Berenberg „Top-Berater suchen zunehmend nach Wegen in die Selbstständigkeit“

Michael Gillessen, Leiter des Vermögensverwalter Offices bei Berenberg

Michael Gillessen, Leiter des Vermögensverwalter Offices bei Berenberg

Berenberg, die renommierte Hamburger Privatbank, entwickelt sich zunehmend zu einem international gefragten Beratungshaus. Ein Schwerpunkt dabei ist die Zusammenarbeit mit der Zielgruppe „Unabhängige Vermögensverwalter“.

Die Finanz- und Wirtschaftskrise der vergangenen Jahre hat die Kreditwirtschaft erheblich unter Druck gesetzt und zu einer Vertrauenskrise bei Bankkunden und in der Gesellschaft geführt. Die Politik reagierte reflexartig mit einer inzwischen überbordenden Regulierung.

Einzelne Institute haben daraufhin ihre Kundenberatung eingestellt und sind nur noch mit einem „Execution-only“-Angebot am Markt tätig. Andere Banken reduzierten ihre Produktpalette drastisch, um etwaige Haftungsrisiken auf ein vertretbares Maß herabzusetzen.

Den Bedürfnissen und Wünschen der Kunden wird damit natürlich nicht unbedingt Rechnung getragen. „Die Individualität bleibt häufig auf der Strecke, und umfangreiche Protokollierungspflichten, die sicherlich in vielen Fällen richtig und angezeigt sind, verhindern schnelle Reaktionen auf Marktveränderungen bei Anlageentscheidungen“, betont Michael Gillessen, Leiter des Vermögensverwalter Offices bei Berenberg.

Viele Berater, insbesondere von Großbanken, empfinden die Neuregelungen als Manko. Sie möchten auf Basis ihrer guter Ausbildung und ihres breit gefächerten Wissens kompetente Sparringspartner ihrer Kunden sein. Diese sollen mit intelligenten sowie individuellen Anlagelösungen langfristig persönlich an den Berater und das Institut gebunden werden.

Auf Augenhöhe mit dem Kunden

Die Börsenentwicklung der vergangenen Jahre hat die unbefriedigende Situation noch spürbar verschärft: „Ein extrem niedriges Zinsniveau sowie die seit dem Tief in 2009 sehr stark gestiegenen Aktienkurse fordern keine flache Information über das Produkt des Monats oder seichte Verkaufsgespräche, sondern einen anspruchsvollen und zielführenden Gedankenaustausch von zwei Partnern – Kunde und Berater – auf Augenhöhe“, so Gillessen.

Die Folge: Top-Berater suchen ihre Zukunft zunehmend in der Selbstständigkeit, die ihnen unabhängiges Agieren frei von etwaigen Konzerninteressen erlaubt.

Lange Zeit stagnierte die Zahl der Neugründungen von Unabhängigen Vermögensverwaltern wegen der Haftungsproblematik bei der Entschädigungseinrichtung der Wertpapierhandelsunternehmen (EdW), die immer noch unter den Folgen des Falls Phoenix Kapitaldienst aus dem Jahr 2005 leidet.

Neugründungen nehmen wieder zu

Mittlerweile ist jedoch ein Aufschwung zu beobachten. Denn es zieht nicht nur Kundenberater in die lizenzierte Selbstständigkeit.

„Während sich früher ausschließlich Private Banker für einen Statuswechsel interessierten, kommt heute bereits die Hälfte aller Anfragen von Fondsmanagern großer Investmentgesellschaften sowie von Verantwortlichen großer Kapitalsammelstellen wie Pensionsfonds“, berichtet Gillessen, der im letzten halben Jahr mit rund einem Dutzend entsprechender Anfragen befasst war.

Kein Wunder – im Hinblick auf die Haftungsproblematik hat sich die Freiheit bei den Anlageentscheidungen kontinuierlich verringert. Früher fühlten sich diese hoch qualifizierten Experten als Entscheider, als Fondsmanager – gegenwärtig sind sie eher Disponenten mit engem Handlungskorsett und ständig von Gremien und Aufsicht kontrolliert.

Hier setzt Berenberg an: Unabhängige Vermögensverwalter, Top-Kundenberater sowie Fondsmanager sind Zielgruppe des Beratungshauses.

„Wir verstehen uns als der strategische Partner auf Augenhöhe, helfen bei der Existenzgründung, beim Businessplan, unterstützen bei der Bafin-Zulassung und begleiten die Vermögensverwalter im operativen Geschäft“, erläutert Gillessen den umfassenden Service.

Die Auflegung von Private-Label-Fonds, Marketing- und Vertriebsunterstützung sowie Hilfe bei der Nachfolgeplanung gehören auch zur Servicepalette.

Die Privatbank hat jüngst vier weitere neue Experten eingestellt und betreut derzeit 70 Unabhängige Vermögensverwalter im Endkunden- und Fondsgeschäft.

Umweg über Haftungsdach

Nicht immer ist eine sofortige Lizenzbeantragung ratsam – für manche Interessenten ist es günstiger, sich zunächst einem Haftungsdach anzuschließen und weitere Erfahrungen zu sammeln.

Der Vorteil: Keine Anlaufkosten, kein langer Lizenzierungsprozess – der Start in die durch die Produktpalette des Haftungsdachs begrenzte Unabhängigkeit ist schneller, preiswerter und unkomplizierter.

Der Nachteil: „Mit steigendem Volumen stoßen diese Berater oft an Grenzen, Vermögensverwaltung im engeren Sinn ist damit auch nicht möglich. Bisweilen entsteht auch ein Identifikationsproblem mit dem Haftungsdach“, weiß Gillessen.

Von den knapp 280 Haftungsdächern sei nur ein Bruchteil für angehende Vermögensverwalter geeignet, denn Individualität, Flexibilität und IT-Ausstattung müssen höchsten Ansprüchen genügen.

„Massenhaftungsdächer kommen für diese Zielgruppe nicht infrage“, so Gillessen. Letztlich sei das Ziel Unabhängigkeit, denn, so ein Kernsatz der Philosophie des 1590 gegründeten Beratungshauses: „Unabhängigkeit macht stark.“

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