Die Rückkehr des US-Konsumenten Janet Yellen verlässt sich auf altbewährte Konsumfreude – zu Recht?

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Was spricht gegen einen nachhaltigen Turnaround des US-Konsumenten?

Meine Zweifel lassen sich in drei Bereiche aufteilen:

• Struktur  des  Arbeitsmarktes 

• Inequality 

• Automatisierung 

#1 Struktur des Arbeitsmarktes

Oftmals wird der rasche Rückgang der Arbeitslosenrate als stark positives Signal interpretiert. Doch je mehr wir uns der von Ben Bernanke ausgegebenen Zielmarke von 6,5 Prozent nähern, ab der er ein Ende des (wirkungslosen) QE3 und der niedrigen Zinsen in Aussicht stellte, desto weniger Wert legt die Fed auf diese Kennzahl. Mit den Worten von Janet Yellen während ihrer Anhörung am Capitol Hill formuliert:

„We shouldn't focus only on the unemployment rate.“

Stattdessen rät sie, Langzeitarbeitslose als Ausgangspunkt zu verwenden. Gesagt, getan.

Abbildungen VIII und IX visualisieren den Verlauf der U6 Rate. Sie umfasst alle Arbeitslosen + Teilzeit obwohl Vollzeit gewollt + Marginally Attached Workers. Diese letzte Gruppe sehen wir uns genauer an. Sie beschreibt jene, die derzeiz nicht Teil des Pools an Erwerbstätigen sind, Vollzeit arbeiten wollen und sich innerhalb der letzten 12 Monate aktiv um einen Job bewarben. Sie fallen aber aus der Arbeitslosenstatistik heraus, weil sie dies nicht in den letzten 4 Wochen taten. Absurde deeinition? Indeed. Man kann es auch kosmetische Pflege der Arbeitslosenstatistik  nennen.


Abbildung VIII


Abbildung IX

Wie gezeigt, toppte U6 im Jahr 2010 bei fast 17.5 Prozent. Derzeit nähern wir uns der 12.5 Prozent Marke. Ein für die USA immer noch hoher Wert, historisch betrachtet. Zusammengefasst, die Zahl an Unbeschäftigten, Unterbeschäftigten und Entmutigten ist problematisch hoch.

Zudem setzt sich, anders als in vorangegangenen Rezessionen, eine relativ hohe Langzeitarbeitslosigkeit fest (Abbildung X). Ein Drittel der Arbeitslosen ist also sieben Wochen oder länger ohne Beschäftigung.


Abbildung X

Republikaner im Senat tragen ihr Übriges dazu bei, Langzeitarbeitslose zu entmutigen. Sie lehnten seit Anfang Jänner bereits dreimal eine Verlängerung der „Jobless Aid Bill“ ab, mittels jener 1.7 Millionen Langzeitarbeitslosen statt nur 26 Wochen eine Arbeitslosenunterstützung von bis zu 47 Wochen ermöglicht werden würde. Nächstenliebe at work.

Ein weiterer struktureller Negativ-Faktor am US-Arbeitsmarkt stellt die weiter sinkende Labor-Force-Participation-Rate dar - also die Zahl an Menschen im arbeitsfähigen Alter zwischen 16-¬‐64 Jahren, die tatsächlich arbeiten oder aktiv nach Arbeit suchen.

Diese fiel seit Ausbruch der Great Recession um ganze 3 Prozent auf 63 Prozent (Abbildung XI), blieb also von der sinkenden Arbeitslosenrate unbeeindruckt. Für Janet Yellen und einem Consensus an Ökonomen ist die Begründung in der steigenden Zahl an Entmutigten zu finden.


Abbildung XI

Ein letzter Aspekt einer strukturellen Schwäche des in Abbildung XII zu sehen. Die Great Recession ließ die Zahl an Teilzeit-Erwerbstätigen signifikant steigen. Diese blieb weitgehend unberührt von der sinkenden Arbeitslosenrate.


Abbildung XII

Gerne wird bei dieser Statistik auf die Nebenwirkungen des Affordable Care Act (aka Obamacare) verwiesen, bei dem der Arbeitgeber ab einer Anstellungshöhe von 30 Wochenstunden oder mehr, für die Krankenversicherung sorgen muss (30+ Stunden werden unter ACA als Vollzeit gewertet).

