Kommentar von Markus Schuller Griechenland sollte Auslöser für Reformen sein

Markus Schuller, Gründer von Panthera Solutions

Markus Schuller, Gründer von Panthera Solutions

Trotz allseits seit Monaten verkündetem Willen zur Lösung bringt einzig die zugespitzte Solvenzlage beide Seiten einem Abschluss näher. Wie kürzlich auf Twitter kommentiert: die Griechen spielen ihre schlechten Karten gut aus. Wie gut, zeigt abermals Finanzminister Varoufakis in einem Project Syndicate Beitrag vom vergangenen Wochenende („Speech of Hope“). Sie kontrollieren das Narrativ der Verhandlungen. Auch, weil sie in der Kontextbeschreibung darüber wie die ökonomische Situation zu interpretieren ist, die Empirie nach sieben Jahren Krisenpolitik auf ihrer Seite haben. (Exkurs: Wer mehr über spieltheoretische Anreizsysteme in Volkswirtschaften lesen will, dem empfehle ich die Publikationen von Stephan Schulmeister.)

Griechenlands Eigenverantwortung

To be clear: zu einer sich dynamisch ausweitenden volkswirtschaftlichen Fehlentwicklung wie in Griechenland nach Beitritt zur Währungsunion gesehen, tragen mehrere Stakeholder bei. Primär verantwortlich bleibt Griechenland selbst. Auch wenn einem billige Kredite von deutschen, französischen und anderen Banken angeboten werden, man muss sie nicht annehmen. Selbst wenn die europäische Rüstungsindustrie gerne Waffensysteme nach Griechenland liefert, um einen überbewerteten Regionalkonflikt weiter zu befeuern. Man muss den Kaufvertrag nicht unterschreiben.

Also nochmals, Griechenland ist nicht nur, aber primär für seine Vorkrisen-Entscheidungen und seine dementsprechende Krisenanfälligkeit 2008/09 verantwortlich. Hier sind bewusst alle Griechen und nicht nur die dynastisch-plutokratischen Eliten angesprochen. Stille, über Jahrzehnte anhaltende Duldung der Verhältnisse macht die gesamte Bevölkerung mitverantwortlich.

Kann ein aus der vorangegangenen Übertreibung führender, volkswirtschaftlicher Anpassungsprozess ohne Schmerzen funktionieren? Nein. Die Dosis ist aber durchaus steuerbar. In Griechenland führten die umgesetzten Maßnahmen der letzten 5 Jahre zu Schmerzen, die in systembedingten, massiven humanitären Notfällen endeten. Fast ein Drittel der Bevölkerung ist ohne Krankenversicherung. Hier beginnt die Vergleichbarkeit mit Rumänien, Portugal, Irland  und anderen zu enden.

Problem: Die bereits erlittenen massiven Schmerzen führten noch zu keinem System- und Kulturwandel in Griechenland, weil Vorgängerregierungen „low hanging fruits“ wie Massensteuern ernteten und an eben diesem fundamentaleren Wandel nicht interessiert waren, weil sie als alte Garde davon profitierten. Wie wenig sich die Vorgängerregierungen in Griechenland an die Abmachungen hielten, zeigt ein kürzlich erschienener Lokalaugenschein in der FAZ.

Die nun von der Troika erwarteten Einschnitte wie neue Frühpensionsregelung sind im Vergleich zu den bereits geleisteten Veränderungen in diesen Bevölkerungsschichten relativ klein. Es geht hier den Geldgebern auch um Symbolpolitik, um ein Exempel punkto „Regeln respektieren“ zu statuieren. Hier scheint Syriza nun ebenso „ums Prinzip“ zu kämpfen. in seinem Narrativ richtig zu liegen und zugleich seine Insolvenz abzuwenden.

Eurozone als Kerneuropa

Vor fünf Jahren war die Frage nach Kerneuropa - „ja“ oder “nein“ - nur am Rande geführt worden. Heute wird sie von gewichtigen Akteuren in Kontinentaleuropa getragen und von einem populistischen Großbritannien provoziert. Die Konzepte zur Ausgestaltung eines Kerneuropas werden dementsprechend konkreter, weil in der Zwischenzeit die EU sich weiter integrierte (Bankenunion, ESM, CMA) und die Notwendigkeit einer status-quo Veränderung noch offensichtlicher vorliegt. Beispiel hierzu ist das letzte Woche präsentierte Konzept von den Ministern Sigmar Gabriel (GER) und Emmanuel Macron (FRA) mit guten ersten Schritten in die Verwirklichung eines vorangehenden Kerneuropas.

Doch lebt ein sich weiter integrierendes Kerneuropa umso mehr davon, ob sich dessen nationalstaatlich organisierte Mitglieder auch an die selbstbestimmten Regeln halten.