Der gläserne Gesellschafter Wie Familienunternehmen Einblicke in Interna vermeiden

Seite 2 / 3

Der offenzulegende Jahresabschluss eines Familienunternehmens jenes Zuschnitts wird damit zur willkommenen Quelle der strategischen Wettbewerbsanalyse der Konkurrenz. Die muss zwar ihrerseits ebenfalls Jahresabschlüsse zu publizieren, was aber aufgrund starker Diversifizierung des Produktportfolios möglicherweise deutlich weniger Aussagekraft im Hinblick etwa auf den Ressourceneinsatz (Kostenrechnung) hat.

Ob der Jahresabschluss offenzulegen ist, hängt von bestimmten Größenmerkmalen (Bilanzsumme, Umsatzerlöse, Mitarbeiterzahl) und der Rechtsform eines Unternehmens ab. Stark vereinfacht gilt: Je größer das Unternehmen, desto strenger sind die Anforderungen an die Jahresabschlusspublizität. Damit steht aber auch fest, dass in diesem Punkt wenig Gestaltungsspielraum besteht, denn auf Wachstum zu verzichten, um Publizität zu vermeiden, wird kaum je sinnvoll sein. Allenfalls kann daran gedacht werden, durch Aufspaltung der unternehmerischen Aktivitäten auf separate Rechtsträger die Überschreitung der gesetzlichen Größenmerkmale je Rechtsträger zu vermeiden.

Davon unabhängig eröffnet die Wahl der Rechtsform einen gewissen Gestaltungsspielraum, der allerdings faktisch wie rechtlich begrenzt ist: Die Jahresabschlusspublizität lässt sich im Ausgangspunkt durch eine Rechtsform vermeiden, bei der mindestens eine natürliche Person persönlich haftet. Bei einer GmbH & Co. KG etwa müsste also neben die GmbH, die üblicherweise einzige Komplementärin ist, eine natürliche Person als Vollhafter treten – die dann allerdings unbeschränkt und mit ihrem gesamten Vermögen für die Gesellschaftsverbindlichkeiten haftet. Der Preis der persönlichen Haftung wird de facto jedoch typischerweise zu hoch sein, um Publizität zu vermeiden. Zudem verhindert selbst die persönliche Haftung im Falle der Überschreitung der im sogenannten Publizitätsgesetz definierten Größenmerkmale die Abschlussoffenlegung nicht.

Eine in der Praxis häufig gewählte Gestaltungsvariante ist hingegen der sogenannte befreiende Konzernabschluss, wenn die unternehmerischen Aktivitäten auf mehrere Gesellschaften verteilt sind, die jeweils für sich einen Jahresabschluss öffentlich zu machen haben. Werden die diversen Gesellschaften einer Spitzenholding unterstellt, muss fortan nur noch diese einen sogenannten konsolidierten Abschluss veröffentlichten, der die Unternehmensgruppe wie eine wirtschaftliche Einheit darstellt. Ein Blick auf die Finanzzahlen der einzelnen Gruppenunternehmen, die durch den konsolidierten Konzernabschluss von der eigenen Abschlusspublizität befreit sind, ist damit nicht länger möglich.

Die Satzungs- und Beteiligungspublizität betrifft die Unternehmerfamilie und ihre Familienmitglieder noch direkter und weitaus stärker als die Offenlegung der Jahresabschlüsse. Familienunternehmen ist regelmäßig daran gelegen, die interne Verteilung von Einfluss und Vermögen nicht – oder jedenfalls nicht im Detail – öffentlich zu machen. Die gesetzlichen Vorschriften zur Offenlegung von Gesellschaftssatzungen im Handelsregister sowie zur Eintragung der Beteiligungsverhältnisse im Handelsregister und seit Neuestem auch im Transparenzregister zielen jedoch genau auf jene Interna ab.

Bei Personengesellschaften – also vor allem der in der Praxis weit verbreiteten GmbH & Co. KG – sind die Gesellschaftsverträge nicht im Handelsregister zu publizieren. Für jedermann im Handelsregister einsehbar ist lediglich, wer an der Gesellschaft beteiligt ist und welche Geschäftsführungs- und Vertretungsverhältnisse gelten. Die interne Machtbalance – insbesondere die Höhe der Beteiligung an Vermögen und Ergebnis sowie die Stimmkraft einzelner Gesellschafter – bleibt dem Rechtsverkehr hingegen verborgen.