Phänomen „Big Bath“ Wie Manager Bilanzierungsspielräume nutzen

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Neben den kapitalmarktbezogenen Anreizen liegt in der asymmetrischen Beteiligung an Gewinnen und Verlusten im Rahmen der variablen Vergütung der Entscheidungsträger ein weiterer wesentlicher Anreiz des Big Bath. Da das erzielte Jahresergebnis oftmals ein Performance-Kriterium mit recht hohem Gewicht bei der Leistungsbeurteilung des Top-Managements ist, haben Manager zwar zunächst einen Anreiz, das Ergebnis zu maximieren, so dass die Performance-Beurteilung möglichst positiv ausfällt, was ganz im Sinne der Anteilseigner ist.

Problematisch ist jedoch, dass Manager grundsätzlich nur an positiven Ergebnissen partizipieren, während eine Verlustbeteiligung in der Praxis weitestgehend ausbleibt. Ob das Unternehmen nun einen großen oder einen weniger großen Verlust ausweist, ist hinsichtlich der variablen Vergütungsbestandteile in gewissem Maße irrelevant.

Nimmt man nun an, dass der Manager eine Ergebnisstrategie verfolgt, die seine Auszahlung über die erwartete Beschäftigungsdauer maximiert, lässt sich auf Basis dieser Argumentation die in Abbildung 2 dargestellte optimale Ergebnisstrategie für das Management ableiten: Ergebnisse sollten aufgrund der hohen Sensitivität rund um den Referenzpunkt in einem gewissen Umfang geglättet werden (sogenanntes „Income Smoothing“), sofern sie unerwünscht stark von den Erwartungen des Marktes abweichen.

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Abbildung 2: Income Smoothing und Big Bath

Quelle: Flossbach von Storch Research Institute

Ist jedoch absehbar, dass die Erwartungen in einer bestimmten Periode ohnehin verfehlt werden, die Ergebnisse also massiv schlechter sind als vom Markt erwartet, so scheint es angeraten, möglichst viele Verlustkomponenten in die entsprechende Periode zu verlagern (Big Bath). Denn die abnehmende „Grenzschmerzenkurve“ (erste Ableitung der in Abbildung 1 skizzierten Funktion) im Verlustbereich sorgt dafür, dass ein hoher Verlust bei weitem nicht so schlimm aufgefasst wird, wie die Summe vieler kleinerer Verluste.

Zudem wird es dem Management bei ansonsten gleichbleibenden Voraussetzungen leichter fallen, die Adressaten in den kommenden Jahren mit positiven und weniger volatilen Ergebnissen zu beglücken, wenn bereits möglichst viele Verlustkomponenten in der betrachteten Periode gebündelt sind. Das Management schafft sich einen Ergebnispuffer.

Die Möglichkeiten zur Beeinflussung von Jahresergebnissen sind wie beschrieben recht vielfältig. Sie umfassen zum einen sogenannte sachverhaltensgestaltende Maßnahmen, die im Wesentlichen auf die zeitliche Verlagerung von Geschäftsvorfällen abzielen, um ganz bewusst auf das bilanzielle Mengengerüst einzuwirken. Zum anderen liegt in den Abbildungsspielräumen einzelner Sachverhalte nach dem Bilanzstichtag Gestaltungspotenzial.

Diese Spielräume beinhalten das Ausnutzen von Bilanzierungs- und Bewertungswahlrechten. So übt beispielsweise die Wahl einer bestimmten Abschreibungsmethode für abnutzbare Vermögenswerte großen Einfluss auf die ausgewiesene Vermögens- und Ertragslage eines Unternehmens aus. Insbesondere in der internationalen Rechnungslegung beeinflussen zudem (Ein-)Schätzungen eine Vielzahl von Bilanzpositionen in Höhe und Existenz.

Allen Maßnahmen ist gemein, dass sich die daraus ergebenden Effekte im Zeitverlauf ausgleichen, so dass sie über die Totalperiode (unter Vernachlässigung von Zinseffekten) neutral wirken.