Informationsüberflutung am Finanzmarkt "Wer sich zuviel Informationen aussetzt, büßt Intelligenz ein"

Markus Schuller von Panthera Solutions

Markus Schuller von Panthera Solutions

Eine neue Generation glaubt stets in der schwierigsten, turbulentesten und kompliziertesten aller Zeiten seit Menschheitsbeginn zu leben. Verständlich. Irgendwie muss man sich die Mühen des Tages schönreden, während man die eigene Lernerfahrung verarbeitet.

Abseits dieser die eigene Relevanz überhöhenden Selbsterfahrung, liegt die Schwierigkeit im Jahr 2012 in Zentraleuropa meist nicht in der Sicherung des nackten Überlebens. Dafür gibt es ausreichend soziale Absicherungsnetze, auch wenn der Aspekt der Menschenwürde in diesen Netzen oft ungenügend berücksichtigt wird.

Die Schwierigkeit im Jahr 2012 in unseren Breiten ist vielmehr die Bewältigung der Informationsflut im Zuge der eigenen Lebensgestaltung. Mit dem Bestreben von Unternehmen nach frühkindlicher Markensozialisierung oder dem sich ausweitenden Graben zwischen digitalen Illiteraten und sogenannten „digital natives“ sind nur zwei Beispiele genannt.

Wir leben im Zeitalter der Überinformation. Soweit, so bekannt. Die zusammengefasste Konsequenz aus dem PM Magazin zitiert: „Wer sich im Übermaß einer Dauerkommunikation aussetzt, büßt Intelligenz ein, haben britische Forscher herausgefunden. Bis zu zehn IQ‐Punkte – das ist mehr als beim Konsum von Marihuana“. Chapeau.

Die tägliche Informationsflut führt zu einer Reizüberflutung, gefolgt von einer Unschärfe im Erkennen von Qualitätsgrenzen. Schnelligkeit überlistet Bedachtsamkeit. Blogs attackieren das Geschäftsmodell von honorigen Printmedien. Qualitätszeitungen versuchen mit einer Verschränkung von Print- und Onlineauftritten gegenzuhalten – siehe New York Times.

Bedeutung für die Finanzmärkte

Das Ergebnis ist eine unübersichtliche Vielzahl an Informationsquellen, jeweils nur einen Click voneinander entfernt. Plumpe Kulturkritik? Folgen Sie mir in die Überleitung zum Finanzmarkt und urteilen Sie erst dann.

Der Finanzmarkt repräsentiert in konzentrierter Form das Verhalten der Gesellschaft. Was also für Otto Normalverbraucher gilt, trifft für Finanzmarktteilnehmer in potenzierter Form zu.

Der Finanzmarkt wird von Menschen bestimmt. Trotz aller Algorithmen. Menschen, die mittels der Datenbanktiefe von beispielsweise Bloomberg, Factset oder Reuters in noch größerem Maße einer Reizüberflutung ausgesetzt sind.

Die Aufgabe hingegen bleibt gleich. Aus dem Rohstoff Information mittels Analyse und Interpretation Handlungen abzuleiten. Neben den beispielhaft genannten Informationsaggregatoren, stehen dem Finanzmarktteilnehmer eine Vielzahl an Interpretationshelfern zur Verfügung. Doch sind CNBC, Bloomberg TV und andere nicht mehr als Dauerwerbesendungen mit zweifelhafter Analysequalität.

Gleiches gilt für den Analyse‐Support seitens Industrierepräsentanten oder unabhängigem Banken-Research. Sie alle verursachen ein permanentes Marktrauschen, dass es herauszufiltern gilt.

Welchen Quellen also vertrauen?

Doch wohl zumindest den offiziellen Angaben von Regierungen und deren vorgelagerten Organisationen. Wie gerne würde ich dies bejahen. Doch auch offizielle Daten zum Zustand der Volkswirtschaft dürfen getrost als politisch motiviert betrachtet werden.

Dies beginnt bei der Zusammenstellung eines Konsumentenpreisindex und endet bei der Zählweise von Arbeitslosen. Nun darf man Statistikämtern in Industrienationen wie Eurostat oder BEA durchaus Lernfähigkeit und Lernwillen im Bereich der wissenschaftlichen Methodenwahl zuschreiben (siehe Eurostats Verhalten nach der Griechenland‐Schmach). Doch empfiehlt es sich, auch bei jenen stets die Zusammenstellung und Aufbereitung von Daten zu hinterfragen.

Als stabil darf die positive Korrelation zwischen Entwicklungsstand einer Volkswirtschaft und der Qualität offizieller Daten angenommen werden. Je weniger entwickelt, desto stärker politisch gefärbt. Ich darf beispielhaft auf die via Wikileaks ans Tageslicht gekommene, permanente Manipulation des chinesischen Bruttoinlandprodukts verweisen.