Dadurch wäre der Arbeitgeber dazu verleitet, Menschen nur noch als Teilzeitkräfte anzustellen. Problem bei dieser Interpretation: der Teilzeit-Anstieg geschah zirka drei Jahre vor Inkrafttreten des ACA.

#2 Inequality

In seiner State-of-the-Union Rede Ende Jänner verdeutlichte Präsident Obama seine Kehrtwende beim Thema Inequality und rief für 2014 das „year of action“ aus. Er begann damit, dass er per Dekret für externe Leistungserbringer von öffentlichen Institutionen einen Mindestlohn von 10,10 US-Dollar (bisher 7,25 US-Dollar) einführte.

Auch ermöglicht er via dem neu eingeführten „MyRA“ Pensionskonto jedem einzelnen eine staatlich abgesicherte Ansparform als Pensionsvorsorge, um die lückenhaft verbreitete 401(k)-Variante auszugleichen. Auch lobbyiert er in Washington für eine generelle Anhebung des Mindestlohns auf 10,10 US-Dollar.

Der letztwöchige CBO-Report zum Thema erläutert die positiven Effekte dieser Maßnahme punkto Armutsbekämpfung und Kaufkraftstärkung, weist aber auch auf den möglichen Verlust von 500.000+ Stellen nach Einführung hin.

In short, weshalb nimmt sich der US-Präsident dem Inequality-Thema  an?

Der US-Konsum lebte von einer stabilen Mittelschicht, die für Binnennachfrage sorgte.

Doch diese Mittelschicht bröckelt. Abbildung XIII verdeutlicht, dass die Top 1 Prozent der Vorsteuer-Einkommensbezieher seit Anfang der 1980er von Deregulierung und Globalisierung überproportional profitierten.


Abbildung XIII

Nun könnte man dies durch ein Steuersystem ausgleichen. Doch wie in Abbildung XIV ausgewiesen, greift das US-Steuersystem vergleichsweise moderat in die ungleiche Einkommensverteilung ein. Das  ernüchternde Ergebnis sehen wir in Abbildung XV visualisiert. Alle, die nicht zum Top Quintile (Top 20 Prozent) gehören, verlieren an Boden. QED, die Mittelschicht bröckelt.


Abbildung XIV


Abbildung XV

Zu pessimistisch? Abbildung XVI verdeutlicht die dramatische Situation. Seit Ende der 1990er Jahre fällt das reale Median-Haushaltseinkommen, das heißt die Kaufkraft von zumindest der Hälfte aller Haushalte nimmt kontinuierlich ab.


Abbildung XVI

Im Jänner veröffentlichte das Pew Research Center eine Umfrage, in der sie die Zugehörigkeit zu upper, middle  und lower class abfragte. Selbst Ende 2008 fühlten sich noch 53 Prozent der Mittelschicht zugehörig. Binnen fünf Jahren fiel dieser Wert auf 44 Prozent. 40 Prozent sehen sich als Teil der lower class.

Ist der Konsument denn nicht ausreichend entschuldet, um zumindest kurzfristig wieder kreditbasiertes Wachstum stimulieren zu können? Tatsächlich nehmen Konsumentenkredite seit Anfang 2011 wieder zu. Doch dafür zeichnet sich eine Konsumentengruppe verantwortlich, von deren Zukunft das Wohl einer Gesellschaft stark abhängt: StudentInnen.

Folgt man Abbildung XVII wird deutlich, dass ex-StudentInnen das Konsumentenkreditvolumen noch nichtmals Vorkrisenniveau erreichte. Während die Delinquency Rates insgesamt rückläufig sind (Abbildung III), steigen sie bei Studentenkrediten seit 2011 sprunghaft an.


Abbildung XVII

Sollte man also meinen, zumindest mit StudentInnen verschafft sich eine Volkswirtschaft Nachschub für die Mittelschicht, so startet diese in den USA mit einem immer schwerer werdenden Schulden-Rucksack aus Studientagen.