Die zukünftige Welt des Investierens Die Digitalisierung markiert einen Wendepunkt in der Geldanlage

Christian Jasperneite ist seit Anfang 2009 Investmentchef der Privatbank M.M. Warburg & Co.

Christian Jasperneite ist seit Anfang 2009 Investmentchef der Privatbank M.M. Warburg & Co. Foto: M.M. Warburg & Co

Verhaltensmuster an den Märkten haben sich in den zurückliegenden Jahrhunderten nicht wesentlich verändert, ebenso die Grundprinzipien und Instrumente des Investierens. Auf den ersten Blick könnte man sogar behaupten, dass sich in den zurückliegenden 500 Jahren gar nicht mehr viel Neues in der Welt des Investierens ergeben hat. Das wäre aber eine unzulässige Vereinfachung.

So profitierte die Welt des Investierens im Laufe der Zeit unter anderem von einer zunehmenden Institutionalisierung. An die Seite von Einzelpersonen traten zunehmend auch Stiftungen, Pensionskassen, Banken, Fonds und Versicherungen als Investoren. Im Ergebnis änderte sich oft auch der Charakter der damit einhergehenden Geschäfte. Aus diesen Entwicklungen und Erfahrungen können wir heute wertvolle Lehren und Rückschlüsse für zukünftige Trends ziehen.

Das Kapitel passives Investieren

Eine richtige Finanzinnovation – man könnte aus heutiger Perspektive von einer Revolution oder Zeitenwende sprechen – ereignete sich in den 1970er Jahren: Am 31. August 1976 legte die Investmentfirma Vanguard den Vanguard 500 auf, der als Publikumsfonds nicht den Anspruch hatte, einen Index zu schlagen, sondern ihn einfach nur kostengünstig abzubilden.

Das war die Geburtsstunde des passiven Investments. Heute sind weltweit schätzungsweise etwa 4.500 Milliarden US-Dollar in derartigen Vehikeln investiert und in den USA entfallen etwa 50 Prozent der in Fonds investierten Anlagen auf passive Vehikel.

Passives Investieren ist auch deswegen auf dem Vormarsch, da es sich seit den 1970er Jahren deutlich weiterentwickelt hat. Während ursprünglich nur marktkapitalisierungsgewichtete Indizes wie S&P 500 oder Dax durch passive Fonds – meist in Form börsengehandelter ETFs – abgebildet wurden, hat sich das Angebot in den vergangenen Jahren weiter differenziert. Inzwischen erleben viele ETFs große Zuflüsse, die alternative Indizes abbilden.

Bei diesen spielt nicht die Marktkapitalisierung von Unternehmen eine Rolle, sondern deren fundamentalen und kurstechnischen Eigenschaften. So zeigten die Wissenschaftler Eugene Fama und Kenneth French auf, dass die Wertentwicklung von Aktien durch eine Reihe verschiedener Faktoren vergleichsweise gut erklärt werden kann – etwa durch die Größe oder Bewertung des Unternehmens. So zeigte sich, dass kleinere Unternehmen langfristig eine bessere Performance aufweisen als große Unternehmen.

Wenig überraschend hat sich die Fondsindustrie diese Erkenntnisse zu eigen gemacht und Indizes entwickelt, die an diesen Erkenntnissen anknüpfen und davon quasi-passive Investmentvehikel abgeleitet. Das resultierende Faktor-Investing – oder auch Smart-Beta – spielt inzwischen eine erhebliche Rolle und bereichert das Angebot an Fonds und ETFs in signifikantem Maße.

Ein fast unbegrenzter Zugriff auf marktrelevante Informationen gibt dem Investor die Fähigkeit, auf veränderte Daten zu reagieren und dadurch einen Mehrwert zu erzielen. Aus dieser Perspektive stehen dem Anleger schon heute so viele Möglichkeiten zur Verfügung, dass kaum noch Wünsche offen zu bleiben scheinen. Doch ist dem wirklich so? Oder könnte nicht gerade die Digitalisierung ein neues Kapitel in der Geschichte des Investierens aufschlagen?