Kommentar von Markus Schuller Griechenland sollte Auslöser für Reformen sein

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Glaubwürdigkeit

Wie wollen wir eine Eurozonen/Kerneuropa-weite Regelgebundenheit etablieren? Anders gefragt: Wie können wir die Glaubwürdigkeit der handelnden Repräsentanten der Mitgliedsländer erhöhen?

Im Fall Griechenlands argumentiert Syriza, dass Vorgänger-Regierungen, weil sie Teil des alten Systems waren, vieles versprachen, von dem sie wussten, dass es nicht umgesetzt werden wird. Syriza will nun nur eine Vereinbarung eingehen, deren Abmachungen sie halten kann – sagen sie. Soll man ihnen nun eine Chance geben? Soll man Frankreich und Deutschland glauben, europäische Vereinbarungen zu respektieren, nachdem sie unter Schröder den Stabilitätspakt ignorierten? War die neue Chance verdient?

Soll man Merkel noch eine Chance geben, obwohl sie im BND/NSA Skandal gelogen hat? Soll man Bulgarien und Rumänien noch in der EU halten, obwohl nachweislich signifikante Teile der EU-Förderungen in dunklen Kanälen versickerten? Mein Punkt ist: solange wir nationale Partikularinteressen vor europäisches Gesamtinteresse stellen, ist der nationale Politiker versucht, Abkürzungen zu nehmen. Deshalb lässt sich das „Regeln halten“-Thema zwar mit Griechenland gut veranschaulichen, aber nicht lösen.

Glaubwürdigkeit zurückgewinnen macht Sinn – für beide Seiten. Ich hörte noch kein mea culpa von Regierungsvertretern der Eurozone, dass die verabreichte Medizin in Griechenland fatal wirkte – viel rascher und stärker als in den anderen Ländern. IWF und OECD hingegen gestanden sich ein, Multiplikator-Effekte überschätzt zu haben und ein zunehmendes Sparen des öffentlichen Sektors bei sich vertiefender Rezession kein probates Mittel war. Eine kluge Zusammenfassung über falsche Krisenpolitik wurde vor wenigen Tagen von Nobelpreisträger Amartya Sen publiziert („The economic consequences of austerity“).

Schlüsselreiz zur Institutionenreform

Unabhängig vom Ausgang der Verhandlungen mit Griechenland gilt: Wenn die Botschaft der restlichen  europäischen Staaten oder der Eurozone nur auf die Griechen ausgerichtet bleibt, ist der Lerneffekt für die anderen gering, weil sie nur implizit und daher indirekt verpackt ist. Deshalb soll die finale Grenzziehung im Entgegenkommen gegenüber Griechenland zugleich einen Schlüsselreiz auslösen, der alle anderen in Zukunft direkt und explizit bindet. Griechenland soll als Auslöser für eine demokratisch legitimierte Institutionenreform in Richtung Kerneuropa wirken.

Gerne erläutere ich im Detail, welche Maßnahmen wir von Panthera Solutions bereits 2010 und den folgenden Jahren anregten, deren große Teile auch heute noch Relevanz haben. Das konkrete Term Sheet einer Griechenland-spezifischen Lösung ist aber ohne den Trigger-Effekt nur von sekundärer Relevanz. Griechenland würde sich vergleichbar gut als Trigger anbieten, wie die Finanz(system)krise Auslöser der Bankenunion (SSM, SRM, EFSF, ESM) war. Der Trigger sollte zum Beispiel ein geordnetes Insolvenzverfahren für Staaten, wie es Paulus und Fuest in Deutschland bereits vorschlugen, beinhalten.

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Über den Autor:
Markus Schuller ist Gründer von Panthera Solutions, eine Beratungsfirma für strategische Asset Allocation im Fürstentum Monaco. Zuvor war er über zehn Jahre lang als Asset Manager und Produktentwickler bei Banken und Asset Managern tätig. Er kommentiert für diverse Qualitätsmedien den Markt und referiert regelmäßig auf Konferenzen zum Thema Asset Allocation.

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