Ex-Private-Banker Roberto Fedele „Unvergessen bleiben die zahlreichen Kundenkontakte“

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Gibt es Dinge, die Sie bei der Credit Suisse gelernt haben, die Ihnen noch heute maßgeblich weiterhelfen in Ihrer Rolle als CIO?

Zuhören, Bedürfnisse und Anliegen eines Kunden verstehen und ernst nehmen, daraus die richtigen Schlussfolgerungen ziehen, um nachhaltige Lösungen anzubieten – das waren grundlegende Elemente in der Ausbildung und Berufspraxis bei der Credit Suisse. Zudem lernte man, diese verständlich zu kommunizieren. Ich konnte in allen folgenden Tätigkeiten bis zur heutigen Funktion des CIO bei Valora diese Grundlagen differenziert und durchaus in Analogie zur Bank einsetzen und über Zeit optimieren.

Auch erhielt ich in der Bank einen praktischen Bezug zu Themen wie Risikomanagement, Compliance oder Devisen- und Kapitalmarkt. Davon profitiere ich noch heute als mitverantwortlicher Manager bei Valora und kann so über das IT-Thema hinaus umfassend mitwirken.

Digitalisierung und Big Data sind heutzutage zentrale Themen der Wirtschaft. Stimmt es, dass diese lange Zeit von der Bankenbranche ignoriert wurden?

Es stimmt, dass die Themen vielerorts bereits im Mittelpunkt von Geschäftsmodellen stehen. So setzt sich auch die Valora-Gruppe intensiv mit Fragen auseinander, wie bestehende oder neue Geschäftsmodelle mittels Digitalisierung von Geschäftsprozessen nachhaltig zum Unternehmenserfolg beitragen können.

Allerdings sind die Automatisierung und der Einsatz moderner Technologien zur Verbesserung von Geschäftsprozessen grundsätzlich nicht neu. Stark verändert haben sich hingegen die Kunden- und Konsumentenmärkte. Durch die allgegenwärtige Verfügbarkeit von Breitband-Internet und der Konvergenz von Technologien auf Alleskönnern wie (mobile) Tablets oder Smartphones ergeben sich für zahlreiche Industrien neue digitale Absatzkanäle mit hohen Ertragspotentialen. Davon ausgehend wirkt die systematische Digitalisierung entlang der gesamten Wertschöpfungskette auch innerhalb des Unternehmens bis in die verzweigten Beschaffungsmärkte effizienzsteigernd.

Dass hierbei große Datenmengen aus unterschiedlichen Quellen im Sinn von Big Data gesammelt, verarbeitet sowie systematisch und schnell ausgewertet und möglichst mobil wieder bereitgestellt werden, liegt auf der Hand. Die Erschließung dieser Opportunitäten wird alle Branchen weiter verändern. Das gilt für den Einzelhandel wie für die Banken.

Gibt es bezüglich Digitalisierung und Big Data Strukturen und Mechanismen, die man branchenumgreifend berücksichtigen sollte?

Grundsätzlich sollte zwischen der Digitalisierung einzelner Geschäftsprozesse und digitalen Geschäftsmodellen differenziert werden. Oft werden in bestehenden Geschäftsmodellen die Vertriebs- oder Beschaffungsprozesse dank Digitalisierung optimiert. Im Vertrieb können mittels Digitalisierung neue Absatzkanäle im Internet erschlossen und damit das Absatzpotential erhöht werden.

Konkret kann ein Webshop eine real existierende Filiale eines Einzelhändlers als Absatzkanal ergänzen und damit die Kundenbasis in die Online-Welt erweitern. Bei einem digitalen Geschäftsmodell werden sämtliche Prozesse entlang der Wertschöpfungskette digital optimiert. Dabei muss neben dem Einsatz geeigneter Software für die weitgehende Automatisierung von Arbeitsabläufen auch das prinzipielle Regelwerk zur Kundenbindung, Angebotskalkulation, Analyse komplexer Datenströme, Markenführung, Unternehmenskommunikation und so weiter konsequent auf ein digitales Geschäftsmodell ausgerichtet werden.

Ein Beispiel?

Nehmen Sie uns. Die Valora-Gruppe betreibt für das Format Caffé Spettacolo eine Fastlane App, welche Kunden erlaubt, mobil einen ausgewählten Kaffee via Smartphone App vorzubestellen und zu bezahlen und diesen in einem vordefinierten Zeitfenster an der nächstgelegenen Verkaufsstelle abzuholen. Wir nutzen die Opportunität, unsere Kunden wahlweise über verschiedene parallele Vertriebskanäle online oder offline zu bedienen und damit unser Absatzpotential zu erhöhen. Das sogenannte Omni-Channel Retailing ist ein zentraler Treiber für die zunehmende Digitalisierung der Geschäftsprozesse im Einzelhandel.

Sinngemässe Beispiele, welche insbesondere den Verkaufsprozess zum Kunden von der analogen in die virtuelle Welt des Internets transferiert, sind auch in der Finanzbranche allgegenwärtig. So werden Hypotheken, Leasing, e-Konten oder Versicherungen heute auch via Internet verkauft.

Jüngst habe ich ein Produkt entdeckt, welches privaten Anlagekunden einer Bank erlaubt, die Asset Allocation für das eigene Portfolio auf Basis einer Web-Applikation jederzeit zeitdynamisch innerhalb eines festgelegten und sehr umfassenden Anlageuniversums bis auf einen Euro gesplittet selbst festlegen zu können. Dafür stehen dem Kunden umfassende Analyse- und Bewertungstools zur Verfügung. Die Bank ihrerseits bildet die Portfolios der Kunden ohne Zeitverzögerung mittels strukturierten Produkten im realen Markt ab. Dieses digitale Geschäftsmodell verlagert das umfassende Instrumentarium eines professionellen Asset Managers in das Wohnzimmer des Kunden.

Damit digitalisierte oder digitale Geschäftsmodelle funktionieren, müssen sie in meiner Betrachtung gleichwertig zur analogen Welt für den Kunden einen echten Nutzen erzeugen. Dabei können Alleinstellungsmerkmale im Bereich der Convenience, jederzeitigen Verfügbarkeit, Verarbeitungsgeschwindigkeit, des Preisvorteils et cetera liegen. Ohne erkennbaren Kundennutzen werden auch digitalisierte Geschäftsmodelle keinen nachhaltigen Erfolg haben.