Selbst bei supranationalen Organisationen wie zum Beispiel den Vereinten Nationen (UN), dem Internationalen Währungsfonds (IWF) oder Weltbank muss ein gesundes Maß an Skepsis gegenüber deren Datenqualität angewandt werden.

In internationalen Kreisen gilt es als offenes Geheimnis, dass sich rund um die supranationalen Organisationen eine kleine, aber feine Consulting-Elite positionierte, um das Aufpolieren von Daten, sogenanntes „data tuning“ zu gewährleisten. So kann zum Beispiel einem Land, dass dem IWF Daten liefern soll, geholfen werden, seine Daten besser aussehen zu lassen, als es dem tatsächlichen Zustand des Landes gerecht werden würde. Im Fachjargon Optimierung der Datenqualität genannt.

Somit stellt sich dem Finanzmarktteilnehmer nicht nur die eigene Beschränktheit in der Verarbeitungskapazität von Information als Hindernis in den Weg. Die Interpretationsqualität steht auf noch wackeligeren Beinen, berücksichtigt man die unzureichende Datenqualität in der Datenflut.

Dem noch nicht genug, leben wir nicht erst seit Krisenausbruch in einem zunehmend politischen Markt, in dem die Politik sowohl in Developed‐, wie Emerging- und Frontier Markets selbst den Überblick verloren hat, weil ideologiegeleitete Antworten zunehmend an schwindender Erklärungskraft leiden. Mit der steigenden Interdependenz von Volkswirtschaften ist jeglicher Versuch regionaler Abgrenzung mit einem stark negativen Rückkoppelungseffekt verbunden. Fragen Sie mal Herrn Ahmadinedschad.

Eine einfache Antwort auf Komplexität?

Der Clou: es gibt keinen. Wer nach einfachen Antworten in komplexen Systemzusammenhängen sucht, endet in vereinfachenden Erklärungen. Komplexität mit simplifizierenden Antworten zu begegnen kann den irrlichternden Demagogen in unseren Gesellschaften überlassen werden. Sollen sie doch als Rattenfänger ihresgleichen die Lebenszeit stehlen.

Die Ausflucht in die Banalität der bösen Banker, der verwerflichen Offshore‐Zentren oder der destruktiven Hedgefonds mag zwar bei manchem Wähler und Leser von Bild & Co. auf Zuspruch stoßen, einem Finanzmarktteilnehmer liefert sie keine Steigerung der Erklärungsqualität von weltwirtschaftlichen Zusammenhängen.

Mein Zugang

Ich gründete Panthera Solutions aus dem Bedürfnis heraus, meinen Qualitätsstandard im Bereich der strategischen Asset Allocation selbst setzen zu können. In (Investment)‐Banken ist zu viel Unternehmenspolitik und Karrieredenken mit im Spiel, als dass der Fokus auf bestmögliche Informationsgewinnung und -interpretation konsequent umgesetzt werden kann.

Verstehen sie mich nicht falsch. Weil von Subjekten geschaffen, ist objektive  Information nicht nur semantisch eine Utopie. Und trotzdem. Die Suche nach größtmöglicher Reinheit in der Informationsgewinnung und –verarbeitung ist jeden Versuch wert und deshalb ein wertvolles Gut an sich.

Diesem Anspruch annähernd gerecht zu werden bedarf viel Arbeit, dem Aufbau handverlesener Informationsquellen und Methoden zur Quellenverifikation als Absicherung gegenüber Datenmanipulationen. Dabei hilft das durch Reflexion und Repetition in Intuition übergehende Erfahrungswissen und eine gewisse Grundskepsis nach dem Motto „Fide, se cui, vide“ (Aus dem Lateinischen: Traue, aber achte darauf, wem!).

Klingt zu abstrakt? Ein simples Beispiel. Bevor ich einen Report lese, stelle ich mir die Frage: cui bono? Wer profitiert von dessen Existenz? Von wem wurde er gesponsert? Wie könnte der Verfasser profitieren, sollte der Leser seiner Analyse folgen? Nach dieser einleitenden Abklärung der Abhängigkeiten, lese ich den Report mit anderen Augen.

Ein zweites Bespiel? Lassen Sie sich als Finanzmarktteilnehmer nicht vom Puls der erwähnten Dauerwerbesendungen beeindrucken. Diese verleiten zu einem Trading‐orientierten Investmentansatz. Sollte Ihr Name nicht auf Goldman Sachs lauten (stellvertretend genannt), können Sie davon ausgehen, nicht der Profiteur Ihres Ansatzes zu sein. Verstehen Sie hingegen stabile Trends in der Weltwirtschaft und deren Risikofaktoren und richten Sie Ihr Portfolio dementsprechend aus. Ihnen nun viel Vergnügen im Entschlüsseln und Weiterverarbeiten von relevanter Finanzmarktinformation. 

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