wissen wir jedoch, dass protektionistische Maßnahmen auch dem Land schaden, das zu ihnen greift. Der derzeitige Abwertungswettlauf ist aus diesem Grund volkswirtschaftlich nicht einmal ein Nullsummenspiel, sondern ein Negativsummenspiel.

Diese Erkenntnisse sind alles andere als neu. Sie spielten in den Debatten der 70er Jahre, die zur Gründung des Europäischen Währungssystems EWS (1979 bis 1998) und dann zur Europäischen Währungsunion EWU (seit 1999) führten, eine gewisse Rolle.

Einige Befürworter einer einheitlichen europäischen Währung wollten die für alle negativen Wirkungen von Abwertungswettläufen und den monetären Nationalismus überwinden und durch eine einheitliche Währung, die durch geeignete Regelsetzung wie ein Goldstandard wirken kann, einen Anpassungsdruck zum Strukturwandel in traditionell wachstumsschwachen Ländern erzeugen.

Andere, die klarer und realistischer auf politische Entscheidungsprozesse und Institutionen sahen, wollten zuvörderst den Stabilitätsanker Deutsche Mark brechen, um Abwertungswettläufe wieder zu erleichtern – allerdings auf einer höheren Ebene und mit dem zusätzlichen Sog zu einer europäischen Transferunion. Ihnen war es ein Dorn im Auge, dass Abwertungswettläufe aufgrund der Stabilitätspolitik der Deutschen Bundesbank und der harten Deutschen Mark behindert wurden.

Finger weg von der Geldmanipulation

Friedrich August von Hayek wollte weder das eine noch das andere. Aber natürlich wollte auch er monetären Nationalismus überwinden. Deshalb forderte er erstmals 1975 eine Entnationalisierung des Geldes durch Abschaffung des staatlichen Geldmonopols, um den manipulierenden Einfluss des Staates auf das Geldwesen sowohl auf nationaler als auch auf übernationaler Ebene zu begrenzen.

In seiner Rede „International Money“ am 25. September 1975 in Lausanne führte er aus:

I do not believe we can now remedy this position by constructing some new international monetary order, whether a new international monetary authority or institution, or even an international agreement to adopt a particular mechanism or system of policy, such as the classical gold standard. I am fairly convinced that any attempt now to reinstate the gold standard by international agreement would break down within a short time and merely discredit the ideal of an international gold standard for even longer.

Und leider hat Hayek Recht behalten. Der Euro, der durch strikte Stabilitätsregeln künstlich wie ein Goldstandard wirken sollte, ist seit dem Frühjahr 2010 Geschichte. Am Wochenende vom 7. bis 9. Mai 2010 wurde de facto ein anderer Euro eingeführt und eine neue europäische Wirtschaftsverfassung auf den Weg gebracht. Doch betrachten wir, was Hayek 1975 vorschlug:

But why should we not let people choose freely what money they want to use? By “people” I mean the individuals who ought to have the right to decide whether they want to buy or sell for francs, pounds, dollars, D-marks, or ounces of gold…

At this moment it seems that the best thing we could wish governments to do is for, say, all the members of the European Economic Community, or, better still, all the governments of the Atlantic Community, to bind themselves mutually not to place any restrictions on the free use within their territories of one another’s – or any other – currencies, including their purchase and sale at any price the parties decide upon, or on their use as accounting units in which to keep books. This, and not a Utopian European Monetary Unit, seems to me now both the practicable and the desirable arrangement to aim at…

There could be no more effective check against the abuse of money by the government than if people were free to refuse any money they distrusted and to prefer money in which they had confidence. Nor could there be a stronger inducement to governments to ensure the stability of their money than the knowledge that, so long as they kept the supply below the demand for it, that demand would tend to grow. Therefore, let us deprive governments (or their monetary authorities) of all power to protect their money against competition: If they can no longer conceal that their money is becoming bad, they will have to restrict the issue.

Gegen diese Disziplinierung des Staates qua privater Geldkonsumenten-Souveränität mag auf den ersten Blick eingewendet werden, dass Big Government und Big Business doch zur Zeit gerade ein Interesse zur Währungsabwertung haben. Daraus ergebe sich ja der Abwertungswettlauf.

Zu bedenken ist jedoch, dass monetärer Nationalismus und Abwertungswettläufe nur im heutigen staatlichen Geldmonopol, also bei Annahmezwang der staatlichen Währung, für Big Government und Big Business Sinn ergeben. Nur bei Geltung und Durchsetzung des Annahmezwangs des gesetzlichen Zahlungsmittels müssen die Individuen die staatlich verschlechterten Währungen benutzen und werden ihnen private Alternativen verwehrt.

Dieser Annahmezwang reicht in Deutschland von Regeln für die Auszahlung von Löhnen und Gehältern im gesetzlichen Zahlungsmittel bis zur Möglichkeit, nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch erlaubte Tauschgeschäfte, zum Beispiel Waren gegen Gold, zu verbieten, wenn dies die Währungsstabilität des gesetzlichen Zahlungsmittels gebietet. Und wenn man ein Verbot von Bitcoins durchsetzen könnte, wären Bitcoins schon längst verboten.

Besteht kein Annahmezwang des staatlichen Geldes und besteht Geldkonsumentenfreiheit, beliebige staatliche und private Währungen zu wählen, dann laufen Abwertungswettläufe ins Leere, weil die Individuen diese Währungen vermeiden werden.

Niemand lässt sich sein Geld entwerten und Importwaren künstlich verteuern, wenn er die unbeschränkte Möglichkeit hat, die Kaufkraft von Einkommen und Vermögen durch Nutzung einer anderen staatlichen oder privaten Währung zu erhalten.

Und niemand müsste mehr die Zinsentscheidungen der Fed fürchten oder die Pressekonferenzen von EZB-Präsident Mario Draghi. Wenn die sich wieder mal wie monetäre Nationalisten verhalten, wandern wir monetär per Mausklick einfach ab und sagen mit Friedrich August III. von Sachsen: „Nu, da machd doch eiern Drägg alleene!“

>>Zur weiteren Analysen des Flossbach von Storch Research Institutes geht es hier


Über den Autor:
Norbert F. Tofall arbeitet seit 2014 als Senior Research Analyst für das Flossbach von Storch Research Institute in Köln. Von 2004 bis 2011 war er Lehrbeauftragter der Europa-Universität Viadrina Frankfurt/Oder im Studiengang „Master im Internationalen Management” in Minsk (Belarus) und hat von 2008 bis 2013 als wissenschaftlicher Mitarbeiter für den FDP-Bundestagsabgeordneten Frank Schäffler gearbeitet.

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