Factor Investing Was wirklich die Performance treibt

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Unter den Annahmen einer unendlichen Wachstumsrate von 6 Prozent, Kapitalkosten von 9 Prozent und einer für Qualitätsunternehmen typischen überdurchschnittlichen Kapitalrendite von 20 Prozent ergibt sich ein vermeintlich faires KGV von 23,3. Voraussetzung ist ein anhaltendes Niedrigzinsumfeld.

Geht man hingegen davon aus, dass sich auch die Kapitalrendite der Unternehmen des MSCI World Quality langfristig eher auf dem Niveau des breiten Marktes bei 10 bis 15 Prozent einpendeln wird, wäre natürlich nur ein entsprechend niedrigeres Multiple gerechtfertigt.

Momentan sind sowohl der Bewertungsaufschlag des MSCI World Quality im Vergleich zum breiten Markt als auch die Bewertung aus absoluter Sicht vertretbar. Von einer Bewertungsblase beim Faktor Qualität kann daher (noch) keine Rede  sein.

Wer die Gewichtung des populären Faktors im Portfolio gezielt erhöht, dem sollte aber klar sein, dass dieser Faktor ja gerade deshalb so gefragt ist, weil er über einen gewissen Zeitraum in der Vergangenheit überdurchschnittliche Ergebnisse erzielen konnte. Diese Überrenditen in der Rückspiegelbetrachtung erklären sich oftmals dadurch, dass der Faktor zuvor eben nicht en vogue war.

Wertentwicklung hängt vom Konjunkturzyklus ab

Unabhängig von der Diskussion, ob Smart Beta nicht vielleicht doch zu viel Marketing mit zu wenig Substanz ist, erfüllt die Vielzahl an neuen Produkten dennoch eine wichtige Aufgabe. Durch den Fokus auf Faktorrenditen rücken zunehmend die Charakteristika eines Portfolios als unstrittiger Haupttreiber für dessen Wertentwicklung in den Vordergrund.

Dem mystischen Alpha, das sich vor allem Hedgefonds und alternative Ucits-Fonds größtenteils noch immer fürstlich vergüten lassen, wird so kontinuierlich das  Wasser abgegraben.

Der hohe Gleichlauf eines Fonds mit dem Faktor-Index in den vergangenen zehn Jahren muss nicht zwangsläufig zur Folge haben, dass der Fonds auch künftig kein Alpha relativ zum Index erwirtschaften wird. Unstrittig ist aber wohl, dass ein Index, der den Fokus vor allem auf Profitabilitätskennzahlen wie die Eigenkapitalrendite legt, ein besserer Vergleichsmaßstab für Fonds ist, deren Schwerpunkt in der Portfoliokonstruktion ebenfalls auf diesen Kennzahlen liegt.

Jenseits von Performance-Ranglisten von zweifelhaftem Nutzen oder Ratings ohne Prognosekraft ist dies auf der Suche nach den besten Fonds für die kommenden Jahre durchaus von Bedeutung. Natürlich hängt die relative Wertentwicklung eines Stils oder Faktors auch immer vom  aktuellen Konjunkturzyklus ab.

Viel zu oft investieren private wie professionelle Anleger noch immer in die besten Fonds der vergangenen drei oder fünf Jahre. Ihnen ist oftmals nicht klar, dass der betreffende Manager in dem Zeitraum von einem strukturellen sogenannten Faktor-Tilt im Portfolio profitiert hat. Dessen relative Stärke kann aber beispielsweise aufgrund eines bereits  erreichten Bewertungsniveaus unmöglich in die Zukunft fortgeschrieben werden.

Zu begrüßen ist, dass durch die zunehmende Zerstückelung oder Faktorisierung der Wertentwicklung von Investmentfonds die Transparenz erhöht und damit einhergehend die Kostenbelastung für Anleger nachhaltig verringert wird.

Interessieren sich Anleger für Investments in Faktor- oder Smart-Beta-Produkte, sollten sie immer im Hinterkopf behalten, dass bei der Frage nach der Sinnhaftigkeit des  Investments auch dessen Bewertung eine entscheidende Rolle bei der zukünftigen Wertentwicklung spielt.  


Über den Autor:
Stephan Schrödl arbeitet seit 2007 beim Analysehaus Fondsconsult Research. Der Schwerpunkt seiner Analysetätigkeit liegt auf globalen und US-Aktienfonds sowie alternativen Investments. Zudem ist der Senior-Analyst für das Management verschiedener Strategiedepots mitverantwortlich.

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