Risiken und Nebenwirkungen EU-Erbrechtsverordnung birgt unerwünschte Konsequenzen

Der Präsident der Notariatskammer für Tirol und Vorarlberg: Philipp Schwarz

Der Präsident der Notariatskammer für Tirol und Vorarlberg: Philipp Schwarz

Die Europäische Erbrechtsverordnung ändert die Rechtslage bei Erbschaften mit Auslandsbezug maßgeblich. Die Verordnung ist grundsätzlich auf Erbfälle anzuwenden, die nach dem 16. August 2015 eintreten. Der Anwendungsbereich der Erbrechtsverordnung erstreckt sich auf sämtliche Staaten der Europäischen Union, mit Ausnahme von Dänemark, Großbritannien und Irland, die diesbezügliche rechtliche Vorbehalte geltend gemacht haben.

Die Erbrechtsverordnung regelt sämtliche Bereiche der „Rechtsnachfolge von Todes wegen“, sodass insbesondere Fragen der gesetzlichen und testamentarischen Erbfolge, des Pflichtteilsrechts, des erbrechtlichen Verfahrens sowie der Erbenhaftung vom Anwendungsbereich der Verordnung umfasst werden.

Vereinfacht kann also festgehalten werden, dass die Erbrechtsverordnung regelt, welches Erbrecht im Fall des Ablebens eines EU-Bürgers (mit den genannten Ausnahmen) anzuwenden ist und in welchem Staat das diesbezügliche Verlassenschaftsverfahren (Anmerkung der Redaktion: nach österreichischem Recht dient dieses Verfahren der Feststellung des Vermögensstandes und der Übereignung an den Erben) abgeführt wird.

Nicht von der Neuregelung betroffen sind Zuwendungen, die bereits zu Lebzeiten mit Wirkung auf den Todesfall getroffen werden (sogenannte Schenkungen auf den Todesfall) sowie gesellschaftsrechtliche Maßnahmen und Vertragsinhalte, die das Ableben eines Mitgesellschafters regeln (zum Beispiel Aufgriffsrechte oder Ähnliches).

Komplexe Zuordnung der Rechtsbereiche

Ebenfalls sind Fragen des Güter- und Unterhaltsrechts von der Erbrechtsverordnung nicht umfasst, weshalb gerade im Schnittbereich von Erbrecht und Güter- beziehungsweise Unterhaltsrecht in Zukunft komplexe Zuordnungsprobleme entstehen können. Diesbezüglich ist eine detaillierte Betrachtung im Einzelfall nötig.

Auf Steuer- und Zollsachen sowie auf  Verwaltungsangelegenheiten findet die Erbrechtsverordnung ebenfalls keine Anwendung. Die Erbrechtsverordnung zog maßgebliche Änderungen in den österreichischen Gesetzen (insbesondere im Internationalen Privatrechtsgesetz und in den einschlägigen verfahrensrechtlichen Vorschriften) nach sich, da viele Bestimmungen durch die Verordnung obsolet wurden.

Eine grundlegende Frage bei Todesfällen mit  grenzüberschreitendem Bezug lautet stets, welches Recht im konkreten Fall zur Anwendung gelangt. Verstirbt beispielsweise ein österreichischer Staatsangehöriger, der seit Jahren in Deutschland lebt, ist einerseits zu klären, ob in erbrechtlicher Hinsicht deutsches oder österreichisches Recht angewendet werden muss (materiellrechtliche Frage).

Andererseits stellt sich die Frage, welche Gerichte oder Behörden das Verlassenschaftsverfahren durchführen müssen und welche Verfahrensvorschriften sie dabei beachten müssen (Zuständigkeitsfrage).