Streitschrift Helikopter-Geld – einsacken oder ablehnen?

Im Streitgespräch per E-Mail: Marc Radke (l.) und Andreas Harms

Im Streitgespräch per E-Mail: Marc Radke (l.) und Andreas Harms

Lieber Marc,

es ist wirklich traurig, dass wir beim Thema Helikoptergeld nicht einer Meinung sind. Lass es uns ausdiskutieren. Halbwegs modern per Email.

Die Geldpolitik der Zentralbank an sich ist schon eine Farce. Millionenbeträge für umme einfach so unter die Banken streuen. Geld soll nix mehr kosten? Was für ein Schwachsinn! Aber die Krönung ist die Idee, einfach Geld an die Menschen zu verschenken, damit sie es ausgeben und die Wirtschaft ankurbeln. Das ist der Anfang vom Ende vom Euro.

Oder?

Lieber Andreas,

wie bitte? Selbstverständlich sollten Eingriffe von Regierungen und Notenbanken nicht die Regel, sondern wenn überhaupt eine wohlbegründete Ausnahme sein. Nach Geldsummen in Billionenhöhe, die nun seit acht Jahren für die Rettung maroder Banken und Staaten ins Feuer geworfen werden, sind die Zinsen ausgebrannt, die Flammen aber kaum abgeklungen. Das schadet dem Vertrauen der Bürger und widerspricht einer Marktwirtschaft – noch dazu mit dem Hinweis, die Begünstigten seien „too big to fail“. Dieses Vorgehen schafft Fehlanreize, verhindert Wettbewerb und schiebt Pleitewellen nur in die Zukunft.

Und Dein Zorn entzündet sich nun an einer Maßnahme, die Konsum und Wirtschaft ankurbeln kann, wie Du selbst sagst. Warum soll ausgerechnet diese Idee der Anfang vom Ende des Euro sein?

Lieber Marc,

ich mag Deine schönen blumigen und flammenden Vergleiche. Und was Du über dicke, unfehlbare Banken schreibst, kann ich nur teilen: Wir hätten doch ein paar krachen gehen lassen und die Führungsriegen wegen Unfähigkeit feuern sollen. Natürlich ohne Pensionsansprüche. Loser verdienen sowas nicht. Vielleicht wären dann funktionsfähige Banken mit fähigen Leuten in der Chefetage nachgewachsen. Da wäre Steuergeld besser angelegt gewesen. Leider kann man die Kollateralschäden solcher Umbrüche nur schlecht einschätzen.

Ich glaube leider nicht, dass verschenktes Geld Konsum und Wirtschaft dauerhaft ankurbeln kann. Schon in der Volkswirtschaftslehre nennt man so etwas Strohfeuer, das schlicht nicht nachhaltig wirkt. Unternehmen werden kaum wegen einer einmaligen Einkaufswelle ihre Kapazitäten ausweiten und neue Leute einstellen. Das regeln die über Überstunden, vielleicht mit ‚nem Bonus. Und dann? Warten wir auf die nächste verschenkte Kohle.

Ist doch kein Zustand.

Lieber Andreas,

immer gern. Strohfeuer klingt ja nun auch schon ganz anders als das Ende des Euro. Da bin ich auch voll bei Dir: Geld zu verschenken, um Konsum und Wirtschaft anzukurbeln, ist ja keine neue Idee. Eine extreme Variante war 2009 die „Umweltprämie“, wie die Abwrackprämie offiziell hieß. Diese Subvention kam nur einer einzigen Branche und einem kleinen Teil der Konsumenten zugute. Dennoch war „The Abwrackprämie“ ein Exportschlager, der von den USA über Russland bis Taiwan als Vorbild für Konjunkturprogramme diente. Dafür haben sich Merkel und Co. noch feiern lassen, Du erinnerst Dich? Und die tatsächlichen Ergebnisse? Bescheiden. Der Konsumschub war nur wenige Monate nach dem Auslaufen größtenteils verpufft und nicht wenige Autohändler wegen des toten Gebrauchtwagenmarkts in Existenznöten. 

Das Warten auf geschenktes Geld ist in der Tat kein Zustand, aber inzwischen leider weit verbreitete Realität. Das zeigt exemplarisch die aktuelle Griechenland-Diskussion ebenso wie das Geschrei der Autoindustrie nach Subventionen. Dass die Effekte meist nur kurzfristig sind, hält die Politik nicht ab. Wenn schon auf breiter Front keine Stabilitätspolitik betrieben wird, warum sollen nicht auch mal Konsumenten in den Genuss von Wohltaten kommen, anstatt nur zur Kasse gebeten zu werden?

Mahlzeit, lieber Autofreund Marc,

ich spüre gerade wieder jene kalte Wut in mir hochsteigen, die mich damals schon befallen hatte, als ich in des Staates Namen viel Geld in den Allerwertesten der Autoindustrie blasen müssen durfte. Zu der Zeit habe ich übrigens mein damaliges Auto verkauft. Das war nicht einfach. Irgendwas mache ich immer falsch. Hast Du wenigstens ein neues Auto gekauft?

1990 haben in der BRD noch alle über die staatliche Zentralplanung der DDR gelacht. Heute sind wir selbst soweit und retten marode Unternehmen. Toll. Wenigstens müssen wir uns um die finanzielle Zukunft von Dieter Zetsche und Martin Winterkorn keine Sorgen machen. Das ist gut.

Ich habe mich inzwischen auch daran gewöhnt, dass die Wirtschaft dem Staat den Finger zeigt, wenn es gut läuft. Und wenn es mies läuft, weint sie und will Hilfe. Kleine Kinder verhalten sich auch so. Insofern nachvollziehbar.

Insofern ist es natürlich mal zu begrüßen, dass auch der kleine Mensch zur Abwechslung etwas bekommt, und nicht immer nur die Industrie. Irgendjemand muss den Kram ja auch kaufen, den sie ständig herstellt.

Trotzdem: Eine Währung, die man kostenlos erhält, kann ihre Funktion als Wertaufbewahrungsmittel nicht erfüllen. Ich muss doch heute halbwegs sicher sein können, dass es in einem Jahr nicht plötzlich viel mehr Geld gibt. Das wäre bei Helikoptergeld aber nicht mehr der Fall.