Jamie Hammond im Interview „Kaum ein Anleger investiert Geld, ohne mit einem Menschen zu sprechen“

Jamie Hammond, Europa-Chef bei AB: „Es geht heute nicht mehr nur um die Streuung.“

Jamie Hammond, Europa-Chef bei AB: „Es geht heute nicht mehr nur um die Streuung.“ Foto: Kevin Ng

private banking magazin: Sie kennen den Vertrieb an Kleinanleger und IFA Pools, über Privatbanken bis hin zu institutionellen Investoren aus dem Eff-eff. Welche Trends können Sie aktuell für diese Bereiche ausmachen?

Jamie Hammond: In den Jahren nach der Finanzkrise haben wir auf allen Kanälen ein gestiegenes Interesse an rendite- und ausschüttungsorientierten Strategien sowie schwankungsarmen Produkten gesehen. Vor allem im institutionellen und semi-institutionellen Bereich werden Produkte gesucht, die im Niedrigzinsumfeld noch Rendite erwirtschaften können. Hinzu kommt eine zunehmende Nutzung von passiven Strategien und alternativen Investments, vor allem im Immobilien- und Infrastruktursektor.

Und Kleinanleger und deren Berater?

Hammond: Im Segment der Privatanleger hat sich die Nachfrage nach Multi-Asset-Produkten in den letzten Jahren vervielfacht. Ebenso sehen wir ein zunehmendes Angebot an Liquid Alternatives. Es ist erst drei bis vier Jahre her, da konnte man die Firmen, die regulierte Hedgefonds-Strategien angeboten haben, noch an einer Hand abzählen. In den letzten Jahren sind mehr und mehr Anbieter in diesen Bereich vorgedrungen, um die Nachfrage an gefächerten, wenig korrelierenden Anlagen zu bedienen.

Sie kommen aus Großbritannien. Würden Sie auch sagen, dass britische und amerikanische Anleger Aktien mehr zugetan sind als die Deutschen?

Hammond: Auf jeden Fall.

Nun werden aber viele dieser deutschen Anleger auf der Suche nach Rendite zu Aktien gedrängt, obwohl sie vor zehn Jahren noch einen großen Bogen darum gemacht haben. Was halten Sie davon?

Hammond: Wenn ich mir Zentraleuropa, und besonders Deutschland, ansehe, fällt tatsächlich eine größere Nachfrage nach Aktien auf – weil die Anleger dort selbstverständlich die größeren Renditechancen sehen. Noch stärker fällt allerdings die bereits erwähnte steigende Nachfrage nach Multi-Asset-Produkten ins Auge. Denn durch die Finanzkrise und die Volatilität der letzten Zeit hat sich der Fokus der meisten Anleger zunehmend auf ein breites Portfolio gelegt.

Dieser Fokus auf Streuung ist jedoch nicht neu. Zumindest in Deutschland dürften Sie keinen Anleger finden, der in den letzten 20 Jahren nur Aktien oder nur Anleihen besessen hat. Ist Multi Asset nun einfach eine professionalisierte Lösung für Anleger, die nicht wissen, wie genau Sie sich momentan positionieren sollen?

Hammond: Ja, zu einem gewissen Grad. Doch man muss sich die Produktklasse auch genauer ansehen. Multi-Asset-Produkte gibt es schon sehr lange, also Fonds die verschiedene Anlageklassen enthalten…

Warren Buffett macht es seit 60 Jahren so…

Hammond: Genau. Jedoch geht es heute nicht mehr nur um die Streuung der Anlage. Der Anleger möchte auch eine gute Rendite.

Es geht Anlegern bei Multi Asset aber doch nicht nur um Rendite, sondern auch darum, das Risiko gering zu halten.

Hammond: Natürlich, es geht darum, Erwartungen zu erfüllen. Diese Erwartung kann eine bestimmte Rendite sein, oder auch Kapitalerhalt – oder auch eine Kombination aus beidem. Und wenn wir uns zurzeit den Multi-Asset-Sektor angucken, dann finden wir dort eine breite Palette verschiedener Produkte, die auf die verschiedenen Anlegerprofile zugeschnitten sind.

Sie haben eingangs bereits ETFs und passive Strategien erwähnt. Halten Sie die Indextracker für eine Chance oder ein Problem für Fondsmanager, die eigenen Strategien folgen?

Hammond: Beides. Für einen Fondsmanager im Multi-Asset-Bereich kann ein passives Produkt eine gute Hilfe sein, um dem Anleger die versprochene Rendite zu liefern. Ich glaube, im Aufbau eines Portfolios ist Platz für beides – aktive und passive Produkte. Fondsmanager sind nun allerdings in der Pflicht, die Wirksamkeit ihres Anlageansatzes zu beweisen, und zu zeigen, warum der Kunde eine höhere Gebühr dafür bezahlt.

Kann man sagen, dass wir inzwischen auf der einen Seite die einfachen Indextracker und auf der anderen Seite sehr spezialisierte Fondsmanager mit eigenen Anlagestrategien haben, und alles dazwischen verdrängt wurde? Oder sehen Sie noch eine Zukunft für die sogenannten „Benchmark-Hugger“?

Hammond: Für die sehe ich keine rosige Zukunft, nein. Denn wer nah an der Benchmark bleibt und die gängige Gebühr eines aktiven Fonds verlangt, der wird sich nicht nur vor Anlegern, sondern im schlimmsten Fall auch vor Regulierungsbehörden rechtfertigen müssen.

Nach drei Monaten im neuen Job, können Sie sagen, was die Schlüssel-DNA von AB ist?

Hammond: Was mich zu AB gezogen hat, war die Möglichkeit, mit so einer breiten, vielfältigen Produktpalette und einem forschungsorientierten Investmentansatz zu arbeiten. Nun möchte ich das Profil weiter schärfen und AB vor allem auch unter Kleinanlegern und Pool-Beratern, aber auch bei Privatbanken, bekannter machen.

Wo sehen Sie ihre größten Herausforderungen über die nächsten Jahre mit AB?

Hammond: Als erstes möchte ich die Markenwahrnehmung dem anpassen, wofür AB tatsächlich steht. Denn die Wahrnehmung ist momentan viel enger, als die Vielfalt, die wir eigentlich bieten. Als zweites möchte ich mich dem Dienstleistungsmodell widmen: Wie können wir so effizient arbeiten, dass wir die stetig steigenden Ansprüche unserer Kunden erfüllen? Dort liegt das Unterscheidungsmerkmal zu anderen Anbietern.

Wie wollen Sie das erreichen?

Hammond: Meine Strategie ist es, Technologie mit einer menschlichen Komponente in Einklang zu bringen und somit ein starkes Servicemodell aufzubauen. Denn was ich aus unzähligen Gesprächen mit Kollegen aus der Robo-Advice-Branche mitgenommen habe: Kaum ein Anleger investiert Geld, bevor er nicht mit einem Menschen gesprochen hat.