Jamie Hammond im Interview „Kaum ein Anleger investiert Geld, ohne mit einem Menschen zu sprechen“

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Sind die USA und Großbritannien ein Vorbild für Europa in Sachen personalisierter Digitalisierung? Oder muss auch AB hier noch nachlegen?

Hammond: Die gesamte Industrie hat noch viel zu verbessern, nicht nur wir bei AB. Andere Wirtschaftszweige waren sicherlich schneller, was digitale Entwicklung betrifft. Ich kann jetzt zum Beispiel online bei Nike meinen eigenen Schuh designen, wenn mir die Farbe im Laden nicht gefällt. Als Asset Manager stellen wir uns natürlich die Frage, wie wir im Informationszeitalter, in dem Transparenz immer wichtiger wird, schneller am Markt sein können. Und wie können wir unseren Service auf die unterschiedlichen Bedürfnisse unserer Kunden zuschneidern? Kaum ein Anleger gleicht dem nächsten, also brauchen wir ein auf den Einzelkunden zugeschnittenes Dienstleistungsmodell. Hierbei kann uns digitale Technologie definitiv helfen.

Sie haben Nike bereits erwähnt – welcher Industriesektor ist aus Dienstleistungsperspektive das Vorbild für zukünftige Asset Manager? Vielleicht Amazon plus persönlicher Kontakt?

Hammond: Ja, nicht nur Asset Manager können viel von Amazon lernen. Durch Data-Mining wissen sie viel über ihre Kunden, deren Kaufverhalten und künftige Bedürfnisse. Amazon ist ein sehr gutes Beispiel für Kundenverständnis. Dieses Modell zu 100 Prozent zu übernehmen, würde nicht funktionieren. Aber wir können uns Komponenten raussuchen, die übertragbar sind.

In Europa finden sich viele verschiedene Anlage-Kulturen. Wie gehen Sie damit um?

Hammond: Für mich zählt es, die Dynamik in jedem Land zu verstehen. Es geht uns nicht darum, ein und dasselbe Produkt über den gesamten Kontinent verkaufen zu wollen, sondern wir schauen uns jedes Land einzeln an und reden mit unseren Leuten vor Ort. So wollen wir Produkte anbieten, die genau auf die Bedürfnisse des jeweiligen Marktes abgestimmt sind.

Thema Brexit. Was hat sich aus ihrer Sicht in den letzten sechs Monaten verändert? Vor einem halben Jahr schien ein Ausstieg noch unmöglich, aber jetzt?

Hammond: Wenn man sich die Umfragen anschaut, die fast jede Woche neu veröffentlicht werden, scheint es in der Tat ein enges Rennen zu sein. Die Gegner des Ausstiegs halten sich bei knapp über 50 Prozent, aber ich glaube es gibt noch eine große Zahl an unentschiedenen Briten. Deswegen wird es bis zur Abstimmung wirklich spannend bleiben.

Haben Sie Angst vor dem Brexit?

Hammond: Spannende Frage…Ich glaube, Angst ist nicht das richtige Wort. Aber falls die Briten für einen Austritt stimmen, würde das starke Auswirkungen auf alle Wirtschaftszweige, nicht nur die Finanzindustrie haben. Welches Ausmaß ein Austritt haben wird, ist jedoch nicht vorherzusehen.

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