Stelter-Kommentar zur Gold-Initiative Die Schweizer Bürger zwischen Pest und Cholera

Daniel Stelter, früher Senior-Partner bei der Strategieberatung BCG, berät heute Finanzinstitute bei der Bewältigung der andauernden Finanzkrise

Daniel Stelter, früher Senior-Partner bei der Strategieberatung BCG, berät heute Finanzinstitute bei der Bewältigung der andauernden Finanzkrise

Die Volksabstimmung der Schweizer Bürger über die Volksinitiative „Rettet unser Schweizer Gold“ hat das von den Märkten erwartete Ergebnis gebracht: Die Schweizer Nationalbank (SNB) wird nicht verpflichtet, 20 Prozent ihrer Aktiva in Gold anzulegen.

Wir sollten die Schweizer trotzdem beneiden, weil sie es schaffen, dank ihrer direkten Demokratie Themen auf die Tagesordnung zu bringen, die von den etablierten Parteien ignoriert werden. Auch wir in Deutschland sollten diese Diskussion führen. Viele der Pro-Argumente für den Quasi-Goldstandard sind nämlich nicht von der Hand zu weisen: Die Bilanz der Nationalbank ist in Folge der Verteidigung der Untergrenze von 1,20 Franken je Euro wahrhaft explodiert und sogar noch schneller angewachsen als die Bilanzen der anderen Notenbanken. Damit baut die SNB im großen Stil Auslandsvermögen auf, dessen Werthaltigkeit fraglich ist.

Sind französische Staatsanleihen wirklich ein gutes Investment angesichts der ungebremsten Schuldendynamik?  Sind deutsche Staatsanleihen wirklich ein gutes Investment angesichts der demografischen Entwicklung, für die keine Rücklagen gebildet wurden, und der europäischen Solidarität, die von den Deutschen immer stärker eingefordert wird?

Die Forderungen der Notenbank sind ähnlich wie bei einem Staatsfonds Volksvermögen und sollten deshalb möglichst werterhaltend angelegt werden. Seit der Abkehr vom Goldstandard haben jedoch alle Papierwährungen deutlich an Kaufkraft verloren. Dass in Wahrheit auch solide Währungen wie die Deutsche Mark und der Schweizer Franken seit dem Zweiten Weltkrieg kumuliert über 90 Prozent ihres Wertes verloren haben, hat die breite Öffentlichkeit nur nicht bemerkt.

Die solide Schweiz hat sich in dem verzweifelten Versuch, einen Kollaps der eigenen Export-industrie zu verhindern, auf Gedeih und Verderb mit den Gelddruckern der anderen Wirtschaftsräume verbündet.

Ein Schweizer Sonderweg?

Das Ergebnis der Volksabstimmung zementiert diese Bindung. Denn wenn die SNB ihre Bilanz nur mit den von der Goldinitiative geforderten Einschränkungen verlängern oder verkürzen kann, hätte das perspektivisch einen deutlich stärkeren Franken zur Folge – mit den entsprechenden negativen Folgen für die Exportwirtschaft.

Jeder Sonderweg der Schweiz, sei es die Bindung an Gold oder die Einführung von Vollgeld – eine weitere Initiative, die in der Schweiz zur Zeit vorbereitet wird – würde den Schweizer Franken zur unumstrittenen Währung zur Wertaufbewahrung machen. Damit würde er zur Fluchtburg für die ganze Welt. Nur mit Kapitalverkehrskontrollen und Strafsteuern für Guthaben von Ausländern könnte das Land dann versuchen, der massiven Aufwertung entgegenzutreten.

Trend in die falsche Richtung

Nur Länder, die der Politik der unendlichen Geldschöpfung, wie sie global zunehmend verfolgt wird, folgen, können eine drastische Aufwertung und damit Schaden für die eigene Industrie abwenden. So hat sich die Mehrheit der Schweizer Bürger aus nachvollziehbaren Gründen gegen den sicheren kurzfristigen Schaden zu Lasten eines wahrscheinlichen langfristigen Nutzens entschieden.

Das bestehende Geldsystem hat den beispiellosen Verschuldungsboom der vergangenen Jahrzehnte überhaupt erst ermöglicht. Zur Verteidigung des Systems und zur Stabilisierung des Schuldenturms wird zu immer aggressiveren Maßnahmen gegriffen.

Geld verliert damit immer mehr seine Funktion als Wert¬aufbewahrungsmittel. Auch die Schweizer können sich nun nicht dem Vermögensschaden entziehen, der am Ende der Schuldenpolitik droht.




Über den Autor:
Daniel Stelter ist Gründer des auf Strategie und Makroökonomie spezialisierten Forums „Beyond the Obvious“. Er war von 1990 bis 2013 Unternehmensberater bei der Strategie¬beratung The Boston Consulting Group (BCG), zuletzt als Senior-Partner und Geschäftsführer. Seit 2007 berät er internationale Unternehmen im Umgang mit den Herausforderungen der fortschreitenden Finanzkrise.

Aktuell hat Stelter eine Replik auf das Buch „Das Kapital im 21. Jahrhundert“ des französischen Ökonomen Thomas Piketty im Verlag Frankfurter Allgemeine Buch veröffentlich. Mit seinem Buch „Die Schulden im 21. Jahrhundert“, das schon im Titel auf Pikettys Bestseller Bezug nimmt, weist Stelter auf die gravierende Betrachtungslücke seines französischen Kollegen hin, der in seiner Veröffentlichung übersieht, dass die Vermögen nur ein Symptom, die Schulden aber das wahre Problem der wirtschaft¬lichen Entwicklung sind.

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