Klartext „Wir haben den Markt für verrückt gehalten“

Claudia Otremba, Geschäftsführerin Rogge Global Partners in Frankfurt, mit Firmengründer und -Chef Olaf Rogge

Claudia Otremba, Geschäftsführerin Rogge Global Partners in Frankfurt, mit Firmengründer und -Chef Olaf Rogge

Wir haben in Deutschland noch nicht allzu viel von Ihnen gehört.

Olaf Rogge: In den vergangenen drei Jahren war Überleben und Geld Verwalten wichtiger als Marketing. Bestehende Kunden hatten Vorrang.

Das ist jetzt anders?

Rogge: Ja, wegen der steigenden Nachfrage von Kunden aus Deutschland, Österreich und der Schweiz haben wir in Frankfurt eine Niederlassung eröffnet. Claudia Otremba hat die Leitung übernommen.

Welchen Anteil macht Ihr Deutschland-Geschäft derzeit aus?

Rogge: Vielleicht 3 Prozent. Aber das liegt durchaus an uns selbst. Bis 1998 waren sogar 95 Prozent unserer Kunden noch Amerikaner. Dann kam der Euro, und wir waren die Einzigen, die ihn damals mochten. Alle anderen waren dagegen. Wir waren sicher, dass der Euro gut für Europa ist und dass er im Vergleich zum Dollar steigen würde. Der damalige US-Notenbankchef Alan Greenspan hatte immer dagegen gewettert und Amerika als das neue Wirtschaftsparadies beschworen.

Sicher mit Folgen.

Rogge: Als er zur Jahrtausendwende immer behauptete, die Amerikaner seien die Besten, brach unser Geschäft ein. Unser Image war schlecht. Wir waren in den Verlust gerutscht, als der Euro auf 80 Cent gefallen war. Erst später stieg er aber auf 1,60 Dollar. Die Amerikaner hatten damit wahnsinnig viel Performance liegen gelassen, weil sie Greenspan geglaubt hatten. An dem Punkt haben wir beschlossen, nicht mehr nur global zu investieren, sondern auch globale Kunden zu haben.

Das wollen andere auch – und schaffen es nicht.

Rogge: Wir haben Kontakte mit Beratern und Banken ausgebaut. Das hat sehr gut funktioniert. 45 Prozent unserer Kunden sitzen heute in Europa, 35 Prozent in Asien und Australien und 15 Prozent in Nordamerika. Der Rest sind Staatsfonds von anderswo. Erst kürzlich kam die Zentralbank von Chile dazu, worauf wir sehr stolz sind. Wir haben uns gegen große und bekannte Konkurrenten durchgesetzt. Nun werden wir unsere Aktivitäten in Chile, Peru und Kolumbien weiter ausbauen, um von Anfang an in Südamerika dabei zu sein.

Andere sind schon lange da.

Rogge: Ja, einige englische Häuser. Aber die machen hauptsächlich Aktienanlagen. Der Kapitalmarkt ist noch weitgehend frei und hat sich in den vergangenen vier Jahren verdoppelt. Da ist enormes Wachstum. Wir konzentrieren uns ausschließlich auf Anleihen und Währungsanlagen.

Welches ist Ihr Lieblingsland?

Rogge: Chile hat die beste Zentralbank, den besten Haushalt, eine gute Regierung und niedrige Inflation. Es ist im Grunde ein sehr solides Land.

Und für den Urlaub?

Rogge: Wenn Sie es dekadent haben wollen, müssen Sie nach Argentinien. Dafür hat Chile die schönere Küste und die beste Fluggesellschaft, Lan. Sie haben relativ neue Flugzeuge und sind äußerst pünktlich. Da kann sich British Airways mal ein Beispiel nehmen.

Kommen wir zu Ihren Produkten.

Rogge: Wir müssen nutzen, was uns der Markt bietet. Neu und erfolgreich sind Schwellenländerwährungen. Im September 2008 haben wir unsere Angebotspalette um den Emerging Market Currency Fund erweitert und mit null begonnen. Heute verwalten wir darin mehr als 2,5 Milliarden Dollar. Insgesamt haben wir 6 Milliarden Dollar in den Schwellenländern investiert. Ebenfalls sehr gut laufen Credit-Strategien. Die guten und großen Staatsanleihen rentieren bei 2 Prozent. Pensionsfonds in Deutschland und England brauchen aber 5 Prozent, amerikanische sogar 7 Prozent, um ihre Verpflichtungen erfüllen zu können. Wir rechnen deshalb mit einigen neuen Mandaten für Unternehmensanleihen.

Machen Sie viel mit Derivaten?

Rogge: Nicht mehr. Wir hatten bis 2007 viele Kreditausfallversicherungen. Die haben wir dann alle abgestoßen.

Indikator oder Bauchgefühl?

Rogge: Eher der Bauch. Wir haben den ganzen Markt für verrückt gehalten und alles mitgenommen, Gewinne und Verluste.

Aber generell sind Derivate okay für Sie?

Rogge: Wir arbeiten viel mit Futures. Wenn Sie etwa ein komplett neues Portfolio für Chile zusammenstellen wollen, müssen Sie das mit niedrigen Kosten können. Der Cash-Markt ist dafür häufig  ungeeignet, fast so leergefegt wie 2008.

Dürfen Sie auch Shorten?

Rogge: Nein, das wollen wir auch gar nicht.

Dann erzählen Sie mal, was Sie dürfen.

Rogge: Fast alles. Nur eben nicht shorten und keine Hebel. Wir sind kein Hedgefonds.

Haben Sie selbst auch Aktien?

Rogge: Ja, Goldaktien seit langer Zeit.

Sagen Sie bloß, Sie als Anleiheninvestor vertrauen nicht dem Geld.

Rogge: Quantitative Easing ist ein vertuschter Default. Früher ging man Pleite, heute druckt man Geld. Eine Universität sollte mal für uns herausfinden, wie viele Schulden die G7-Staaten wirklich hatten. Ein Jahr und 120.000 Pfund später wussten sie noch nicht einmal genau, wie hoch die Schulden von England sind.

Für Anleiheinhaber nicht gerade beruhigend.

Rogge: Ja. Ich hoffe, dass der Kursrutsch schnell geht und wir vorher rauskommen.

Was hilft dann?

Rogge: Nur noch Cash. Obwohl wir sehr interessante Anlagemöglichkeiten für unsere Investoren haben, um ansprechende Renditen in unterschiedlichen Marktphasen zu erreichen. Wir hatten 2008 die große Gelegenheit unser System von schlechten Banken, Unternehmen und Politikern zu reinigen. Die Chance ist vertan. Es wird weiter um das goldene Kalb getanzt wie zuvor.

Und wer zahlt die Rechnung?

Rogge: Der Sparer wie immer. Es ist amerikanische Tradition, den Sparer zu bestrafen und den Nichtsparer zu belohnen. Und es ist nicht auszuschließen, dass wir eine Inflation bekommen.

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